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Einfühlung. Wer meditiert, kapselt sich nicht unbedingt von anderen ab.

© picture alliance / dpa

Entspannung: Warme Gefühle für andere

Forscher aus Leipzig zeigen: Meditation kann Mitgefühl und Motivation steigern. Bei der aus Indien stammenden Metta-Technik, auch als „Liebende-Güte-Meditation“ bekannt, stellt der Meditierende sich zunächst die Gesichter vertrauter, geliebter Menschen vor.

Menschen verlieren bei einem Erdbeben ihr Hab und Gut, ein schwer bewaffneter Attentäter bedroht eine Stadt, Eltern suchen verzweifelt nach ihrem spurlos am Strand verschwundenen Kind: Das mitzuerleben oder auch nur davon zu hören, bewegt uns. Die Emotionen, die das Leid anderer erregt, erwachsen aus unserer Einfühlung. Empathie ist die Fähigkeit, den Schmerz der anderen wie von innen zu fühlen, fast als wäre es der eigene. Sie ist ein wichtiges Element in der Grundausstattung der menschlichen Seele.

„Wenn die negativen Emotionen zu sehr überhand nehmen, kann das jedoch zur Belastung werden“, sagt die Psychologin Olga Klimecki vom Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig. Eine Belastung, die niemandem nützt. Denn wenn Angst und Schrecken dominieren, kann man auch anderen schlechter helfen. Was Klimecki jetzt zusammen mit Kollegen am Max-Planck-Institut herausgefunden hat, hat deshalb das Zeug zu einer wirklich guten Nachricht: Der Mensch kann es durch das geeignete Training schaffen, dass eine mit positiven Emotionen verbundene, zugewandte Art des Mitgefühls die Oberhand gewinnt.

Das geeignete Training bestand in der Studie, deren Ergebnisse jetzt online im Fachblatt „Cerebral Cortex“ veröffentlicht wurden, in einer besonderen Art der Meditation. Bei der aus Indien stammenden Metta-Technik, auch als „Liebende-Güte-Meditation“ bekannt, stellt der Meditierende sich zunächst die Gesichter vertrauter, geliebter Menschen vor, die der eigenen Kinder, der Eltern oder besonders enger Freunde.

Die Gefühle von Wärme und Freundlichkeit, die ihn während eines Zeitabschnitts der stillen Konzentration durchströmen, versucht er dann auf die Gesamtheit seiner Mitmenschen auszudehnen. 28 junge weibliche Versuchspersonen zwischen 18 und 35 Jahren erlernten die Metta-Meditation im Verlauf mehrerer Sitzungen unter Anleitung eines Meditationslehrers und übten sich auch zu Hause darin. Eine Kontrollgruppe bekam ein Gedächtnistraining.

Schon vor diesem recht unterschiedlichen Training wurden die Probanden beider Gruppen im „Hirnscanner“, dem funktionellen Magnetresonanztomografen (fMRT), untersucht, während sie sich kurze Videofilme mit Menschen in Not anschauten. Im Anschluss wurden sie über ihre Eindrücke befragt. Wie erwartet erlebten sie das Schicksal der dargestellten Personen intensiv mit und konnten sich in deren Gefühle hineindenken. Sie beschrieben die Emotionen nach den Filmen als überwiegend negativ.

Mit Meditation kann man lernen, anders mit Leiden und Stress umzugehen.

Im fMRT zeigte sich eine erhöhte Aktivität in Hirngebieten, die mit Empathie und mit negativen Gefühlen verbunden sind, so im vorderen Teil der Hirnregion Insula, die wahrscheinlich die innere Wahrnehmung des eigenen Körpers und die Bewertung von Schmerz ermöglicht. Nach einigen Tagen Training wurde wieder gemessen, und nun unterschieden sich beide Gruppen: Bei den Teilnehmern, die die Metta-Meditation erlernt hatten, waren Bereiche aktiver, die mit positiven Gefühlen, Belohnung und emotionaler Bindung verbunden sind, etwa der hinter den Augen in der Großhirnrinde gelegene mediale orbitofrontale Kortex oder das ventrale Striatum. „Wichtig ist, dass dabei das Nachfühlen des fremden Schmerzes nicht verschwand, sondern positive Empfindungen dazukamen“, kommentiert Klimecki.

Die Empathie ging den Neurowissenschaftlern zufolge mit Gefühlen von Wärme, Offenheit und Fürsorge einher. Bei den Probanden aus der Gedächtnisgruppe zeigten sich dafür Veränderungen in anderen Arealen, zum Beispiel im Hippocampus.

„Die Teilnehmer haben mit der Metta-Meditation offensichtlich eine neue Technik erlernt, die es ihnen ermöglicht, anders mit Leiden und Stress umzugehen“, folgert die Psychologin Tania Singer, Direktorin der Abteilung Soziale Neurowissenschaften des Instituts. Dass sich die Aktivitäten im Gehirn nach einem relativ kurzen Training deutlich von einem Areal auf das andere verlagern, ist für die Forscherin nicht weiter erstaunlich. Diese funktionelle Plastizität mache sich, anders als eine bleibende Veränderung der Strukturen des Gehirns, schon kurzfristig bemerkbar, erläutert Singer.

Dass Meditation den Umgang mit Stress verbessern und die Konzentrationsfähigkeit erhöhen kann, wurde schon gezeigt. Was bisher nicht im Mittelpunkt stand, war das soziale Feld der Emotionen. „Wir haben uns bewusst für die ,Liebende Güte’-Meditation entschieden, weil es uns auf die Auswirkungen auf diese sozialen Emotionen ankommt“, sagt Singer. Sie ist fest davon überzeugt, dass die Veränderungen sich auch auf das Handeln der meditierenden Menschen auswirken werden. Anders als im Klischee vom kontemplativen, passiven Meditierenden.

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