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Geborgenheit fördert Selbstbewusstsein: Übermäßiges Lob fördert Narzissmus

Das Lob der Eltern soll Kindern helfen, selbstbewusst zu werden. Doch das kann auch unerwünschte Nebenwirkungen haben, haben niederländische Forscher in einer Langzeitstudie entdeckt.

Selbstbewusst sollen sie werden, sich in einer Gruppe nicht unterkriegen lassen. Doch Eltern, die deshalb ihre Kinder behandeln als seien sie „Gottes Geschenk an die Menschheit“, erreichen vor allem eines: Sie ziehen kleine Narzissten heran. Zu diesem Schluss kommt eine Langzeitstudie, die jetzt im Fachjournal „PNAS“ veröffentlicht wurde. Selbstbewusstsein werde durch elterliche Wärme gefördert, Narzissmus dagegen durch allzu viel Lob.

Immer mehr narzisstische Jugendliche

Die Entwicklungspsychologen um Eddie Brummelmann von der Universität Utrecht interessierte, warum es in westlichen Gesellschaften immer mehr Jugendliche mit narzisstischen Eigenschaften gibt. Zwei Erklärungsmodelle kamen infrage: Psychoanalytiker meinen, dass Narzissten von ihren Eltern nicht genug geliebt wurden und sich zum Ausgleich selbst auf ein Podest stellen. Die Gegenthese sieht Narzissmus als Resultat sozialen Lernens. Wer von den Eltern permanent für perfekt gehalten wird – selbst wenn ein unbeteiligter Beobachter keinen Grund dafür findet – glaubt irgendwann selbst, ein besonderer Mensch zu sein, dem Privilegien zustehen.

Um beide Thesen zu prüfen, haben die Forscher 565 Kinder zwischen 7 und 11 Jahren, 290 Väter und 415 Mütter aus der niederländischen Mittelschicht vier Mal im Abstand von sechs Monaten ausführlich befragt – und widerlegten die Psychoanalytiker. Elterliche Wärme (Ich lasse mein Kind wissen, dass ich es liebe) förderte das Selbstbewusstsein der Kinder, weniger Wärme machte die Kinder zwar unsicherer, resultierte aber nicht in Narzissmus. Übermäßiges Lob und die Tendenz, das eigene Kind herauszuheben (Mein Kind ist anderen ein gutes Vorbild) führte nicht zu einem gesunden Selbstbewusstsein, sondern zu Narzissmus (Ich denke gern darüber nach, wie nett ich bin).

Eltern tun ihren Kindern keinen Gefallen

„Diese Eltern tun weder ihren Kindern noch der Gesellschaft einen Gefallen“, sagt Brad Bushman von der Staatlichen Universität von Ohio, der an der Studie beteiligt war. Narzissmus und Selbstbewusstsein seien grundverschieden. Selbstbewusste Menschen seien mit sich zufrieden, sie sehen sich als gleichwertig. Narzissten dagegen finden, dass sie besser als andere sind und entsprechend gewürdigt werden sollten; sie fantasieren über persönliche Erfolge. Bei Rückschlägen reagieren sie aggressiv, außerdem haben sie ein höheres Risiko, später eine Depression oder eine Angststörung zu entwickeln oder drogenabhängig zu werden.

Die Gene und das Temperament des Kindes tragen dazu bei, welche Auswirkungen zu viel elterliches Lob hat, schreiben Brummelmann und seine Kollegen. Sie wollen dieses Zusammenspiel genauer erforschen. Die vorliegende Studie könnte die Basis für ein Elterntraining sein, meint er. Eltern sollten lernen, ihrem Kind Zuneigung und Wertschätzung zu zeigen, ohne es zu überhöhen.

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