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Teilhabe an der Uni. An der TU Berlin (im Bild der Lichthof im Hauptgebäude) könnte der Einfluss der Professorinnen und Professoren bei der Präsidiumswahl geschwächt werden.

© Michael Setzpfandt/TU Berlin

Mitreden an der Uni: "Top down ergibt nur schöne Hochglanzbroschüren"

Der Berliner Senat will die Hochschulen demokratischer gestalten. Dagmar Simon, die Vorsitzende der Arbeitsgruppe für „Demokratische Hochschulen“, zu ihrer Aufgabe dabei.

Frau Simon, der Berliner Senat hat im Koalitionsvertrag angekündigt, die Beteiligung aller Hochschulmitglieder an der akademischen Selbstverwaltung zu stärken. Dazu wurde jetzt eine Arbeitsgruppe „Demokratische Hochschule“ eingesetzt. Wie undemokratisch sind denn die Berliner Hochschulen momentan?

Dass diese Arbeitsgruppe eingesetzt wird, bedeutet nicht im Umkehrschluss, dass die Hochschulen undemokratisch sind. Wir reden in den letzten Dekaden viel über die Ausdifferenzierung von Hochschulen, über exzellente, entrepreneurhafte, international führende Hochschulen etcetera, weniger jedoch über demokratische Hochschulen. Immerhin diskutieren wir in letzter Zeit wieder mehr über die Frage, welche Position und Aufgaben die Hochschulen als gesellschaftliche Institutionen einnehmen und nicht nur über Ranking-Plätze. Wir wollen in der Arbeitsgruppe ausloten, was eine demokratische Hochschule überhaupt ausmacht und wie sie so ausgestaltet werden kann, dass sie mehr Partizipation der Beschäftigtengruppen und der Studierenden erlaubt. Dies erscheint mir auch notwendig angesichts der Erfahrung, dass so etwas wie Profilbildung, zu dem die Hochschulen aufgefordert wurden, als Top-downProzess nicht funktioniert. Das ergibt nur schöne Hochglanzbroschüren.

Gab es in Ihrer wissenschaftlichen Laufbahn Situationen, in denen Sie sich mehr Mitbestimmung gewünscht haben?

Als ich in den siebziger Jahren am OSI der FU studiert habe, war Mitbestimmung unser geringstes Problem.

Der Senat erwartet von der AG bis Ende 2018 einen 20-seitigen Abschlussbericht mit „Empfehlungen zur Stärkung der Mitbestimmung und Teilhabe“. In den meisten Gremien dominiert bei Entscheidungen die Gruppe der Professorinnen und Professoren. Muss es also darauf hinauslaufen, diese zu entmachten – soweit es rechtlich überhaupt möglich ist?innen und Professoren. Muss es also darauf hinauslaufen, diese zu entmachten – soweit es rechtlich überhaupt möglich ist?

Dagmar Simon forscht am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Gemeinsam mit Berlins früherem Staatssekretär Peer Pasternack leitet sie die vom Berliner Senat eingesetzte Arbeitsgruppe "Demokratische Hochschule".
Dagmar Simon forscht am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Gemeinsam mit Berlins früherem Staatssekretär Peer Pasternack leitet sie die vom Berliner Senat eingesetzte Arbeitsgruppe "Demokratische Hochschule".

© David Ausserhofer/promo

Dies ist ein sehr dickes Brett und meines Erachtens nicht die Aufgabe der AG. Ich stelle mir vor, erst mal alle Möglichkeiten der besseren aktiven und verbindlichen Einbindung der Studierenden und aller Beschäftigtengruppen in die unterschiedlichen Prozesse und Themen zu eruieren.

Welche Instrumente kommen denn noch zur Demokratisierung infrage?

Das, hoffe ich, werden wir gemeinsam in der AG erarbeiten. Es wird beispielsweise um die Frage gehen, was die Voraussetzungen für Gremienarbeit sind, zum Beispiel zeitliche Ressourcen, Anrechnung auf die Arbeitszeit, es geht auch generell um die Wertschätzung von Gremienarbeit im Reputationssystem der Wissenschaft und damit der Hochschulen. Damit wären wir auch beim Thema „gute Arbeit in der Wissenschaft“. Für kurzfristig angestellte Drittmittelbeschäftigte stellt sich das Thema Partizipation als ein Problem dar. Als einen ersten Schritt wollen wir überhaupt erst einmal eine Übersicht erstellen lassen, welche Mitbestimmungsmöglichkeiten Studierende an den Berliner Hochschulen haben.

