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Eine Frau beugt sich über eine Gruppe von Kindern, die im Erdreich nach etwas suchen.

© Peter Grunwald/DAI

Hochschulen und Wissenstransfer: Third Mission impossible?

Kinder-Uni, Weiterbildung: Wie Hochschulen nach außen wirken, wird auch für ihre Finanzierung wichtiger. Doch viele Unis und Fachhochschulen tun sich schwer.

An deutschen Universitäten und Fachhochschulen geht ein Gespenst um: die „Third Mission“. Lange haben sich Hochschulen auf Forschung (First Mission) und Lehre (Second Mission) konzentriert, und danach richtet sich auch die Finanzierung durch die Länder und durch Drittmittelgeber. Doch wie kann honoriert werden, was Hochschulen darüber hinaus beim Wissenstransfer zu bieten haben – durch Kinder-Unis, Weiterbildung oder Gründerförderung?

Das BMBF sieht eine "Erfassungs- und Bewertungslücke"

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sieht angesichts veränderter gesellschaftlicher Ansprüche an die Hochschulen eine „Erfassungs- und Bewertungslücke“. Es hat deshalb Hochschulforscher beauftragt, den Status quo der Third Mission zu ermitteln und Vorschläge für eine „systematische Leistungsdokumentation und -bewertung“ zu machen.

Auf das, was damit auf die Hochschulen zukommt, sind die Disziplinen unterschiedlich gut vorbereitet. Die Lebenswissenschaften tun sich leichter als die Kulturwissenschaften, ihre Forschungsergebnisse in gesellschaftlichen Nutzen zu übersetzen. In der Bevölkerung ist das Interesse an Wissenschaft zwar groß, wie jetzt eine Umfrage gezeigt hat. Doch die Themen, über die man sich vorrangig informiert – Gesundheit und Ernährung sowie Klima und Energie –, stammen aus den Natur- und Technikwissenschaften. Mit der Inneren Sicherheit als drittstärkstem Thema sind auch die Sozialwissenschaften gefragt. Die Geisteswissenschaften jedoch interessieren demnach unter ferner liefen.

FU-Präsident Alt: Geisteswissenschaften droht Abkoppelung

Die Freie Universität Berlin, die in beiden Fächergruppen traditionell besonders stark ist, sieht sich nicht nur dadurch herausgefordert. Zunehmend würden in der EU-Forschungsförderung technologie- und anwendungsnahe Felder bevorzugt; man müsse verhindern, „dass die Geisteswissenschaften abgekoppelt werden“, sagte FU-Präsident Peter-André Alt jetzt bei einer Veranstaltung zum Wissenstransfer in den Geistes- und Sozialwissenschaften. Akut werde der Druck auf beide Fächergruppen auch in der Exzellenzstrategie, gefordert seien „Maßnahmen im Bereich des Ideen- und Wissenstransfers“.

Geplant war die öffentliche FU-Veranstaltung wohl als Leistungsschau, sollten sich doch mehrere vorbildliche „Transferprojekte“ vorstellen. Bei „Bildung durch Bilder“ etwa vermitteln Kunsthistoriker aus einer Kolleg-Forschergruppe Berliner Schülern, wie sie Bilder als eigenständige historische Quelle lesen können. Der Sonderforschungsbereich „Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit“ berät das Auswärtige Amt zur Afghanistan-Intervention. Und bei „Topoi im Museum“ führen Archäologen aus einem Exzellenzcluster durch Ausstellungen.

"Weniger wäre mehr", findet DAI-Chefin Fless

Doch was die Protagonisten dazu zu sagen hatten, klang eher nach Abwehr allzu großer Erwartungen. Friederike Fless, Präsidentin des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI) und maßgeblich am Topoi-Cluster von FU und Humboldt-Uni beteiligt, registriert den geforderten Wissenstransfer als „Hintergrundrauschen“. „Weniger wäre mehr“, findet Fless und will „öfter fragen, für wen ich was kommunizieren will“. Politikwissenschaftler Thomas Risse will gar den ganzen „Transfer“-Begriff aus der Welt schaffen. Es gehe nicht darum, Bürgern oder Politikern etwas zu vermitteln, sondern um einen Austausch mit ihnen. Die Diplomaten im Auswärtigen Amt wüssten ja schon vieles. Auch Kunsthistoriker Klaus Krüger beklagte, dass Museen im DFG-Jargon als „Anwendungspartner“ bezeichnet werden, wo es sich doch ebenfalls um Wissenschaftler handele.

"Intellektuelle Hebammen, die die Gesellschaft bespielen"

Was den Austausch auch mit den Schulen aber tatsächlich erschwere, seien die nur kurzfristig gewährten Projektstellen. Da war man sich an der FU rasch einig: Es brauche eine neue Berufsgruppe, die Forschende von den Transferaufgaben entlastet. Friederike Fless nennt sie „intellektuelle Hebammen, die die Gesellschaft bespielen“. Dagmar Simon vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung konnte dagegen berichten, dass Forschende es als „befruchtend“ empfinden, wenn sie die Frage, wie sie der Öffentlichkeit ihre Ergebnisse vermitteln sollen, von vornherein einbeziehen.

Die Konsequenzen neuer Bewertungskriterien bei der Forschungsförderung werden in Großbritannien bereits spürbar. Dort gelten bei der Mittelvergabe seit 2014 Impact-Kriterien, die messen sollen, was Forschungsergebnisse gesellschaftlich bewirken. Geistes- und sozialwissenschaftliche Institute haben dadurch empfindliche Einbußen. In Japan werden derzeit Fächer wie die Germanistik abgeschafft, weil sie das Land nach Auffassung der Regierung nicht im globalen ökonomischen Konkurrenzkampf voranbringen.

Zwei Studien kritisieren mangelnden Wissenstransfer

Reicht es da noch, zu fragen, wie der der Beitrag der Geistes- und Sozialwissenschaften zum Wissenstransfer „sichtbarer“ gemacht werden kann und über Begriffe zu diskutieren? Im BMBF geht es beim Thema „Die Third Mission in der Leistungsbewertung“ allmählich zur Sache. Das mit einer einschlägigen Studie beauftragte Institut für Hochschulforschung an der Uni Halle-Wittenberg hat bereits die „unsystematische Außenkommunikation“ der Hochschulen zu ihren Aktivitäten kritisiert und gleichzeitig vor „bürokratischen Prozeduren“ bei der geplanten Berichterstattung gegenüber staatlichen Geldgebern gewarnt.

Das Centrum für Hochschulentwicklung hat untersucht, inwieweit die Third Mission an den Fachhochschulen angekommen ist: nur bei sehr wenigen. Angesichts des „Konkurrenzkampfs um Drittmittel“ sei aber eine klare Profilbildung nötig. Für Ende September lädt das BMBF nun beide Institute und Hochschulvertreter nach Berlin ein, um über Konsequenzen aus der „Vermessung der Third Mission“ zu diskutieren.

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