zum Hauptinhalt
Tigermücke

© picture alliance / dpa

Olympia in Rio: Die Sommerspiele wegen Zika zu verschieben, bringt nichts

Ein Virus und eine Massenveranstaltung - das klingt gefährlich. Doch tatsächlich ändert Olympia wenig an der internationalen Verbreitung von Zika, sagt das WHO-Notfallkomitee. Und in Südeuropa sind ohnehin bald kleine Ausbrüche möglich.

Die Olympischen Sommerspiele sollten nicht wegen der Zika-Epidemie verschoben oder verlegt werden. Zu diesem Ergebnis kam am Dienstag das Notfallkomitee, das die Weltgesundheitsorganisation WHO regelmäßig zu Zika berät. „20 Prozent der Weltbevölkerung leben derzeit in Gegenden, in denen das Virus übertragen wird“, sagte Bruce Aylward, der bei der WHO für Gesundheitsnotfälle zuständig ist. „Rund 30 Prozent aller Reisen weltweit gehen von diesen Ländern aus oder haben diese zum Ziel.“ Eine Analyse der letzten Olympischen Spiele und anderer Sportereignisse habe gezeigt, dass sich die Gesamtzahl der Touristen während solcher Massenveranstaltungen nicht besonders erhöhe. „Das Risiko, dass die Olympischen Spiele zur internationalen Verbreitung beitragen, ist sehr gering“, sagte David Heymann, der Vorsitzende des Notfallkomitees.

Man arbeite eng mit Brasilien zusammen, um die Mückenbekämpfung rund um die Austragungsorte weiter zu verstärken, sagte Heymann. Athleten und Besucher sollten genau über die bestehenden Risiken informiert werden. Man werde sicherstellen, dass überall ausreichend Kondome und Mückenschutzmittel erhältlich sein werden.

Schwangere sollten die Epidemiegebiete meiden

Das Notfallkomitee bekräftigte erneut, dass schwangere Frauen die Epidemiegebiete meiden sollten. Wenn ihr Partner dort unterwegs war, sollte er nach seiner Rückkehr während der gesamten Schwangerschaft konsequent Kondome benutzen. Denn Zika kann mehrere Monate in der Samenflüssigkeit des Mannes überleben. Bei einer Übertragung kann das Virus das ungeborene Kind schwer schädigen.

Zuvor hatten 230 Wissenschaftler einen offenen Brief an die WHO unterzeichnet. Die Spiele nicht zu verschieben oder zu verlegen, sei „unverantwortlich“ und „unethisch“. Viele Virologen, darunter der Zika-Experte Jonas Schmidt-Chanasit vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg und Jeremy Farrar, der Direktor des britischen Wellcome Trusts, hatte die Forderung dagegen irritiert. „Scheinbar einfache Lösungen – wir verschieben und dann wird alles gut – greifen nicht“, sagte Schmidt-Chanasit.

Zika kann ohnehin bald in Europa ankommen

Dass Zika auch durch die ganz normalen Touristenströme bald in Europa ankommen kann, unterstreicht eine aktuelle Risikoanalyse. Internationale Forscher um Kamran Khan vom St.-Michaels-Krankenhaus in Toronto haben eine Karte erstellt: Rote Streifen durchziehen Italien, sie lassen keine Mittelmeerinsel und kaum eine südeuropäische Küste aus. Hier, so mahnen sie im Fachblatt „E-Biomedicine“, sollten Gesundheitsbehörden auf kleine Zika-Ausbrüche vorbereitet sein. Ab Juni könne es dazu kommen. Im Juli und August sei das Risiko hoch. In Deutschland sind nur Teile Baden-Württembergs auf der Karte orange markiert.

Vorsicht. Besonders entlang der Mittelmeerküste sollten Gesundheitsbehörden auf Zika-Ausbrüche vorbereitet sein.
Vorsicht. Besonders entlang der Mittelmeerküste sollten Gesundheitsbehörden auf Zika-Ausbrüche vorbereitet sein.

© Kamran Khan

Die Einschätzung der Experten beruht zum einen auf der Anzahl der Flugpassagiere, die aus den Zika-Gebieten eintreffen. Das sind in einem normalen Sommermonat bis zu 200 000 allein in Paris, in London sind es bis zu 130 000, in Madrid bis zu 125 000. Lissabon, Rom und Barcelona sind dagegen das Ziel von durchschnittlich nur 35 000 bis 40 000 Reisenden aus Zika-Regionen. Dafür sind die klimatischen Verhältnisse dort für die Aedes-Mücken günstiger. Das mathematische Modell, das der Europakarte zugrunde liegt, bezieht daher zum anderen das Vorkommen der Mückenarten Aedes aegypti und Aedes albopictus (Tigermücke), die Bevölkerungsdichte und die Sommertemperaturen in den Jahren 2006 bis 2015 ein.

Die Forscher machten keinen Unterschied zwischen den Mückenarten

Die Forscher machten bei ihren Berechnungen keinen Unterschied zwischen den beiden Mückenarten. Dies ist gleichzeitig ein Unsicherheitsfaktor. Denn ob die Tigermücke tatsächlich eine maßgebliche Rolle bei der Verbreitung spielen kann, ist unklar. Laborexperimente legen zwar nahe, dass sie als Überträger infrage kommt. Doch Nachweise aus Epidemien fehlen. Außerdem ist die Tigermücke nicht derart auf den Menschen fixiert.

Khan und seine Kollegen betonen, dass das Zusammenwirken etlicher Faktoren nötig sei, damit ein kranker Reiserückkehrer eine lokale Verbreitung von Zika in Europa auslösen kann. „Wir wissen nicht, ob es in Europa überhaupt einen Zika-Ausbruch geben wird“, sagt er. Die Karte sei ein Hilfsmittel für die Behörden, um zum Beispiel eine gezielte Mückenbekämpfung voranzutreiben und gefährdete Gruppen zu warnen.

Besonders hoch sei das Risiko auf der Insel Madeira und an Teilen der russischen Schwarzmeerküste. Denn dort habe sich Aedes aegypti bereits fest etabliert. In der Vergangenheit habe es dort Dengue- und Chikungunya-Ausbrüche gegeben.

Zur Startseite