Im Hochschulgesetz von Nordrhein-Westfalen ist verankert, dass Frauen und Männer in den Gremien zu gleichen Anteilen vertreten sein müssen. Käme das auch für Berlin infrage?

Ich persönlich finde, dass es notwendig wäre. Wir kennen allerdings die negativen Effekte, dass dann bestimmte Wissenschaftlerinnen viel zu viel Gremienarbeit leisten müssen und nicht im ausreichenden Maße Zeit für ihre wissenschaftliche Arbeit finden. Insofern müssen die Effekte beobachtet werden, und ich würde eine solche Regelung auf jeden Fall zeitlich limitieren.

Manche werden befürchten, dass die Empfehlungen der AG dazu führen, dass bald zu viele und zu lange mitreden und die Hochschulen sich selbst lähmen. Können Sie solche Sorgen nachvollziehen?

Das ist in der Tat nachvollziehbar. Dazu sollen die Empfehlungen natürlich nicht führen, es kommt also sehr auf die Organisation der Partizipation an. Dann bräuchte man manche stundenlangen Debatten in den Gremien vielleicht nicht und könnte die Effizienz verbessern. Vieles lässt sich nämlich schon im Vorfeld in gemischt zusammengesetzten Arbeitsgruppen klären, wie wir es in der außeruniversitären Forschung machen. Ich denke, solche Formen nützen viel zur Vorbereitung von Entscheidungen.

Bisher haben die Berliner Hochschulen Fragen der Mitbestimmung im Rahmen des Berliner Hochschulgesetzes selbst in ihren Verfassungen ausgestaltet. An der HU kann zum Beispiel jemand nur Vizepräsidentin für Lehre werden, wenn er oder sie im Akademischen Senat mindestens eine studentische Stimme bekommt. Und die TU erwägt eine viertelparitätische Präsidiumswahl. Wozu brauchen die Hochschulen also noch Empfehlungen einer AG?

Ich finde es nach wie vor den richtigen Weg, dass die Berliner Hochschulen selbst ihre Verfassung ausgestalten, sie kennen sich selbst am besten. Aber diese AG kann übergreifende Anregungen geben, was noch verbessert werden kann. Und wir wollen in der AG auch von den Erfahrungen der Berliner Hochschulen und auch weiterer – auch internationaler – Hochschulen lernen, von denen wir dann Expertinnen und Experten einladen. Dieser Austausch scheint mir ganz wichtig zu sein.

Könnte es sein, dass die Empfehlungen der AG zu einer Novelle des Berliner Hochschulgesetzes führen? Dann könnten die bisherigen Spielräume der Hochschulen doch sogar eingeengt werden?

Ich würde dies zunächst nicht anstreben, es aber auch nicht völlig ausschließen. Die Spielräume der Hochschule sollten aber auf jeden Fall erhalten bleiben. Die Meinungen innerhalb der AG dürften weit auseinandergehen. Neben Vertretern der Präsidien und Kuratorien sind zum Beispiel die Asten, die GEW oder der Hochschulverband vertreten. Wie wollen Sie da gemeinsame Empfehlungen herbeiführen?

Ich will gemeinsam mit meinem Kollegen Peer Pasternak (Anm. d. Red: Der Hochschulforscher und frühere Berliner Staatssekretär für Wissenschaft ist mit Dagmar Simon zusammen Vorsitzender der Arbeitsgruppe) versuchen, dass wir einen Konsens erzielen, wohl wissend, dass dies nicht einfach wird. In dem Fall, dass es nicht ganz gelingt, gibt es immer noch probate Instrumente wie Mehrheits- und Minderheitsvoten.

Dagmar Simon forscht am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung über Wissenschaftspolitik. Sie ist Vorsitzende der Arbeitsgruppe „Demokratische Hochschule“. Die Fragen stellte Anja Kühne.

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