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Lecker, aber nicht gesünder. Gemüse vom Bio-Markt ist sehr beliebt. Die Öko-Lebensmittelbranche setzt in Deutschland insgesamt sechs Milliarden Euro jährlich um.

© dapd

Ernährungsstudie: „Bio“ heißt nicht „gesünder“

Sind Bio-Lebensmittel wirklich besser für die Gesundheit als konventionelle? Eine umfassende Studie kommt zu dem Ergebnis: Es gibt keine wesentlichen Unterschiede zu herkömmlicher Nahrung.

Am Anfang waren die bohrenden Fragen ihrer Patienten. Immer wieder wurde die Internistin Dena Bravata von der Universität Stanford gefragt, wie gesund denn nun eigentlich Bio-Lebensmittel sind, in den USA „organic food“ genannt. Die Ärztin fasste den Entschluss, der Sache selbst auf den Grund zu gehen. Zusammen mit anderen Wissenschaftlern wühlte sie sich durch einen Wust von Fachliteratur.

Im Medizinerblatt „Annals of Internal Medicine“ erscheint nun ihre umfassende Auswertung des Forschungsstands zu der Frage, ob „bio“ gesünder und sicherer ist als „konventionell“. Ergebnis: Für die Gesundheit wesentliche Vorteile gibt es nicht. „Manche Leute glauben, dass Bio-Lebensmittel immer gesünder und nahrhafter sind“, sagt Bravatas Mitautorin Crystal Smith-Spangler, ebenfalls von der Universität Stanford. „Wir waren ein bisschen überrascht, dass wir das nicht bestätigen konnten.“

Für ihre Analyse begutachteten Bravata, Smith-Spangler und ihre Kollegen fast 6000 Veröffentlichungen, von denen lediglich 237 strengen wissenschaftlichen Maßstäben genügten. Langzeitvergleiche zwischen Menschen, die sich „bio“ oder „konventionell“ ernährten, fanden sich nicht. Die Studien, an denen Versuchspersonen teilnahmen, hatten eine Dauer von zwei Tagen bis zwei Jahren.

Außerdem gab es Hinweise auf systematische Fehler, in der Fachsprache Bias genannt. Etwa den, dass Ergebnisse, die keine Unterschiede zu Tage förderten, am Ende seltener veröffentlicht wurden – vielleicht, weil man sich anderes erhofft hatte. Dadurch wirken die ohnehin geringen Abweichungen zwischen beiden Anbauarten größer, als sie sind.

Bei den verschiedenen Inhaltsstoffen der Nahrungsmittel, zum Beispiel Vitaminen, Eiweißen und Fetten, fanden sich keine durchgehend nachweisbaren Differenzen. Einzige Ausnahme ist Phosphor, der in Bio-Produkten häufiger vorkommt. Eine medizinische Bedeutung hat das praktisch nicht, weil Phosphormangel nur bei extremer Abmagerung eine Rolle spielt, schreiben die Wissenschaftler.

Im Bio-Anbau wird auf künstliche Pestizide verzichtet. Deshalb ist es nicht unerwartet, dass diese Lebensmittel weniger „Chemie“ enthalten. Das Risiko, dass Öko-Produkte mit Pestiziden belastet sind, ist zwar nicht null, aber um 30 Prozent geringer. Allerdings ist die Pestizidbelastung auch bei konventionellen Produkten im Rahmen des Erlaubten, wie die Untersuchungen ergaben.

Mehr Colibakterien auf Bio-Lebensmitteln

Bakterien wie Salmonellen oder Campylobacter-Arten fanden sich bei ökologisch wie bei konventionell erzeugten tierischen Lebensmitteln. Jedoch gab es Indizien dafür, dass Hühner- oder Schweinefleisch vom Biohof weniger mit antibiotika-resistenten Bakterien verunreinigt sind. Ob sich das auf die Gesundheit des Konsumenten auswirkt, etwa durch gefährlichere Infektionen, ist unklar. Auf der anderen Seite sind Bio-Produkte eher mit Colibakterien kontaminiert. Auch die Ehec-Epidemie vom Mai 2011 mit 50 Todesfällen in Deutschland geht vermutlich auf ein mit Colibakterien verseuchtes Bio-Lebensmittel zurück, aus Ägypten eingeführten Bockshornkleesamen.

Dass die Unterschiede zwischen „bio“ oder „normal“ im Mittel gering sind, bedeutet nicht, dass Lebensmittel homogene Produkte sind. Apfel ist nicht gleich Apfel. Sorte, Bodenbeschaffenheit, Anbaumethode, Düngung, Klima, Erntezeitpunkt und andere Faktoren beeinflussen die Qualität und die Inhaltsstoffe des Erzeugnisses. Ob der Apfel ökologisch oder herkömmlich angebaut wurde, ist da nur ein Faktor unter vielen. „Ein sorgfältig hergestelltes konventionelles Lebensmittel kann deutlich besser sein als ein schlampig produziertes Öko-Erzeugnis, deshalb sollte man keine Pauschalurteile fällen“, sagt der Ernährungswissenschaftler Bernhard Watzl vom Max-Rubner-Institut in Karlsruhe.

Jenseits des Effekts auf die Gesundheit sieht Watzl jedoch andere Argumente für „bio“, etwa die geringere Pestizidbelastung der Umwelt oder die größere Artenvielfalt auf dem Acker. „Auch die Wertschätzung des Lebensmittels und die Produktkenntnis sind im Bioladen häufig größer als im Supermarkt“, sagt Watzl. „Da bekomme ich dann eher ein schmackhaftes oder frischeres Produkt.“

Wer sich gesund ernähren will, sollte weniger die Art der Herstellung als vielmehr die Zusammensetzung seiner Lebensmittel im Auge haben, rät Watzl. Also vor allem viel Obst und frisches Gemüse essen und tierische Fette eher meiden. „Damit kann ich meine Gesundheit viel besser fördern, als wenn ich auf den Unterschied zwischen den Anbauarten achte“, sagt der Wissenschaftler. Obwohl es vermutlich gerade die Hoffnung auf ein gesünderes Lebensmittel ist, die viele Kunden zu „bio“ greifen lässt.

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