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Gift im Gras. Auf einer Wiese mit Gänseblümchen liegt eine grüne Sprühflasche mit dem Unkrautmittel "Roundup". Es enthält Glyphosat.

© Imago

Gesundheitsrisiko Pestizide: Glyphosat: Wie groß ist die Gefahr?

Glyphosat in der Muttermilch? Eine höchst zweifelhafte Annahme. Bei der Bewertung von Pestiziden sollte Sachlichkeit der Maßstab sein. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Hartmut Wewetzer

Am 25. Juni verbreitete eine Mitteilung der Grünen unter schwangeren und stillenden Frauen Furcht und Schrecken. Man habe Glyphosat, ein „wahrscheinlich krebserregendes Pflanzengift“, in der Muttermilch von 16 Frauen gefunden. Skandal! „Die Bundesregierung muss Glyphosat aus dem Verkehr ziehen“, zitierte die Veröffentlichung die Grüne Bärbel Höhn, Vorsitzende des Umweltausschusses des Deutschen Bundestags. Das klang folgerichtig. Viele Frauen werden nach diesen Neuigkeiten aufgehört haben, ihr Baby zu stillen.

Aber die Grünen verschwiegen nicht nur, dass die gefundenen Glyphosat-Mengen weit unterhalb der Schadensschwelle lagen. Schlimmer noch, das verwendete Testverfahren war gar nicht für Muttermilch geeignet, die Ergebnisse daher unbrauchbar. Im Klartext: Die „Studie“ war Murks. Und das auch deshalb, weil sich das Herbizid Glyphosat nicht im Körper und erst recht nicht in Muttermilch anreichert. Erste seriöse Tests im Auftrag des Bundesinstituts für Risikobewertung verliefen daher auch negativ. Kein Glyphosat in der Muttermilch!

Angst als Mittel im Kampf gegen Pestizide

„Als Bundestagsfraktion haben wir lange überlegt, ob wir Muttermilch auf Glyphosat testen und in Kauf nehmen sollen, damit stillende Mütter möglicherweise zu verunsichern“, rechtfertigt die Partei sich in ihrer Mitteilung. Statt „lange zu überlegen“, hätte man lieber zum Handy greifen und die Expertise eines erfahrenen Toxikologen einholen sollen. Der hätte vermutlich dringend davon abgeraten, solche hanebüchenen Testergebnisse an die große Glocke zu hängen und ungerechtfertigt Panik unter Müttern zu verbreiten. Oder war am Ende die Angstmacherei der Sinn der Sache? Heiligt im Kampf gegen Pestizide der Zweck die Mittel? Militärstrategen kennen dieses Vorgehen als „Hit and Run“-Taktik: Schlage überraschend zu und mache dich ebenso schnell wieder aus dem Staub. Die Schlagzeile vom Krebsgift in der Muttermilch prägt sich ein – das Dementi interessiert niemanden mehr.

Bleibt noch der zweite Teil der Geschichte, und der ist etwas komplizierter. Wie „wahrscheinlich“ ist, dass Glyphosat Krebs auslöst? Die Einschätzung stammt von der Internationalen Agentur für Krebsforschung IARC der Weltgesundheitsorganisation. Sie wurde im März veröffentlicht und hat entsprechenden Wirbel verursacht, zumal turnusgemäß eine Neuzulassung des Herbizids in der EU beantragt ist.

Glyphosat ist nicht irgendein Pflanzenschutzmittel. Es ist das weltweit mit mehr als 700 000 Tonnen (Jahresproduktion 2012) am häufigsten genutzte Herbizid. Die Substanz wirkt auf ein nur bei Pflanzen vorkommendes Enzym (Eiweiß), reichert sich nicht im Körper an und ist wenig giftig, jedenfalls verglichen mit anderen Pestiziden. Aber das Mittel ist auch eine symbolische Substanz. Ursprünglich von dem umstrittenen Chemie- und Saatguthersteller Monsanto entwickelt, wird es häufig mit gentechnisch veränderten Glyphosat-resistenten Pflanzen kombiniert. Pestizid, Monsanto, Gentechnik – das sind gleich drei Bösewichte auf einmal. Kein Wunder, dass Glyphosat die Grünen auf die Palme bringt.

Alkohol und Sonnenlicht - gefährlicher als Pestizide?

In der Glyphosat-Bewertung steht die Meinung der WHOKrebsagentur („vermutlich krebserregend“) im Gegensatz zu der der anderen wissenschaftlichen Gremien, die sich bislang mit dem Pflanzengift befasst haben und die keine Gefahr sehen. Das mag damit zu tun haben, dass die WHO- Experten eine Substanz grundsätzlich einschätzen. Dabei geht es nicht darum, wie wahrscheinlich ein Krebsrisiko in der Realität tatsächlich ist. So hat die WHO- Krebsagentur Alkohol und Sonnenlicht als „krebserregend für den Menschen“ bezeichnet und damit oberhalb von Glyphosat in die höchste Risikokategorie 1 eingestuft. Trotzdem bekommt nicht jeder Krebs, der mal ein Bier trinkt oder ein Sonnenbad nimmt. Und selbst die Grünen wollen weder Alkohol noch Sonnenschein „aus dem Verkehr ziehen“, obwohl die Logik es nahelegen würde.

Kein Krebsrisiko bei bestimmungsgemäßem Gebrauch, lautet dagegen das Urteil des Bundesinstituts für Risikobewertung in Berlin. Es ist mit der Neubewertung von Glyphosat in der EU beauftragt. Das bedeutet: Ein Risiko mag theoretisch denkbar sein (so sieht es die WHO-Agentur), aber in der Praxis besteht es nicht. Jetzt muss sich nur noch die Vernunft durchsetzen.

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