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Tauchfahrt. Ein Unterwasserroboter vor dem Start.

© Suzanna Clark/HZG

Meeresforschung: Tauchroboter im Windpark

Welche Folgen haben Offshore-Windräder auf Meeresströmungen? Unterwasser-Automaten helfen bei der Antwort.

Im Meer geht es turbulent zu. Alles wird ständig gemischt. Dafür sorgen die Wirbel an der Oberfläche, die der Wind erzeugt. Und am unteren Ende der Wassersäule das Aufeinandertreffen von schneller und langsamer fließendem Wasser. Die Gezeitenströmung reibt dort am Meeresgrund, wodurch sich das Wasser in Bodennähe langsamer bewegt. Etwas darüber, weiter weg vom Grund, fließt es dagegen schneller, weil es dort keine Reibung gibt. So entsteht eine Scherung, wie der Unterschied der Fließgeschwindigkeiten genannt wird. Je größer die Scherung, desto mehr Wirbel entstehen. Diese sind eine Schlüsselgröße in den Meeren, denn sie verteilen Temperaturen, Sauerstoff, Salz und Sedimente.

So richtig intensiv ist die Wirbelproduktion aber nur am Meeresboden und an der Oberfläche. „Zur Mitte der Wassersäule hin schwächen sich die Turbulenzen ab“, erklärt Lucas Merckelbach vom Helmholtz-Zentrum Geesthacht bei Hamburg. Hier herrschen günstige Bedingungen für eine spezielle Wasserschichtung. Im Sommer ist die Wärmezufuhr durch die Sonne so stark, dass sie sich gegen die chaotischen Kräfte im Meer durchsetzt. Sie wirkt dann stabilisierend, und so bildet sich ein Zweischichtensystem. Oben eine Schicht wärmeren Wassers und darunter eine zweite, die kälteres Wasser führt und schwerer ist. Kalt und Warm trennt eine Sprungschicht. Bis in den Herbst hält sich die Formation. Normalerweise.

Die Masten der Windräder verändern die Strömungen

In der Nordsee kommt mit den Offshore-Windparks ein neuer Faktor ins Spiel. Sie verändern die physikalischen Prozesse im Meer, denn die Masten der Windräder stehen im Weg. „Strömt Wasser dagegen, entstehen zusätzliche Wirbel“, sagt Merckelbach. Dadurch verstärken sich die Turbulenzen in der Mitte der Wassersäule. Genau dort, wo es vorher noch ruhig genug war für die Kalt-Warm-Schichtung. Die hat es nun viel schwerer, sich zu bilden.

Die Wirbel an den Masten sind anfangs so groß wie die Masten selbst, fünf bis zehn Meter im Durchmesser, brechen aber auseinander und formen immer kleinere Wirbel. Um auch den winzigsten Wirbeln auf die Spur zu kommen, benutzen Merckelbach und sein Kollege Jeffrey Carpenter torpedoförmige, gelbe Unterwasserroboter, Glider genannt. Sie gleiten mit einer Geschwindigkeit von 30 bis 40 Zentimetern pro Sekunde durchs Wasser und steuern ihren Auftrieb selbst. Einen Propeller brauchen sie deswegen nicht zur Fortbewegung, sodass es keine rotierenden Teilchen gibt, die Vibrationen auslösen. Ideale Voraussetzungen, um Miniwirbel zu finden.

An der Spitze der Roboter steckt ein Sensor in Form eines Stäbchens. Spürt der Glider einen Wirbel auf, beugt es sich, und der Glider sendet ein elektrisches Signal. Die Roboter sind ziemlich praktisch für die Forschung. Sie können drei bis vier Wochen autark in einen bestimmten, vorher festgelegten Gebiet navigieren.

Entscheidend ist die Zahl der Windparks

2015 setzten Merckelbach und Carpenter drei Roboter im Westen, Osten und Norden des Windparks Global Tech I aus, fünf Kilometer von den Masten entfernt. Um sie näher am Windpark ins Wasser zu lassen, hätte es einer Ausnahmegenehmigung bedurft. Die Messungen zeigten, dass die Wassersäule an der Ostseite des Windparks besser durchmischt war. Das konnte man daran erkennen, dass die Sedimente, die während der Flut vom Boden aufgewirbelt wurden, dort höher stiegen. Unklar bleibt vorerst, was die Masten damit zu tun haben. Vielleicht bringt das nächste Glider-Experiment 2018 mehr Erkenntnisse. Direkt im Windpark schwimmen die Roboter auch dann nicht. Sie sind blind und würden irgendwann gegen einen Mast knallen.

Ob die Kalt-Warm-Formation im Sommer weiterexistiert? Die Studie, die Merckelbach und Carpenter im Fachblatt „Plos One“ veröffentlichten, gibt erste Antworten. Am Ende hängt alles von der künftigen Zahl der Windparks ab. Ursprünglich sollte ein Drittel der deutschen Nordsee mit Offshore-Anlagen bebaut werden. Da hätte sich die sommerliche Schichtung wahrscheinlich nicht mehr bilden können. Nach den aktuellen Plänen wird aber weniger Nordsee zum Windpark. Unter diesen Umständen dürften die Schichtungen weiterhin entstehen. „Jedoch werden sie nicht mehr so stabil sein“, vermutet Merckelbach.

Welchen Einfluss die Masten aufs Leben unter Wasser haben, kann er noch nicht sagen. Veränderungen wird es geben, da sich Temperaturen, Salz und Sauerstoff anders verteilen. Zudem könnte der Transport von Sedimenten zunehmen. Die Inseln im Wattenmeer werden vielleicht größer. Oder das Wattenmeer selbst füllt sich auf und verschwindet eines Tages. „Das wären Langzeiteffekte“, sagt Merckelbach. „Keiner weiß, ob es so kommt.“

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