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Blick in die Zukunft. Deutschlands Konkurrenz schläft nicht. Darauf muss reagiert werden, meint Martin Stratmann, Präsident der Max-Planck-Gesellschaft. Das Foto zeigt ein Labor des Wissenschaftszentrums für nachwachsende Rohstoffe in Straubing (Bayern).

© Armin Weigel/dpa

Innovative Forschung: Der Staat muss auch riskante Projekte fördern

Will Deutschland im globalen Wettbewerb bestehen, muss es Freiräume für Unternehmen und Wissenschaft schaffen. Ein Gastbeitrag von Martin Stratmann, dem Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft

Zum ersten Mal haben sich Wissenschaft und Wirtschaft im Vorfeld einer Regierungsbildung in Deutschland mit einem gemeinsamen Positionspapier an die Politik gewandt. Sie eint dabei die Erkenntnis, dass die globalen Entwicklungen zukünftig eine kluge Industrie- und Forschungspolitik erfordern. Die nächste Koalition hat es in der Hand. Nur wenn es gelingt, unser Wissenschafts- und Innovationssystem zukunftsfest zu machen, bleibt auch das Fundament unseres Wohlstands tragfähig. Die Voraussetzungen sind günstig: finanzielle Stabilität des Staates, ein gut aufgestelltes Wissenschaftssystem und eine hohe Attraktivität Deutschlands für kluge Köpfe. Doch wir müssen aufpassen: Derzeit ernten wir die Früchte der Anstrengungen vergangener Jahrzehnte. Und die Konkurrenz schläft nicht. Für dieselbe Industrieentwicklung, für die Deutschland noch über 80 Jahre hatte, benötigten Südkorea und Taiwan nur noch circa 35 Jahre. Und China wird nach Einschätzung von Experten diese Aufholgeschwindigkeit noch übertreffen.

Teams zusammenführen, die sich zuvor nicht einmal kannten

Deshalb fordert das gemeinsame Positionspapier von 22 Organisationen aus Wissenschaft und Industrie, die Ausgaben für Forschung und Entwicklung bis 2025 auf einen Anteil von 3,5 Prozent am Bruttoinlandsprodukt zu steigern, die Wissenschaftspakte fortzusetzen und insbesondere technologieoffene Förderprogramme für den Mittelstand zu stärken, der seit jeher das Rückgrat der deutschen Wirtschaft ist.

Darüber hinaus müssen wir um im globalen Wettbewerb zu bestehen, disruptive, auf das ganz Neue setzende Innovationen stärker in den Blick nehmen. Dies wird ohne ein entsprechendes Engagement des Staates nicht gelingen. Herkömmliche Projektförderung muss durch aktives Suchen nach solchen Innovationsideen ergänzt werden, am besten in einer schlanken, autonom agierenden Agentur, in der Projektmanager in großer Eigenverantwortung Mittel für extrem innovative, aber auch entsprechend risikobehaftete Projekte vergeben und dabei Teams zusammenführen, die sich im besten Fall zuvor nicht einmal kannten.

 Wissensflüsse zwischen Forschung und Unternehmen verstärken

Es lohnt ein Blick in die USA: Dort werden solche Innovationsprojekte über die Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) sehr wirkungsvoll umgesetzt. So hat DARPA maßgeblich das Internet entwickelt und die Kommerzialisierung des Positionsbestimmungssystems GPS ermöglicht. Voraussetzung für den Erfolg: Autonomie, Verzicht auf politische Steuerung, Rekrutierung herausragender Projektmanager, und: eine Kultur, die Scheitern gestattet und damit die Voraussetzung schafft für den eigentlichen Erfolg. Auch wir sollten mehr die Chancen im Risiko sehen!

Wir müssen zudem nach Wegen suchen, um durch räumliche Verdichtung die Wissensflüsse zwischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen zu verstärken und gleichzeitig Freiräume für Unternehmen und Wissenschaft zu schaffen, um neue Technologien und Geschäftsmodelle praxisnah zu erproben. Es geht darum, Orte zu schaffen, an denen hoch risikoreiche Projekte und Geschäftsmodelle gewagt werden, ohne dass ein Scheitern als Bedrohung wahrgenommen wird. Das von der Max-Planck-Gesellschaft initiierte Cyber Valley in Baden-Württemberg soll hier neue Wege aufzeigen. Es soll zu einem kreativen Hotspot für wissenschaftliche Fortschritte und ökonomisch erfolgreiche Innovationen auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz werden – und lockt schon jetzt große wie kleine Unternehmen an. Und natürlich geht es dabei auch um Köpfe: Wesentliches Element des Projekts ist die Rekrutierung und Ausbildung talentierter nationaler wie internationaler Doktoranden.

Max-Planck-Schools sollen herausragende Forscher zusammenführen

Denn am Ende hängen Innovation und wissenschaftlich-technische Wettbewerbsfähigkeit nicht nur an den verfügbaren Finanzmitteln, sondern auch an der Verfügbarkeit von leistungswilligen und qualifizierten Menschen. Unsere Bildungs- und Forschungsinstitutionen sind das Eingangstor für hoch befähigte junge Menschen. Um die Sichtbarkeit für Talente im In- und Ausland zu erhöhen, hat sich die Max-Planck-Gesellschaft mit Universitäten und den anderen außeruniversitären Forschungsinstitutionen zusammengeschlossen und „Max-Planck-Schools“ auf den Weg gebracht. Diese sollen herausragende Forscher aus verschiedenen Regionen und Wissenschaftseinrichtungen zusammenführen und so die verteilte Exzellenz in Deutschland auf zukunftsgewandten Forschungsfeldern bündeln. Die Max Planck Schools sollen neue Maßstäbe für innovative Lehr- und Forschungsnetzwerke setzen. Ein Land kann sich nur dann an die Spitze setzen, wenn es Köpfe aus aller Welt anlockt. Deutschland hat dazu gegenwärtig Chancen wie nie zu zuvor – es zeigt sich weltoffen, stabil, zukunftsorientiert. Das müssen wir nutzen.

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