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Pulverfass. Talkum-Puder wird verdächtigt, Eierstockkrebs auszulösen.

© Dan Peled / picture alliance / dpa

Gesundheit: Krebsverdacht für Talkum im Babypuder

Mehr als 350 Millionen Euro Schadenersatz bekommt eine 63-Jährige. Talkum-haltiges Babypuder habe bei ihr Eierstockkrebs verursacht.

Der US-amerikanische Pharma- und Drogerieartikelhersteller Johnson & Johnson ist von einem Gericht in Los Angeles zu einer Zahlung von 417 Millionen Dollar (etwa 350 Millionen Euro) an eine krebskranke 63-Jährige verurteilt worden. Die Frau hatte den Konzern verklagt, weil sie das Talkum-haltige Baby-Puder der Firma, das sie jahrzehntelang im Intimbereich verwendet habe, für den Auslöser ihres Eierstockkrebses hält - nicht zuletzt aufgrund der Einstufung von Talkum als „möglicherweise krebserregend“ durch die International Agency for Research on Cancer (IARC) 2006. Auch Gerichte in Missouri hatten kürzlich hohe Schadenersatzforderungen bestätigt, Klagen in Tennessee und New Jersey wurden hingegen abgewiesen. Für tausende weitere Klagen stehen die Urteile noch aus.

Widersprüchliche Forschungsergebnisse

Der Konzern will gegen das Urteil der kalifornischen Richter Berufung einlegen. Eine krebsauslösende Wirkung von Talkum, pulverisiertem Talkgestein, sei wissenschaftlich nicht nachgewiesen.

Tatsächlich kommt das National Cancer Institute in den USA in einem Bericht aus dem April dieses Jahres zu dem Schluss, dass „die Evidenz einen Zusammenhang zwischen der Verwendung von Talkum im Beckenbodenbereich und einem erhöhten Risiko für Eierstockkrebs nicht stützt.“ Die Ergebnisse von Kohorten- und Fallkontrollstudien seien „widersprüchlich“.

Beispielsweise ergab eine gemeinsame Analyse von insgesamt 16 Studien an zusammen 12 000 Frauen zwar zunächst ein um 33 Prozent erhöhtes Risiko für Eierstockkrebs bei Verwendung von Talkum. Die Forscher des Marshfield Clinic Cancer Center in Wisconsin konnten aber keinen Zusammenhang zwischen der Menge oder Häufigkeit des Puderkonsums und dem Auftreten von Krebs finden. Ausdrücklich weisen sie darauf hin, dass die Beobachtungsdaten nicht ausreichen, um Intimpuder als Auslöser von Eierstockkrebs zu identifizieren und verweisen auf handwerkliche Fehler in den Studien.

Bei 61000 Frauen keine krebsauslösende Wirkung von Talkum erkennbar

Auch die bislang umfassendste Beobachtungsstudie – an über 61 000 Frauen, die über 12 Jahre im Rahmen der Women's Health Initiative nachverfolgt wurden und von denen etwa die Hälfte Talkum nutzten – konnte 2014 keine krebsauslösende Wirkung von Talkum erkennen: Zwar entwickelten 429 der Frauen Eierstockkrebs, doch ein Zusammenhang mit der Verwendung des Puders war nicht festzustellen, auch nicht bei häufigem Gebrauch, schreibt die Studienleiterin und Krebsepidemiologin Susan Sturgeon von der Universität von Massachusetts in Amherst im „Journal of the National Cancer Institute“. Deren Mutter starb selbst an Eierstockkrebs, wie jährlich etwa 14 000 Frauen allein in den USA.

Abgesehen von epidemiologischen Studien ist auch der Mechanismus unklar, wie Talkum Eierstockkrebs überhaupt auslösen könnte. Zwar ist nachgewiesen, dass Talkum-Partikel aus dem Scheidenbereich bis in die Eierstöcke gelangen. Die Fasern finden sich dort in der Schleimhaut und könnten Entzündungen auslösen oder von dem Gewebe in Form von Zysten eingeschlossen werden. Wie und ob sich daraus dann Krebs entwickelt, konnte noch nicht nachgewiesen werden.

Unnötiges Puder

Ob Talkum nun als Baby- oder Intimpuder eingesetzt wird – unnötig ist es allemal. Kinderärzte raten von der Verwendung ab. Auch Wundcremes könnten zarte Babyhaut vor Feuchtigkeit und Entzündungen schützen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung in Berlin warnt seit Jahren vor Babypuder und empfiehlt ein Verbot. Allerdings nicht aufgrund eines eventuellen Krebsrisikos, sondern weil das feine Pulver bei kleinen Kindern zu schweren Lungenschäden führen kann, wenn es versehentlich in größerer Menge eingeatmet wird. Was schnell passieren kann, wenn die ungesicherte Puderdose in einem unbeobachteten Moment zum Spielzeug wird.

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