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Propellerfront. Windräder prägen viele norddeutsche Landstriche.

© Christian Charisius/dpa

Energiewende: Sprit aus der Luft

Zuviel geförderter Wind- oder Sonnenstrom kann helfen, "sauberes" Benzin zu erzeugen.

Die Energiewende bringt Anpassungsschwierigkeiten mit sich. Da kommt ein kleiner Chemiereaktor im Container-Format gerade recht, mit dem die Karlsruher Firma „Ineratec“ gleich für mehrere Probleme eine Lösung anbietet: Wind- und Sonnenenergie gibt es manchmal mehr als genug. Der Betreiber einer solchen Anlage weiß dann oft nicht wohin mit dem Überangebot. Speist er den überschüssigen Strom in die „Ineratec“-Anlage, liefert sie flüssige Treibstoffe in Spitzenqualität bis hin zum Kerosin für Flugzeugtriebwerke. Genau dort liegt ein weiteres Problem der Energiewende. Flugzeuge, Hochseeschiffe oder der Schwerlastverkehr bleiben auf solche flüssigen Treibstoffe angewiesen, die bisher aus Erdöl hergestellt werden. Der synthetische Treibstoff aus dem Container aber braucht als Zutaten neben Strom nicht viel mehr als Wasser und Kohlendioxid, das er aus der Luft holt. Da genauso viel Kohlendioxid aus dem Auspuff kommt, wie vorher aus der Luft geholt wurde, sind solche Treibstoffe klimaneutral.

Kohlendioxid aus der Luft, Strom vom Windrad

Die Technik basiert auf bekannten Verfahren. Anlagen, die Kohlendioxid aus der Luft filtern, gibt es schon lange; und Elektrolyse-Verfahren, bei denen elektrischer Strom das Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufspaltet, bietet der Handel ebenfalls an. Aus Wasserstoff und Kohlendioxid werden dann Kohlenmonoxid und Wasser hergestellt. Dieses Kohlenmonoxid, das nur ein einziges Kohlenstoffatom enthält, wird mithilfe von weiterem Wasserstoff zu Ketten aus mehreren Kohlenstoffatomen verknüpft. Fischer-Tropsch-Synthese heißt dieser Schritt, der synthetische Treibstoffe liefert, die herkömmlichem Sprit oder Kerosin sehr ähneln.

Die Anlagen zur Produktion solcher Treibstoffe waren bisher sehr groß. Damit sind sie für die nachhaltige Energie nicht geeignet, weil Windräder oder Photovoltaik häufig in kleineren Anlagen installiert werden. Diese Dezentralität der nachhaltigen Energieversorgung ist ein weiteres Problem der Energiewende.

An diesem Punkt kommen der Ineratec-Gründer Tim Böltken und seine Kollegen ins Spiel, die am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) solche Fischer-Tropsch-Reaktoren dramatisch auf die Dimensionen eines Tisches verkleinerten. Zusammen mit weiteren Teilen passt die Anlage jetzt problemlos in einen Container. Dazu kommt in einer finnischen Pilotanlage noch die Elektrolyse-Anlage, in der Wasserstoff erzeugt wird, und eine „Direct Air Capture“-Einheit, die Kohlendioxid aus der angesaugten Luft holt.

Aus Kohlenmonoxid entstehen Kohlenstoffketten

Diese strömt über Cellulose, die das in der Luft enthaltene Kohlendioxid chemisch festhält. Ist dieser Filter mit Kohlendioxid vollgepackt, wird er auf rund 100 Grad erhitzt und gibt dann das Kohlendioxid wieder frei, das in konzentrierter Form für die weiteren Reaktionen verwendet wird. Der Strom aus Wind und Sonne spaltet Wasser in seine beiden Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff. Ersterer bleibt in der Luft. Der Wasserstoff dient dazu, um das aus der Luft gefilterte Kohlendioxid zu Kohlenmonoxid weiterzuverarbeiten. Es wird dann im Fischer-Tropsch-Verfahren zu den für Benzin und Kerosin typischen Kohlenstoffketten verknüpft.

„Interessenten und Anwendungen gibt es genug“, freut sich Tim Böltken über den Erfolg seiner Firma. Das kann zum Beispiel der Besitzer eines Windparks sein, der seinen überschüssigen Strom in synthetischen Treibstoff umwandelt.

Beim Fischer-Tropsch-Verfahren entstehen immer Gemische aus verschieden langen Kohlenstoffketten. Die Ingenieure können allerdings einstellen, ob die Ketten länger oder kürzer werden sollen. Daher lassen sich problemlos Anlagen konzipieren, die zum Beispiel vor allem Kerosin für Flugzeuge, synthetische Treibstoffe für nachhaltige Verbrennungsmotoren oder auch Verbindungen liefern, die als Grundstoffe in der chemischen Industrie unersetzlich sind, bisher aber aus Erdöl hergestellt wurden. Die Kosten für eine solche Anlage liegen je nach Ausstattung zwischen einigen hunderttausend bis zu mehreren Millionen Euro. Sobald die Serienproduktion anläuft, sollten diese Preise allerdings deutlich sinken.

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