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Wissen: Schnitt durch die Serengeti

Eine Straße durch den Nationalpark soll die Wirtschaft ankurbeln – Millionen Tiere sind bedroht

Wenn der Regen nicht mehr fällt, machen sich die Tiere auf. Es sind Millionen. Der Staub unter den Hufen, das Gleiten der Gazellen, stampfende Zebras, die in Herden durch die Steppen ziehen: Serengeti. Ein Name, der als Symbol für Afrika steht. Doch es ist bedroht. Die Regierung in Tansania plant, eine Schnellstraße durch die Serengeti zu bauen. Schon Anfang 2011 sollen die Bauarbeiten für das rund 480 Millionen Dollar teure Projekt ausgeschrieben werden, 2012 die Bagger rollen.

Naturschützer warnen vor dem Sterben der Serengeti. Die Straße würde den Tod von Millionen Tieren bedeuten, mahnten kürzlich 27 Wissenschaftler aus aller Welt in einem Beitrag im Fachblatt „Nature“ (Band 467, Seite 272).

Die Straße würde das Reservat in Nord und Süd teilen. Millionen Tiere wären von ihren Wasserquellen abgeschnitten. Nur im Norden der Serengeti und in der angrenzenden Masai Mara in Kenia finden sie in der Trockenzeit Wasser. Deshalb wandern die Gnus, Zebras und Antilopen in großen Herden jedes Jahr hunderte Kilometer durch die Wildnis. „Great Migration“, die Große Wanderung, ist mehr als ein Touristenspektakel. Es ist ein Naturwunder.

Eine Straße, auch wenn sie nur rund 50 Kilometer im Nationalpark verläuft, würde das Ende dieser letzten großen Tierwanderung der Erde bedeuten. Die Anzahl Gnus beispielsweise würde sinken, von heute 1,3 Millionen auf dann nur noch 300 000 Tiere, zeigen Simulationsrechnungen. In einem Appell warnt die Zoologische Gesellschaft Frankfurt (ZGF) deshalb vor dem Bau der Autobahn. Die Organisation verwaltet Bernhard Grzimeks Erbe („Serengeti darf nicht sterben“) und forscht in Tansania. Der deutsche Wissenschaftler Markus Borner ist Direktor des ZGF-Programms vor Ort und neben Andrew Dobson von der Universität Princeton und Anthony Sinclair von der Universität British Columbia Hauptautor des „Nature“-Beitrags.

Sie befürchten, dass mit der Straße auch die Schwerlaster kämen, die die aufstrebenden zentralafrikanischen Länder mit der Küste verbinden. Irgendwann wäre ein Zaun nötig, „das würde definitiv das Ende der großen Wanderung bedeuten“, argumentiert die ZGF. Elefanten, Gnus, Zebras würden tausendfach am Zaun verdursten. Auch Unfälle und Tierkrankheiten, die sich entlang der Straße ausbreiten, könnten eine Folge sein.

Die Regierung in Tansania als Bauherrin wiegelt ab. Der Bauminister erklärte gegenüber einer tansanischen Zeitung, das Ökosystem sei nicht gefährdet. Und der Abgeordnete der Serengeti-Region verspricht, 50 Kilometer Straße nicht zu asphaltieren.

Die Regierung steckt in einem Dilemma: Das Land gilt als Vorreiter für Naturschutz in Afrika, das erkennen auch die Forscher an. Dieser Ruf würde mit dem Autobahnbau aufs Spiel gesetzt. Gleichzeitig sehen die Politiker im Serengeti-Highway eine „Chance von einmaliger wirtschaftlicher Bedeutung“, wie es Tansanias Präsident Jakaya Kikwete formuliert. Der Westen des Landes ist bisher nur auf Umwegen erreichbar und strukturschwach. Die Straße wäre der kürzeste Weg, das Landesinnere mit der Küste und dem großen Hafen Mombasa in Kenia zu verbinden. Die Wirtschaft könnte einen Aufschwung erfahren.

„Das ist absolut verständlich“, sagt Dagmar Andres-Brümmer, Sprecherin der ZGF. Deshalb schlagen die Naturschützer eine Südumfahrung der Serengeti vor. Diese Straße wäre länger, dafür nicht so teuer. Außerdem würden, weil der Süden des Landes dichter besiedelt ist, mehr Menschen davon profitieren.

Die Unesco hat die Serengeti 1981 in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen, der Safari-Tourismus ist außerdem ein wichtiges Standbein für Ostafrikas Wirtschaft. Inzwischen sorgen sich viele Naturschützer um das Erbe der Serengeti. Denn der Bau einer Straße betrifft nicht nur die wandernden Tiere, sondern wirkt sich auf das ganze Ökosystem aus.

Die Wissenschaftler befürchten einen Domino-Effekt. Jeden Tag würden die Herden 500 Lkw-Ladungen Dung und 125 Tankwagen Urin hinterlassen, die als Nährstoffe für die Vegetation fehlten. Ohne die Herden käme es zu großen Buschfeuern. Und die Nahrungskette wäre gestört, weil Feinde oder Beute fehlten. „Die Zerstörung der jährlichen Wanderung würde das Ökosystem dramatisch verändern“, heißt es dazu in dem Fachblatt.

Beispiele aus anderen Ländern gebe es genug: In Kanada, Botswana und Namibia sind wegen Straßen ganze Ökosysteme kollabiert. All das passiere nicht von heute auf morgen. Die ZGF-Sprecherin Dagmar Andres-Brümmer sagt: „Der Rückgang der Tierwanderung wird schleichend, aber todsicher ablaufen.“

Benjamin Dürr

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