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Schulgeld zahlen. Der Staat muss Privatschulen auskömmlich finanzieren, heißt es in dem Gutachten.

© imago/argum

Gutachten der Naumann-Stiftung: Freiheit bei Gebühren an Privatschulen

Die Naumann-Stiftung hat ein neues Gutachten zu Privatschulen vorgestellt. Demnach sind dort auch hohe Schulgelder erlaubt: Der Staat dürfe kein konkretes Schulgeldmodell vorschreiben.

Suchen sich Privatschulen ihre Schülerinnen und Schüler etwa nach den Besitzverhältnissen der Eltern aus? Nachdem zwei Wissenschaftler unlängst mehreren Berliner Privatschulen „eklatante“ Verstöße gegen die Vorgaben des Berliner Senats vorgeworfen hatten, trat am Montag die Friedrich-Naumann-Stiftung mit einem juristischen Gegengutachten vor die Presse. Der Tenor der beiden Wissenschaftler, demzufolge Privatschulen „exklusive Orte für Besserverdienende“ seien, dürfe so nicht stehenbleiben, sagte Frauke Brosius-Gersdorf, Professorin für Öffentliches Recht in Hannover.

Auch die von Michael Wrase und Marcel Helbig vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) vorgebrachte Kritik an der sozialen Zusammensetzung an Privatschulen verfehle das Thema. „Das missverstandene Sonderungsverbot“ lautet entsprechend der Titel von Brosius-Gersdorfs Rechtsgutachten. Der damit kritisierte Michael Wrase ist selbst Professor für Öffentliches Recht, sein Kollege Helbig hat am WZB eine Sonderprofessur für „Bildung und soziale Ungleichheit“ inne.

Private Schulen dürfen nur genehmigt werden, wenn dort die „Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern nicht gefördert wird“, heißt es im Artikel 7 der Verfassung. Die Schlüsse, die Wrase und Helbig daraus abgeleitet hätten, beruhten aber „auf einer fundamentalen Fehlinterpretation“ des Sonderungsverbots, erklärte Brosius-Gersdorf. So hielten Wrase und Helbig nur eine maximale durchschnittliche Schulgeldhöhe von 160 Euro für erlaubt und hätten Schulen für Verstöße dagegen kritisiert.

Viele Modelle für die Staffelung des Schulgeldes

Doch enthalte das Sonderungsverbot überhaupt keine Vorgaben für die Höhe des durchschnittlichen Schulgelds von Privatschulen. Dies sei schon deshalb nicht der Fall, weil die Höhe des Schulgelds so bemessen werden müsse, „dass alle es sich leisten können“ – was bei einem durchschnittlichen Schulgeld nicht immer der Fall sei. Die Privatschulen müssten also dafür sorgen, dass Eltern auf Antrag von der Schulgeldzahlung befreit werden können oder eine Staffelung bei den Gebühren festlegen. Noch viele andere Modelle kämen infrage: In welcher Weise eine Privatschule eine Sonderung nach Besitzverhältnissen verhindert, sei ihr überlassen, betonte Brosius-Gersdorf. In jedem Falle könnten Privatschulen von vermögenden Eltern auch sehr hohe Schulgelder verlangen. Zur Offenlegung ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse dürften Eltern aber nur verpflichtet werden, wenn sie Schulgeldermäßigung beantragen.

Der aktuelle Gesetzentwurf in Baden-Württemberg ist nach Ansicht von Brosius-Gersdorf nicht rechtmäßig, weil den Schulen damit ein Gebührenmodell vorgeschrieben werde. Baden-Württemberg will den Privatschulen vorschreiben, das Schulgeld auf Wunsch der Eltern nach dem Haushaltsnettoeinkommen zu berechnen, wobei höchstens fünf Prozent vom Haushaltsnettoeinkommen gefordert werden dürfen. Außerdem wird in einer Vollzugsverordnung festgelegt, dass Schulen mit Schulgeld über durchschnittliche 160 Euro „im Einzelfall“ nachweisen müssen, dass ihr Gebührenmodell eine Sonderung der Schüler ausschließt. Mit dem Gesetzentwurf reagiert das Ministerium auf ein Urteil des Verfassungsgerichtshofs des Landes, wonach wirksam kontrolliert werden muss, ob das Sonderungsverbot eingehalten wird.

Privatschulen dürfen nach Eignung und Leistung auswählen

Helbig und Wrase säßen auch einem Irrtum auf, wenn sie davon ausgehen, dass das Sonderungsverbot eine sozial gemischte Zusammensetzung an den Privatschulen verlange, sagte Brosius-Gersdorf. Zwar dürften die Privatschulen die Schüler nicht nach den Besitzverhältnissen ihrer Eltern auswählen, wohl aber nach Eignung und Leistung. Dies könne dazu führen, dass die soziale Zusammensetzung an Privatschulen die der öffentlichen Schulen nicht widerspiegele. Schuld hieran sei allerdings das staatliche Bildungswesen, dem es nicht ausreichend gelinge, soziale Durchlässigkeit herbeizuführen – nämlich indem es Kinder aller Schichten befähigt, die Leistungsanforderungen bestimmter Schulen zu erfüllen.

Brosius-Gersdorf betonte auch, dass die Privatschulen überhaupt nur dann in der Lage sind, das Sonderungverbot einzuhalten, wenn die Länder sie auskömmlich finanzieren. In den neuen Ländern würden aber überhaupt nur 55 bis 57 Prozent der Kosten vom Staat gedeckt.  Berlin kommt für 93 Prozent der Personalkosten auf – nicht aber für die Betriebskosten, so dass faktisch nur etwa zwei Drittel der Ausgaben abgedeckt sind und der Rest durch Schulgeld beglichen werden muss. Auch diese Mittel gibt es erst, nachdem die Schulen fünf Jahre ohne staatliche Hilfe bestanden haben.

Die Hauptforderung Wrases und Helbigs besteht darin, dass der Staat klare Regelungen für das Schulgeld schaffen muss, die er auch kontrolliert. Dafür habe sie prinzipiell Sympathie, sagte Brosius-Gersdorf. Allerdings wären die Effekte gering – eben weil der Staat kein konkretes Schulgeldmodell vorschreiben dürfe.

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