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Männer und Frauen sitzen an einem Tisch und schreiben in ihre Hefte.

© C. Jaspersen/dpa

Hochschulzugang für Flüchtlinge: Sie wollen studieren - und zwar richtig

Experten rechnen mit zehntausenden Flüchtlingen, die sich auf Studienplätze bewerben. Nach einer Umfrage der Ebert-Stiftung sind die Länder unzureichend vorbereitet.

Angela Merkels „Wir schaffen das“ muss auch für die Hochschulen gelten. Das fordert Jürgen Zöllner (SPD), Berlins früherer Wissenschafts-Senator. Ein Viertel der in Deutschland ankommenden Flüchtlinge seien zwischen 18 und 25 Jahren alt, also in einem „potenziell studierfähigen Alter“. Nehme man für das laufende Jahr die Zahl von einer Millionen Flüchtlingen an, seien das 250 000 Menschen. Wenn nur 20 Prozent von ihnen an eine Hochschule wollten, müsse man in nächster Zeit mit etwa 50 000 Studierwilligen rechnen. Das würde der Studierendenzahl zweier großer Unis entsprechen.

Gelinge die akademische Integration, wäre das eine enorme Bereicherung für Deutschland, sagte Zöllner am Dienstag in Berlin bei der Vorstellung einer Umfrage der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) zum Hochschulzugang für Flüchtlinge. Zöllner ist Vorstandsmitglied der FES. Die Stiftung befragte im August die Wissenschaftsministerien der Länder nach Bedingungen, unter denen Geflüchtete dort einen Studienplatz bekommen können. Immerhin zwölf von 16 Ländern haben geantwortet.

Rechtliche Grundlagen für unbürokratischen Zugang ungeklärt

Prinzipiell steht der Hochschulzugang den Geflüchteten in allen Bundesländern offen. Fast überall werden zumindest Gasthörerprogramme angeboten, um ihnen erste Einblicke ins Unileben zu ermöglichen. Doch die allermeisten Flüchtlinge, die in der Heimat schon ein Studium aufgenommen hatten oder einen ersten Abschluss mitbringen, wünschen sich einen regulären Studienplatz. Wie sie dabei unterstützt werden, ist aber von Land zu Land unterschiedlich, und die rechtlichen Grundlagen dafür sind weitgehend ungeklärt. So wird Zöllner zufolge die Frage diskutiert, wie Hochschulen mit fehlenden Zeugnissen umgehen sollen, die ein Studienbewerber bei seiner Flucht nicht habe mitnehmen können. Die Bereitschaft der Ministerien, für Flüchtlinge besondere Regelungen zu finden, sei aber hoch.

Das ist indes schon länger zu hören, zumal von Berlins Wissenschaftsstaatssekretär Steffen Krach, der das langsame Tempo bei der Klärung dieser Fragen verteidigte. Die Länder könnten vieles leisten. Bewerbungskosten – zum Beispiel bei der Prüfstelle Uni-Assist – sowie die Finanzierung von hochschulqualifizierenden Sprachkursen und Studienkollegs könnten sie durchaus übernehmen, sagte Krach am Dienstag. So werden in Niedersachsen kostenlose Intensivsprachkurse angeboten. Und in Berlin gibt es für Flüchtlinge die Möglichkeit, eine Einmalzahlung von 1000 Euro zu erhalten, mit der zum Beispiel Bewerbungs-, Einschreibungs- und Sprachtestgebühren sowie Sozialbeiträge finanziert werden können.

Finanzierungslücken beim Weg an die Uni

Die Frage, wie studierende Asylbewerber ihren Lebensunterhalt sichern sollen, könne allerdings nur auf Bundesebene geklärt werden, sagte Krach. Zwar sei die Reduzierung der Bafög-Wartezeit auf 15 Monate schon ein Fortschritt. Prinzipiell müsse es aber eine bundesweite Regelung geben, die Finanzierungslücken schließt. Wenn der Studierende ab dem Immatrikulationszeitpunkt keinen Anspruch mehr auf eine Finanzierung nach dem Asylbewerberleistungsgesetz hat, aber aufgrund der noch immer bestehenden Wartezeit kein Bafög bekommt, sei er gezwungenermaßen mittellos. Hier müsse man zügig zu einer Lösung kommen.

Grüne fordern Finanzierung der zusätzlichen Studienplätze

Für Berlin rechnet Jürgen Zöllner im kommenden Jahr mit 2500 bis 5000 zusätzlichen Studienbewerbern. In anderen Ländern zeichnet sich ein ähnlicher Andrang ab. Zur Finanzierung dieser Studienplätze kommt ein Vorschlag von Kai Gehring, dem hochschulpolitischen Sprecher der Grünen im Bundestag. Über Hochschulzugänge, Anerkennung und Sprachförderung hinaus müsse es dringend um mehr Infrastruktur und mehr Personal an Universitäten und Fachhochschulen gehen, sagte Gehring dem Tagesspiegel. „Zusätzlich zehntausende internationale Studierende an Hochschulen erfordern, den Hochschulpakt nachzujustieren, mehr bezahlbaren Wohnraum in Hochschulstädten zu schaffen, mehr feste Personalstellen und Beratungsinfrastruktur auf dem Campus einzurichten.“ Die Hochschulen agierten vielerorts pragmatisch, die Länder machten sich auf den Weg, aber der Bund bleibe auf Tauchstation. Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) müsse ein „neues Paket zum Ausbau der Hochschulen schnüren, damit kein Talent verloren geht“.

Angela Borgwardt, Marei John-Ohnesorg, Jürgen Zöllner: Hochschulzugang für Flüchtlinge – Aktuelle Regelungen in den Bundesländern. Friedrich-Ebert-Stiftung, Berlin, 2015.

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