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Früh mobil. Auch wenn neue Studien an Mäusen darauf hindeuten, dass eine fast 24-stündige Handystrahlung Krebswachstum verstärken kann – bisher gibt es keine Belege, dass Mobiltelefonieren beim Menschen Krebs auslösen könnte.

© mauritius images

Mäuse, Handys und Strahlung: Kein Anlass zur Funkstille

Tumore krebskranker Mäuse wachsen unter Handystrahlung stärker. Grund zur Panik unter Menschen ist das nicht.

Elektromagnetische Strahlung fördert im Tierversuch das Wachstum von Tumoren. Das ist das Ergebnis einer Studie, die ein Forscherteam um Alexander Lerchl von der Jacobs Universität in Bremen jetzt im Fachblatt „Biochemical and Biophysical Research Communications“ veröffentlicht hat. Die Untersuchung bestätigt das Ergebnis einer Pilotstudie des Fraunhofer-Instituts für Toxikologie und Experimentelle Medizin aus dem Jahr 2010 mit derselben Versuchsanordnung.

Mobilfunkstrahlung könnte Tumorwachstum verstärken

In beiden Studien wurde Mäusen ein Mittel verabreicht, das Krebs erzeugt. Viele Versuchstiere bekamen danach, wie nicht anders zu erwarten, Krebs an verschiedenen Stellen des Körpers. Im Vergleich zu Artgenossen, die keiner Strahlung durch elektromagnetische Felder ausgesetzt waren, hatte sich der Krebs bei bestrahlten Tieren nach einiger Zeit allerdings deutlich stärker ausgebreitet. Das galt in der neuen Untersuchung nicht allein für Tumoren an Lunge und Leber, sondern auch für Lymphknotenkrebs. Ungewöhnlich ist jedoch, dass sich keine eindeutige Beziehung zwischen Strahlendosis und Wirkung fand. „Unsere Studie zeigt, dass Mobilfunkfelder die Ausbreitung bereits vorhandener Tumore verstärken“, sagt Biologe Lerchl. Für die Annahme, dass Handystrahlung Krebs verursache, könne die Untersuchung hingegen keine Hinweise liefern.

Lerchl hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Studien zum Thema Handystrahlung veröffentlicht. Er ist zudem als scharfer Kritiker von Untersuchungen hervorgetreten, die seiner Ansicht nach strengen wissenschaftlichen Kriterien nicht genügten und die Gefahren des mobilen Telefonierens ungerechtfertigt dramatisierten. Der Physiologe Rainer Meyer von der Universität Bonn, einer der langjährigen Kenner der Forschung zum Thema Handystrahlung, attestiert Lerchls Studie, die im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz durchgeführt wurde, zudem gute Qualität. „Relevant ist sie vor allem deshalb, weil die Ergebnisse der Fraunhofer-Studie hier bestätigt wurden.“

"Nicht besonders aufregend"

Allerdings gebe es inzwischen eine wahre Flut experimenteller Studien, gibt Maria Blettner zu bedenken, Direktorin des Instituts für Medizinische Biometrie, Epidemiologie und Informatik an der Universität Mainz. Dass nun die Ergebnisse einer weiteren experimentellen Studie vorliegen, empfindet sie deshalb als „nicht besonders aufregend“.

Fraglich ist auf jeden Fall, ob sich Versuche, in denen Mäuse mit hoch dosierten Medikamenten vorbehandelt wurden, auf Menschen übertragen lassen. Auf jeden Fall eignen sie sich nicht, um der Frage nach einem erhöhten Risiko für die seltenen Tumorarten am Kopf nachzugehen – der beim Menschen mit Mobiltelefon im Zweifelsfall am meisten Strahlung abbekommt. Auch die Dauerbestrahlung der Mäuse, die nachts nur für eine halbe Stunde ausgesetzt wurde und teilweise weit über dem Grenzwert lag, vergrößert die Distanz zwischen Mäusestudie und menschlichem Alltag.

"Keine Gefährdung der Bevölkerung ableitbar"

„Ich würde keine Gefährdung der Bevölkerung daraus ableiten, schon weil die normale ‚Befeldung‘ des Menschen heute weit unter dem halben Grenzwert liegt“, sagt Meyer. Zwar verbringen Menschen heute mehr Zeit am Mobiltelefon. Doch die Menge elektromagnetischer Strahlung, die fürs Telefonieren nötig ist, ist heute deutlich niedriger als Mitte der 90er Jahre. Außerdem hat das Smartphone als Mehrzweckgerät heute nicht unbedingt häufiger Kontakt zum Kopf.

Keine plausible Erklärung für schädliche Wirkung von Handystrahlen

Gegen eine Gefährdung durch nicht ionisierende Strahlen sprechen zahlreiche Studien, in denen Forscher in aller Welt seit Mitte der 90er Jahre einer möglichen Beziehung zwischen Handynutzung und dem Auftreten von Krebs in Kopf und Hals nachgegangen sind. In der 2010 veröffentlichten Interphone-Studie etwa, an der Blettner maßgeblich beteiligt war, wurden über 7500 gesunde Menschen mit 5000 Patienten verglichen, die an zwei Formen von Hirntumoren erkrankt waren. Telefonieren mit dem Handy erwies sich dabei nicht als Risikofaktor. Im Gegenteil: Eine Gruppe von Teilnehmern hatte sogar ein etwas verringertes Risiko, was ein deutlicher Hinweis auf eine grundsätzliche Schwäche epidemiologischer Studien ist. Sie können allenfalls Zusammenhänge finden, aber nicht deren Ursächlichkeit beweisen. In Befragungen Erkrankter kann zum Beispiel nie ausgeschlossen werden, dass die Diagnose die Erinnerungen beeinflusst. So war es wohl in einer 2007 veröffentlichten skandinavischen Fall-Kontroll-Studie: Personen, die zum Befragungszeitpunkt schon erkrankt waren, waren rückblickend etwas häufiger der Meinung, sie hätten ihr Telefon früher meist an die Kopfseite gehalten, an der nun der Tumor wuchs. Bei der statistischen Auswertung konnte jedoch keinerlei Zusammenhang zwischen der Intensität und Dauer der Handynutzung und der Entwicklung von Hirntumoren festgestellt werden.

Dazu kommt, dass es bisher keine plausiblen Erklärungen dafür gibt, warum Handystrahlung gefährlich sein könnte. Da die Energie nicht ionisierender Strahlen zu niedrig ist, um chemische Bindungen aufzubrechen, können sie keine Schäden an der Erbsubstanz DNS verursachen. Erwärmungseffekte – ein anderer möglicher Erklärungsmechanismus – gelten angesichts der niedrigen Dosis als extrem unwahrscheinlich.

Maria Blettner hat deshalb zu weiteren epidemiologischen Handy-Studien eine klare Meinung: „Wir machen keine mehr, bis wir etwas über einen Wirkungszusammenhang wissen.“

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