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Bibelforschung. Könnte die katholische Theologie in Berlin noch mehr als vier Professuren bekommen?

© imago/epd/Jens Schulze

Religion: Die katholische Theologie wechselt an die Humboldt-Universität

DFG-Präsident Peter Strohschneider: „Denken Sie groß.“ Eine Fakultät mit Protestanten scheint momentan ausgeschlossen.

Die Kirchen stehen gesellschaftlich so sehr unter Rechtfertigungszwang, dass sie sich bisweilen selbst nichts mehr zutrauen. Zum Beispiel in Berlin in der Debatte um die Zukunft der Theologien. Da braucht es Mutmacher von außen. Am Dienstagabend versammelte die Katholische Akademie namhafte Wissenschaftler aus ganz Deutschland, um über die Zukunft vor allem der katholischen Theologie in Berlin zu diskutieren. „Denken Sie groß“, forderte Peter Strohschneider, der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Erzbischof Heiner Koch auf.

„Die Theologien werden gebraucht“, sagte auch der Politikwissenschaftler Klaus Dicke aus Jena. Kunsthistoriker, Kultur- und Literaturwissenschaftler berichteten, dass sie ihre Studenten in theologische Grundkurse schicken, damit sie erfahren, „was das mit dem Lamm Gottes auf sich hat“. Auch Maria Bering, die bis vor kurzem in der Berliner Bildungsverwaltung für die Hochschulen zuständig war, wies nachdrücklich darauf hin, dass der Senat die Theologien „unter dem Dach der Humboldt-Universität“ stärken wolle.

Fest steht jetzt: Die katholische Theologie wird von der Freien Universität an die Humboldt-Universität verlagert und von bisher einer Professur auf mindestens vier Professuren aufgestockt. Das Geld dafür ist im Landeshaushalt vorgesehen. Von vier Professuren war bereits im „Abschließenden Protokoll“ die Rede, auf das sich das Land und das Erzbistum 1986 geeinigt haben und das gemeinsame Aufgaben von Staat und Kirche regelt. Die vier Professuren gab es aber faktisch nie. Deshalb wertet Erzbischof Koch die Zusage des Senats dafür als „großen Erfolg“.

"Fünf Professoren sind das Minimum"

Er strebt allerdings fünf Professuren an, um neben den klassischen Fächern Exegese, Kirchengeschichte, Systematische Theologie und Religionspädagogik noch ein weiteres Fach aufbauen zu können, das dem Standort Berlin ein eigenes Profil verleihen soll. „Fünf Professuren sind das Minimum“, findet auch DFG-Präsident Strohschneider und ermutigte das Erzbistum, mit dem Land weiter zu verhandeln.

Die neuen Hochschulverträge sind vom Senat beschlossen, das Abgeordnetenhaus muss noch zustimmen. Dazwischen sehen einige durchaus Potenzial für weitergehende Verhandlungen. „Ich bekomme so viel Post von Wissenschaftlern, die der Meinung sind, Theologie habe an einer öffentlichen Universität gar nichts zu suchen“, gab Erzbischof Koch zu bedenken – und schien erst einmal lieber den berühmten Spatz in der Hand halten, als nach der Taube auf dem Dach Ausschau halten zu wollen. Martina Köppen hingegen, die Leiterin des Katholischen Büros Berlin-Brandenburg, die die Verhandlungen mit dem Erzbistum führt, ist fest entschlossen, weiter zu verhandeln. „Es braucht aber auch das Studierendenpotenzial für so viele Professuren“, sagte Maria Bering, die Vertreterin des Senats.

Andere Katholiken wie etwa der SPD-Politiker Wolfgang Thierse verstehen Peter Strohschneiders Aufforderung „Denken Sie groß“ so, dass die Kirchen an einer ganz großen Lösung für die Berliner Theologien arbeiten sollten – so wie es der evangelische Theologe Rolf Schieder vor einigen Monaten im Tagesspiegel vorgeschlagen hatte: eine Fakultät als Dach mit einem jeweils unabhängigen evangelischen, katholischen, islamischen und jüdischen Institut darunter. Am Dienstagabend wurde klar: Eine solches Konzept ist mit der Evangelischen Fakultät der Humboldt-Universität erst einmal nicht zu haben. „Keine Experimente“, sagte Dekan Christoph Markschies. „Eine interdisziplinäre Fakultät ist für die evangelische Seite nicht denkbar“, sagte auch Konsistorialpräsident Jörg Antoine, der Verwaltungschef der evangelischen Landeskirche. Bischof Markus Dröge sieht es ähnlich. Der Grund: Man will sich nicht vom Fakultätsrang auf Institutsrang herabstufen lassen. Dass sich die evangelische Kirche standhaft weigert, über diese große Lösung nachzudenken, ist für Wolfgang Thierse ein Ärgernis und ein „echtes anti-ökumenisches Signal mitten im Reformationsjubiläum“.

Könnten die anderen Religionen ein Zentrum ohne die Protestanten bilden?

In der Evangelischen Fakultät gibt es allerdings auch andere Stimmen, die wie Rolf Schieder die Zukunft der evangelischen Theologie in einem Verbund mit Katholiken, Juden und Muslimen sehen. Vielleicht können sie sich kommendes Jahr durchsetzen. Christoph Markschies’ Amtszeit als Dekan endet im Frühjahr 2018.

Offen ist, wohin die katholische Theologie an der HU wandern soll, wenn nicht unter ein gemeinsames Dach mit den Protestanten. Der „wahrscheinlichste Weg“ ist es, die katholischen Professuren zunächst beim HU-Präsidium anzukoppeln, sagte Erzbischof Koch. Denkbar wäre auch die Ansiedlung unter dem Dach der Philosophischen Fakultät oder als eine Art externer Anhang an die Philosophische Fakultät.

Und was ist mit den Muslimen? Die im Koalitionsvertrag verankerte Absicht der rot-rot-grünen Koalition, islamische Theologie an der Humboldt-Universität zu begründen, war für die christlichen Theologien schließlich überhaupt der Anlass, sich über die eigene Zukunft Gedanken zu machen. „Es gibt noch keine Festlegung, wohin das Islam-Institut kommen soll“, betonte Maria Bering.

Möglicherweise hat HU-Präsidentin Sabine Kunst noch ganz andere Ideen für die Neu-Sortierung der Theologien. Wie wäre es etwa mit einem Zentrum der katholischen, islamischen und jüdischen Theologien direkt unter dem Dach des HU-Präsidiums? Dabei wären die Protestanten außen vor. - In der ersten Fassung des Textes hatte es versehentlich geheißen, Michael Borgolte, der Gründungsbeauftragte des Instituts für Islamische Theologie der HU, favorisiere dessen Ansiedlung an der Philosophischen Fakultät. Dies ist falsch. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

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