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Porträt George Turner

© Mike Wolff

Turners Thesen: Forscher, meidet Parteilichkeit

Professoren, die sich als besorgte Bürger an die Öffentlichkeit wenden, untergraben das Vertrauen in die Wissenschaft, meint unser Kolumnist George Turner.

Von vielen Seiten wird gefordert, Wissenschaftler müssten sich mehr „in die Politik“ einmischen. Oft sind es akute politische Anlässe oder Befürchtungen, dass Ereignisse nachhaltige Folgen haben.

Gewiss sind alle Äußerungen von Wissenschaftlern willkommen, die auf der Grundlage soliden Faktenwissens das Pro und Contra unterschiedlicher Meinungen abwägen und dann zu einer Empfehlung kommen. Aber nicht jede Meinungsäußerung aus dem Mund von Wissenschaftlern ist auch eine wissenschaftlich begründete Aussage.

Entscheidend ist, ob sie sich als Wissenschaftler und damit Experten auf ihrem Fachgebiet äußern oder als besorgte Bürger. Auch im zweiten Fall haben sie wegen ihres Status einen Bonus; umso mehr ist geboten, dass sie den nicht verspielen. In der Tat gibt es immer wieder Professoren, zunehmend auch Professorinnen, die – unter dem Mantel der Wissenschaft – der Politik gefällig sein wollen und das äußern, was dem Adressaten nutzt. Diese etikettieren dann die Absender als „anerkannte Wissenschaftler“.

Durch Kampfschriften geht Vertrauen in die Wissenschaft verloren

Der Effekt ist meist nur kurzfristig, weil schnell eine Gegenposition parat ist. Der Schaden ist dauerhaft, weil das Ansehen der Wissenschaft beschädigt wird. Wenn Äußerungen die Qualität von Kampfschriften haben, geht viel Vertrauen in die Wissenschaft verloren.

Deshalb hat es auch die Politikberatung schwer. Da man, wie böse Zungen behaupten, für jede beliebige Position immer einen Fachvertreter als Zeugen findet, ist das Misstrauen in Expertenmeinungen groß. Auf der anderen Seite werden selbst abgewogene Empfehlungen nicht berücksichtigt, selbst wenn sie zuvor ausdrücklich eingefordert worden sind.

Eine Besinnung auf beiden Seiten wäre nützlich: Politiker sollten Rat nur einholen, wenn Sachverstand erforderlich ist; es wäre darauf zu achten, dass nicht nur Parteigänger befragt werden. Wissenschaftler sollten mit ihrer fachlich begründeten Expertise Parteilichkeit vermeiden.

Den March for Science als Mahnung nach innen verstehen

Als Bürger, denen Entwicklungen oder Ereignisse Anlass geben, die Stimme zu erheben, sollten sie bedenken, dass sie einen Vorzug genießen: Man traut ihnen zu, ein sachliches Urteil abgeben zu können – eben weil sie Wissenschaftler sind. Insofern haben sie ein nobile officium, eine besondere Pflicht wegen ihrer herausgehoben Position. Das sollte nicht durch einseitige Äußerungen und Vorurteile aufs Spiel gesetzt werden. Der vor einiger Zeit stattgefundene „March for Science“ sollte nicht nur Werbung nach außen, sondern auch Mahnung „nach innen“ sein.

Wer mit dem Autor diskutieren möchte, kann ihm eine E-Mail senden: george.turner@t-online.de

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