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Weg in die Zukunft. Dupont Pioneer arbeitet bereits mit der Crispr-Technik. Das Bild zeigt die mit der Methode erzeugte „Waxy Corn“-Maissorte.

© Dupont Pioneer

Pflanzenzüchtung: „Crispr ist eine mächtige Technik“

Schneller und einfacher zum Ziel: Der Biochemiker Neil Gutterson erklärt, warum die Genschere Crispr die Pflanzenzüchtung revolutionieren kann.

Revolution in der Biotechnik: Mit der Genschere „Crispr“ (sprich: Krisper) lassen sich Erbanlagen eines Organismus rasch und präzise verändern. Müssen Pflanzensorten, die mithilfe von „Crispr“ gezüchtet werden, als Gentechnik reguliert werden? In der Europäischen Union wird darüber beraten, aber Firmen setzen längst auf Crispr. Ein Gespräch mit dem Biochemiker Neil Gutterson, Forschungs- und Entwicklungschef beim US-amerikanischen Unternehmen Dupont Pioneer, dem größten Saatgutanbieter und -entwickler weltweit.

Seit wann nutzt Dupont Pioneer die Crispr-Genschere in der Pflanzenzucht?
Erst seit Kurzem, etwa seit dem Frühsommer 2015. Trotzdem haben wir bereits ein Produkt, eine „Waxy Corn“ genannte Maissorte, die fast nur Stärke vom Amylopektin-Typ enthält und kaum noch Amylose. Wir werden sie noch in dieser Saison auf dem Feld testen. Das zeigt, wie schnell und effektiv man mit Crispr arbeiten kann.

Wie lange hätte das mit traditioneller Züchtung gedauert?

„Waxy Corn“ hat einen kleinen Markt, sowohl in den USA als auch global. Wir haben also bisher nicht speziell für diesen Markt gezüchtet, sondern züchten Hochleistungsmaissorten für den großen Markt und kreuzen sie dann mit Maissorten der „Waxy Corn“-Eigenschaft. Dieser Prozess des Einkreuzens nimmt etwa sieben bis acht Jahre in Anspruch. Das Problem dabei ist, dass sich die „Waxy Corn“-Sorte in ihrer Leistungsfähigkeit stark von den Hochleistungssorten unterscheidet, sodass man am Ende „Waxy Corn“-Sorten hat, die nicht den Elitesorten entsprechen. Crispr ist deshalb so elegant, weil wir die „Waxy Corn“-typischen Genveränderungen direkt in den Elitesorten einbauen und somit auf Kreuzungen verzichten können. Das geht so schnell, dass wir mit der „Waxy Corn“-Sorte schon vor Ende dieses Jahrzehnts auf dem Markt sein können. Kennt man die genetische Grundlage eines Merkmals, dann lässt sich ein Produkt mit Crispr in höchstens fünf Jahren auf den Markt bringen, im Vergleich zu sieben oder acht mit konventioneller Züchtung.

Wie viel Geld lässt sich so sparen?

Ich kann keine Zahl aus dem Arm schütteln, aber Zeit ist wichtig, Zeit ist Geld. Wir glauben an die Effizienz dieser Technologie, mit der sich schnell qualitativ hochwertige Produkte herstellen lassen. Crispr ist eine mächtige Technik.

Wie wollen Sie Crispr noch einsetzen, über „Waxy Corn“-Sorten hinaus?

Das ist eine Technik, die wir in der Zucht all unserer wichtigen Nutzpflanzen einsetzen werden, vor allem bei Sojabohnen, Mais, Raps und für Europa bei Sonnenblumen, Weizen und Reis. Also alle Pflanzen, die wir zurzeit auf dem Markt haben und die wir mit Crispr für unsere Kunden verbessern wollen.

Neil Gutterson ist Biochemiker und leitet die Forschungsabteilung beim amerikanischen Saatguthersteller Dupont Pioneer.
Neil Gutterson ist Biochemiker und leitet die Forschungsabteilung beim amerikanischen Saatguthersteller Dupont Pioneer.

© Dupont Pioneer

Welche Eigenschaften der Pflanzen wollen Sie verbessern?

Wir arbeiten schon lange daran, die Widerstandsfähigkeit einer Pflanze gegen Trockenheit, die Dürretoleranz, zu verbessern und haben auch eine Reihe konventionell gezüchteter, dürretoleranter Sorten, die angesichts schwieriger werdender Umweltbedingungen und geringerer Verfügbarkeit von Wasser von unseren Kunden geschätzt werden. Mit Crispr wollen wir zunächst Mais und langfristig auch Reis dürretoleranter machen, wobei diese Eigenschaft natürlich im Grunde für alle Nutzpflanzen relevant ist. Außerdem entwickeln wir mit der Crispr-Technik Sorten, die resistent gegen bestimmte Pflanzenkrankheiten sind. Und natürlich hoffen wir Eigenschaften verändern zu können, die sich auf den Ertrag auswirken. Darüber hinaus lässt sich über Crispr die Qualität eines Produktes steigern, beispielsweise des Öls, das aus einer Rapssorte gewonnen wird, oder des Proteingehalts einer Sojabohne. Letztlich kann die Technik auch dazu beitragen, dass weniger problematische Chemikalien gegen Pflanzenkrankheiten eingesetzt werden, die sonst zum Schutz von Spinat oder Zitrusfrüchten nötig sind. Crispr kann Probleme lösen, an denen wir mit den bisherigen Technologien scheitern.

