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Parabelflieger A310 Zero-G

© DLR

Merkel-Airbus wird zum Parabelflieger: Schwerelos für 22 Sekunden

Die alte Kanzlermaschine fliegt heute erstmals für die Forschung: Während der wilden Flugmanöver herrscht in der Maschine Schwerelosigkeit, die Wissenschaftler für Experimente nutzen. Nicht jedem bekommt das.

In den vergangenen zwei Jahrzehnten hatten die Piloten dieser Maschine vor allem eine Aufgabe: ihre Passagiere sicher und möglichst ruhig an ihr Ziel zu bringen. Zunächst für die DDR-Airline Interflug gebaut, reisten seit 1993 damit Kohl, Schröder, Guttenberg und Merkel um die Welt. Wenn der Airbus A310 an diesem Dienstag nach längerer Pause in Bordeaux wieder startet, sollen ihn die Piloten mehrfach auf extreme Steig- und Sinkflüge zwingen. Während dieser Manöver heben sich die Kräfte gegenseitig auf, sodass im Inneren für 22 Sekunden Schwerelosigkeit herrscht. Forscher nutzen das, um ungestört von der allgegenwärtigen Erdanziehung Experimente zu machen.

Für 2,5 Millionen Euro verkauft

Dafür haben sie bisher vor allem den Airbus „A300 Zero-G“ der französischen Firma Novespace genutzt. Doch das Flugzeug war in die Jahre gekommen, ein Ersatz wurde gesucht – und gefunden. Für 2,5 Millionen Euro kaufte Novespace den ehemaligen „Kanzler-Airbus“.

Für eine weiche Landung. Im Inneren des Airbus wurden die Sitze entfernt und Matten verlegt. Das verringert die Verletzungsgefahr.
Für eine weiche Landung. Im Inneren des Airbus wurden die Sitze entfernt und Matten verlegt. Das verringert die Verletzungsgefahr.

© DLR

Bei Lufthansa Technik in Hamburg wurde er umgebaut zum „A310 Zero-G“. Im Cockpit wurde Steuertechnik nachgerüstet, die den drei Piloten hilft, die geplanten Parabeln exakt zu fliegen. Gelingt das nämlich nicht, knallen die Passagiere wahlweise an die Decke oder den Boden. Daher wurde die 100 Quadratmeter große Experimentierzone in der Kabine auch ihrer Sitze entledigt und stattdessen nach allen Seiten mit Kunstledermatten verkleidet.

Profil eines Parabelflugs
Profil eines Parabelflugs

© DLR,dpa,TSP

Dort bauen die Wissenschaftler ihre Experimente auf und begleiten diese während des Fluges. Bei den bisherigen Forschungskampagnen, organisiert durch das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), wurden die verschiedensten Fragen bearbeitet. Sportwissenschaftler haben beispielsweise untersucht, ob die Schwerelosigkeit die Signalverarbeitung im Gehirn verändert. Das dient der Grundlagenforschung, könnte aber auch für die bemannte Raumfahrt wichtig werden. Ebenso wie Versuche von Biologen, die herausfinden wollen, welche Wasserlebewesen in der Schwerelosigkeit unter Reiseübelkeit leiden. Die robusten Tierchen könnten einmal in Raumschiffen gezüchtet werden, um Astronauten als Nahrung zu dienen.

Gegen Übelkeit hilft ein Medikament - zumindest den meisten

Menschen geht es in einem Parabelflieger übrigens ähnlich wie manchen Fischen. Dagegen hilft aber ein Medikament, das man vor dem Abflug gespritzt bekommt. Zumindest den meisten. Daher empfiehlt die Crew stets, die überall greifbaren Tüten vor der nächsten Parabel sicher zu verschließen.

Die Eindrücke während eines Fluges sind wahrhaft außergewöhnlich. Beim Anflug in die Parabel wirkt die doppelte Erdanziehung und presst alles und jeden nach unten. Die Schwerelosigkeit wiederum lässt sich anfangs kaum genießen: Zu ungewohnt ist es, wenn die Triebwerke plötzlich verstummen, der Rumpf knackt – und ein kleiner Stupser genügt, um quer durch den Raum zu fliegen, entlang einer geraden Linie. Kurz darauf befindet sich das Flugzeug schon wieder im Sturzflug Richtung Erde und die Piloten fangen es ab. Der gefühlte Ausflug ins All ist zu Ende, bis zur nächsten von insgesamt 30 bis 35 Parabeln.

Angela Merkel wurde eingeladen, abermals mitzufliegen

Vielleicht ist demnächst auch ein Fluggast dabei, der die Maschine schon kennt. Johann-Dietrich Wörner, Chef des DLR, habe Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits eingeladen, noch einmal mit ihrer alten Maschine zu fliegen, berichtet die dpa. Nicht nach Washington, nicht nach Moskau, sondern in die Schwerelosigkeit.

Anm.: In einer früheren Fassung wurde der Airbus A310 irrtümlich auch als DDR-Regierungsmaschine bezeichnet. Die mehrfach verbreitete Information erwies sich als falsch. Wir bitten um Entschuldigung und danken für den Hinweis eines Lesers, der uns darauf aufmerksam machte.

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