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Der Arzt Eckart von Hirschhausen, der den Hauptstadtkongress in Berlin eröffnete, hat auf Komiker und Showmaster umgesattelt.

© WISO

Gesundheitssystem: Kranke Krankenhäuser

Diskussion beim Hauptstadtkongress: Viele Kliniken in Deutschland stehen unter Druck.

Kann man von diesem Beruf denn leben? Das war die ungläubige Frage, als der junge Mediziner zum Komiker umsattelte. „Heute stelle ich diese Frage den Ärzten“, sagte Eckart von Hirschhausen heute beim Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit. Ein Scherz natürlich, aber nicht schlecht platziert. Schließlich ging es im Anschluss um die Frage, was sich in den nunmehr 20 Jahren verändert hat, in denen das Treffen der Gesundheitsbranche jährlich in Berlin stattfindet.

Schlechte Noten für die Arbeitsbedingungen von Ärzten und Pflegern

Kurz zuvor waren Ergebnisse einer Umfrage des Hartmannbundes unter Assistenzärzten bekannt geworden, die zeigen, dass für von Hirschhausens ehemalige Kollegen nicht so sehr das Geld, sondern vielmehr die Zufriedenheit mit dem einstigen Traumberuf das Problem darstellt: Nur ein knappes Drittel der jungen Krankenhausärzte bewertet sie mit der Schulnote Drei, 20 Prozent von ihnen vergeben sogar nur eine Vier. Hauptgründe für die schlechten Noten sind hohe Arbeitsbelastung, unter der das Privatleben leidet, zu viele Überstunden, zu wenige Pausen, nicht zuletzt aber der Eindruck, dass die ärztliche Entscheidungsfreiheit durch den ökonomischen Druck und die Abrechnung in Fallpauschalen gelitten hat.

In der Pflege sieht es nicht besser aus. Wenn heute über 40 Prozent der Pflegekräfte in Teilzeit arbeiteten und viele von ihnen das nur einige Jahre durchhielten, dann liege das auch am Druck, dem sie täglich ausgesetzt sind, sagte Hedwig François-Kettner. Die Wissenschaftliche Leiterin des Deutschen Pflegekongresses empfindet diese Situation als fatal. Auf die Frage, woher Zigtausende von schon heute fehlenden Pflegekräften kommen sollen, antwortete sie allerdings auch mit der Gegenfrage: „Haben wir zu viele Einrichtungen in Deutschland?“

Zu viele Krankenhäuser in Deutschland

In einem Diskussionspapier der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina aus dem letzten Jahr, an dem auch die Charité-Mediziner Norbert Suttorp und Detlev Ganten mitwirkten, wird diese Frage mit einem klaren Ja beantwortet. Mit mehr als 500 000 Krankenhausbetten sei Deutschland im Vergleich zu anderen OECD-Ländern deutlich überversorgt, viele der kleineren Häuser verfügten zudem nicht über die nötige Minimal-Ausstattung und sollten lieber geschlossen werden. Im Gespräch zur Kongresseröffnung hielt sich Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe bei diesem Thema bedeckt. Man könne das Problem „nicht auf dem Reißbrett lösen“.

Zu viele Kliniken? Für Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) ist das kein Thema – jedenfalls nicht im Moment.
Zu viele Kliniken? Für Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) ist das kein Thema – jedenfalls nicht im Moment.

© dpa

Deutlicher positionierte er sich in einer anderen Frage: „Wir brauchen einen moderaten Anstieg der Medizinstudienplätze im Land.“ Die Pläne für medizinische Fakultäten in Augsburg und Bielefeld begrüßte er. Mit dem kürzlich beschlossenen Masterplan 2020 für das Medizinstudium habe man sich auf wichtige Inhalte des Studiums verständigt. Bessere Kompetenzen in der Gesprächsführung gehören für ihn unbedingt dazu. Denn laut einer Studie der Uni Bielefeld, für die 2000 Bürger im Auftrag der AOK befragt wurden hätten „54 Prozent der Menschen in Deutschland Schwierigkeiten, die sie betreffenden Gesundheitsinformationen zu verstehen.“

Der Patient als anspruchsvoller Konsument

Andererseits sind Bürger in der Patientenrolle inzwischen auch anspruchsvolle Konsumenten geworden. „Früher wurden sie eingewiesen und zugewiesen, heute spielen sie eine aktive Rolle“, betonte der Hamburger Gesundheitsunternehmer Heinz Lohmann, der auf der Tagung den Managementkongress „Krankenhaus Klinik Rehabilitation“ leitet. Dass die Patienten heute große Anforderungen an Krankenhäuser stellen, sei auch eine Chance. Diese Ansprüche begrüßte auch Axel Ekkernkamp, Ärztlicher Direktor des Unfallkrankenhauses Berlin und wissenschaftlicher Leiter des Deutschen Ärzteforums. Aus dem Personalmangel, der Ärzte und Pflegekräfte zu begehrten Arbeitnehmern macht, kann seiner Ansicht nach die Schubkraft für Reformen kommen: „Lassen Sie uns die Chancen nutzen, die in Mangel und äußerem Druck liegen.“

Welche Reformen das sein müssen, blieb unklar. François-Kettner kritisierte die Fehlanreize, die Fallpauschalen setzen. „Es muss auch wirtschaftlich besser sein, wenn ich im Krankenhaus keinen Infekt bekomme und nicht deshalb behandelt werden muss.“ Ökonom Lohmann wies darauf hin, dass es vor 30 Jahren andere Fehlanreize gegeben habe, etwa für lange Liegezeiten. Ähnlich wie vor zwei Jahren der Deutsche Ethikrat sprach er sich aber dafür aus, dass sich Krankenhaus-Ökonomen vermehrt medizinische Grundkenntnisse aneignen. Mediziner belegen umgekehrt viel häufiger betriebswirtschaftliche Kurse – notgedrungen.

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