Die Europäische Union hat noch nicht darüber entschieden, ob Pflanzensorten, die mit Crispr gezüchtet wurden, generell als „gentechnisch verändert“ gelten und entsprechend reguliert werden sollen. Welche Auswirkungen hat diese Unsicherheit auf Duponts Zuchtprogramme und die Verwendung von Crispr?

Wir wissen, dass es ein Risiko der regulatorischen Unsicherheit, der öffentlichen Wahrnehmung und der gesellschaftlichen Akzeptanz gibt. Das ist ein globales Problem. Das berücksichtigen wir, aber die Technologie ist für uns wertvoll genug, dass wir hart daran arbeiten, sie zu nutzen. Und sicher werden Beschlüsse in verschiedenen Regionen der Welt unsere Entscheidungen beeinflussen, ob wir uns mehr auf Weizen, Reis, Mais oder Sojabohne konzentrieren. Wir haben ein Auge auf das, was in Europa passiert.

Ist Crispr nun Gentechnik oder nicht?

Crispr ist ein Werkzeug. Es kann auf unterschiedliche Art und Weise gehandhabt werden. Es kann eingesetzt werden, um fremdartiges Erbgut, Transgene, in ein Pflanzengenom einzuschleusen. Das ist ohne jeden Zweifel eine gentechnische Veränderung. Aber es gibt auch eine ganze Reihe von Anwendungen der Crispr-Technologie, die in die gleiche Kategorie wie die konventionelle Zucht fallen. Derart veränderte Pflanzen, wie etwa die „Waxy Corn“-Sorte, sollten daher nicht als gentechnisch verändert gelten. So hat zumindest die amerikanische Landwirtschaftsbehörde USDA entschieden.

Es ist also keine Gentechnik, solange Crispr nur benutzt wird, um Genvarianten in einer Sorte von Nutzpflanze einzustellen, die bereits in einer anderen Sorte der gleichen Art existiert und natürlicherweise entstanden ist?

Alles, was man auch durch einen normalen Züchtungsprozess herstellen könnte, also Mais-Gene in Mais, Reis-Gene in Reis einzusetzen, sollte nicht als Gentechnik gelten, weil dabei nur die natürlicherweise vorhandene Variationsbreite ausgenutzt wird. So ändert die Natur das Erbgut ja auch ununterbrochen. Angenommen, in einer Maissorte gibt es ein Resistenzgen gegen eine Pflanzenkrankheit, aber eine andere Maissorte hat diese Genvariante nicht. Dann kann man dieses Resistenzgen konventionell über eine Reihe von Kreuzungen in die Sorte einführen oder eben mit. Man erhält das gleiche Produkt. Ebenso wenn man zwei oder mehrere solcher vorteilhafter Genvarianten in eine Maissorte einschleust, nur wird das mit konventioneller Kreuzung sehr aufwendig, während man das gleiche Ergebnis mit Crispr schneller und einfacher erreicht.

Bislang gibt es in der EU nur zwei regulatorische Kategorien, in die neue Pflanzensorten fallen können: gentechnisch verändert oder konventionell gezüchtet. Brauchen wir neue Kategorien?

Wir sind noch nicht so weit, zu artikulieren, welche regulatorischen Prozesse nötig sind. Sicher gibt es bereits eine angemessene Kontrolle, um die sicherheitsrelevanten Aspekte der Technologien zu regulieren, die wir verwenden. Wird beispielsweise ein fremdes Gen in eine Pflanze eingebracht, das bisher nicht Teil von Lebensmitteln war, dann stellen sich Sicherheitsfragen, die berücksichtigt werden müssen. Aber wenn man nur den Genpool einer Art ausnutzt, dann ist das Sicherheitsprofil ein ganz anderes. Wir hoffen auf regulatorische Systeme, die diesen unterschiedlichen Sicherheitsprofilen angepasst sind.

Regulieren ist gut, kontrollieren ist besser. Nur lässt sich nicht ohne Weiteres erkennen, ob sich der Baustein eines Gens nun durch Crispr oder durch natürliche Mutation verändert hat. Wie soll dann Kontrolle funktionieren?

Es ist richtig, dass sich bestimmte, mit Crispr herbeigeführte Genveränderungen nicht von natürlich entstandenen unterscheiden lassen. Aber verantwortungsbewusste Firmen wie Dupont werden immer offenlegen, welche Technik sie verwenden und ob sie Crispr einsetzen.

Klassische Gentechnik war aufwendig und teuer. Züchter nutzten sie vergleichsweise selten, sodass die restriktive Regulation der EU verschmerzbar war. Mit Crispr eröffnen sich völlig neue Möglichkeiten, schnell und günstig zu neuen Sorten zu kommen. Gefährdet eine ebenso restriktive Haltung gegenüber der Crispr-Technik die Züchter in der EU?

Es wäre sehr ungünstig.

Mit Crispr hat die Debatte über Risiken und Chancen der Grünen Gentechnik wieder Fahrt aufgenommen – ist das nun gut oder schlecht?

Viele Menschen wissen nicht, wie das Gemüse entstanden ist, das sie jeden Tag im Supermarkt kaufen. Das ist auch nicht nötig, denn es interessiert ja ebenfalls kaum jemanden, wie ein Smartphone funktioniert. Aber ich denke, dass es wichtig ist, zu erklären, dass Brokkoli genauso das Resultat genetischer Veränderungen ist wie Cherrytomaten oder Hochleistungsvarianten von Mais. Insofern ist es gut, dass die Debatte über Crispr den Dialog über Lebensmittel wieder eröffnet hat.

Neil Gutterson ist

Biochemiker und beim Saatguthersteller Dupont Pioneer für Forschung und Entwicklung zuständig. Er ist auch Vizepräsident des Unternehmens.

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