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Passanten vor einem historischen Universitätsgebäude.

© Doris Spiekermann-Klaas

Gastbeitrag zum Islam-Institut an der HU: Praktizierte Religionsfreiheit, auch für den Islam in Berlin

Schluss mit der Bevormundung: Das geplante HU-Institut für islamische Theologie braucht Ruhe, um offene Fragen zu klären. Ein Debattenbeitrag des Gründungsdirektors.

Seitdem die Humboldt-Universität Anfang des Jahres die lange geplante Gründung eines Instituts für Islamische Theologie in Angriff genommen hat, können sich die Verantwortlichen vor gut gemeinten Ratschlägen von außen kaum retten. Zuerst lancierte eine Gruppe von Professorinnen und Professoren der evangelisch-theologischen Fakultät den Vorschlag, unter Einbeziehung auch von Juden und Katholiken eine große Fakultät der monotheistischen Religionen zu gründen. Damit fanden sie viel Zustimmung in der Öffentlichkeit und in der Politik. Wer wollte auch die Chance verpassen, den Traum der Aufklärung von einem allgemeinen Religionsfrieden in die Wirklichkeit universitärer Forschung und Lehre überzuführen?

Inzwischen ist freilich Ernüchterung eingekehrt, und die Protagonisten der Idee sind unverkennbar in die Defensive geraten. Neben juristischen Gründen und administrativen Bedenken wurden gerade theologische Gegenargumente vorgebracht: Das Konzept von Theologie selbst sei von christlichen Traditionen bestimmt und weder auf die religiöse Lehre und Praxis von Juden noch von Muslimen übertragbar. Auch hatten die evangelischen Theologen ihr Anliegen dadurch in Misskredit gebracht, dass es ihnen unverhohlen um Eigeninteressen ging, nämlich um die Rettung ihrer eigenen vor einer befürchteten Integration in die Philosophische Fakultät.

Muslime empören sich über bevormundenden Paternalismus

Gravierender noch war die herablassende Behauptung, dass die künftigen muslimischen Kolleginnen und Kollegen erst durch eine Zusammenarbeit mit christlichen Theologen wissenschaftlich gesprächsfähig werden und die erforderlichen Standards von Forschung und Lehre an einer Universität erreichen könnten. Zu Recht empörten sich über diesen bevormundenden Paternalismus Muslime, die an der Gründung des neuen Instituts beteiligt sind, mit dem Hinweis, dass religiöse Lehren des Islam schon mehr als tausend Jahre eine wissenschaftliche Gestalt gefunden haben.

Gerade war die überhitzte Debatte über eine „Fakultät der Theologien“ abgekühlt und eine Aussicht eröffnet, in konzentrierter Sacharbeit die offenen Fragen um das neue Institut zu lösen, da eröffnet der Frankfurter Erziehungswissenschaftler Harry Harun Behr im Tagesspiegel vom 16. Juni eine neue Front. Behr kommt freilich von der anderen Seite des Meinungsspektrums her und rät den Berlinern zu einem kultur- und sozialwissenschaftlichen Profil ihrer künftigen islamischen Theologie. Seine Forderung, diese an der Schnittstelle von Religion, Migration, Bildung, Gender-, Gewalt- und Rassismusforschung anzusiedeln, läuft unausgesprochen auf die Integration des Instituts bei der Philosophischen oder Sozialwissenschaftlichen Fakultät der HU hinaus.

Der rationale Diskurs über die Gotteslehre wird untergraben

Dieser Vorschlag ist gewiss diskutabel, zumindest dann, wenn die Abgrenzung zwischen Islamischer Theologie und Islamwissenschaft beachtet wird. Ärgerlich ist allerdings, dass Behr ohne jegliche Einsicht in laufende Prozesse behauptet, dass über die von ihm favorisierten Schwerpunkte an der HU gar nicht diskutiert würde, ja, dass hier eine „Theologie von vorgestern“ geplant sei.

Im Stil einer Lehrverkündung ex cathedra, die dem Islam eher fremd ist, und in wissenschaftlich unerlaubter Zuspitzung beruft Behr sich auf „das eigentliche Wesen des Korans“ und untergräbt damit den rationalen Diskurs über die Gotteslehre, der doch in der Humboldt-Universität eine neue Heimstatt erst finden soll. Und was mag man davon halten, dass der Pädagoge Behr von künftigen Hörern und Hörerinnen der Islamischen Theologie schon wissen will, sie würden kaum studierfähig sein, während er gleichzeitig den in Deutschland bereits bestehenden Instituten dieser Art ein so bescheidenes Niveau nachsagt, dass deren Absolventen kaum für eine Lehrtätigkeit an der HU in Betracht gezogen werden könnten?

Ganz verfehlt ist Behrs Hinweis darauf, dass die islamische Tradition keine autoritative Überprüfung der theologischen Lehrpraxis fordert, die den Muslimen analog zu den christlichen Kirchen im Hinblick auf das akademische Personal tatsächlich zugestanden werden soll. Dabei handelt es sich nämlich nicht um ein überflüssiges Privileg, sondern um praktizierte Religionsfreiheit, die der Staat nach unserer Verfassung auch Muslimen zuzugestehen hat.

Der geplante Beirat ist umstritten

Der geplante Beirat, der das Aufsichtsrecht wahrnehmen soll, ist allerdings umstritten. Der Berliner Senat hat die Mehrheit der Sitze Islamverbänden zugestanden, die als konservativ gelten, aber auch die größten Gruppen organisierter Muslime in Berlin repräsentieren. Gewiss ist diese Entscheidung anfechtbar, und man kann die Frustration nicht berücksichtigter „liberaler“ Verbände verstehen.

Wer aber die Akzeptanz künftiger Absolventen des Instituts bei den Moscheegemeinden im Auge hat, wird die gefundene Lösung nicht leichtfertig verwerfen. Im Übrigen ist die „Arbeitsgemeinschaft Islamische Theologie“, die das Institut errichten soll, für jede kreative Idee dankbar. Zum 11. Juli, 18 Uhr, hat sie deshalb auswärtige Gelehrte zu einer öffentlichen Podiumsdiskussion über das Thema „Was ist Islamische Theologie?“ in den Senatssaal der Humboldt-Universität eingeladen.

Der Mittelalter-Historiker Michael Borgolte ist Gründungsbeauftragter des Instituts für islamische Theologie an der HU.

Michael Borgolte

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