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Dampf statt Rauch: Die E-Zigarette erzeugt einen Nebel aus kleinsten Tröpfchen.

© Imago

E-Zigarette: Viel Dampf um wenig Risiko

Ist die elektronische Zigarette wirklich so gefährlich, wie manche behaupten? Die Beweislage ist dünn. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Hartmut Wewetzer

Rauchen Sie noch oder dampfen Sie schon? Elektronische Zigaretten (E-Zigaretten) erzeugen einen nikotinhaltigen Dampf anstelle des Tabakrauchs. Dampfen ist damit wesentlich weniger schädlich als herkömmliche Glimmstängel. „E-Zigaretten sind mindestens 95 Prozent sicherer als Rauchen“, sagt der Suchtforscher Peter Hajek von der Londoner Queen Mary University. Und so ist es kein Wunder, dass sich E-Zigaretten zunehmender Beliebtheit erfreuen, sei es als Weg zur Nikotin-Abstinenz oder als „bekömmlichere“ Alternative.

Eigentlich sollte das die öffentlichen Gesundheitswächter freuen. Sie sollten Raucher ermutigen, aufs möglicherweise lebensrettende Dampfen umzusteigen, wie es Peter Hajek vorschlägt. Leider ist bei einigen das Gegenteil der Fall – ginge es nach manchen Kritikern des Dampfens, würden E-Zigaretten am besten im Giftschrank der Apotheke verschwinden. So wie zuvor schon Nikotinkaugummis und -pflaster, die ein Randdasein fristen und der Tabakindustrie niemals gefährlich werden.

Der Teer im Rauch tötet - beim Dampfen entsteht er nicht

Mittlerweile gibt es eine regelrechte Kampagne, die zum verhängnisvollen Ziel hat, Dampfen und Rauchen gleichzusetzen. Und das obwohl laut Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung 2014 etwa 110 000 Bundesbürger durch das Rauchen einen vorzeitigen Tod starben. Es ist vor allem das Verbrennungsprodukt Teer, das tötet.

Todesfälle durch Dampfen dürften dagegen, wenn überhaupt, nur äußerst selten zu beklagen sein. Auch wenn die Berichterstattung in den Medien mitunter etwas anderes nahelegt. Immer wieder kursieren beunruhigende Meldungen, die sich im Nachhinein als übertrieben herausstellen. Aber auf die Dementis registriert kaum jemand. Was haften bleibt, ist der Alarm.

Beim normalen Dampfen entstehen keine gefährlichen Formaldehydmengen

Jüngstes Beispiel war eine im Januar im angesehenen „New England Journal of Medicine“ erschienene Studie. Aus ihr ging hervor, dass beim Dampfen hohe, gesundheitsschädliche Konzentrationen von Formaldehyd entstehen und entsprechend eingeatmet werden können. Das gab weltweit schlechte Presse für die E-Zigarette. Wie sich nun in einer weiteren Studie im Fachblatt „Addiction“ herausgestellt hat, ist das beim Normalbetrieb der E-Zigarette jedoch kein Problem. Dabei sind die Formaldehyd-Konzentrationen im Dampf kaum höher als in der Atemluft. Viel Formaldehyd entsteht nur unter speziellen Bedingungen, in Fachkreisen „Kokeln“ genannt. Sie werden vom Konsumenten wegen des extrem unangenehmen Geschmacks gemieden. Schließlich isst auch niemand ein verkohltes Steak.

Ein Risiko kann "nicht ausgeschlossen" werden - aber was heißt das?

Weil es an stichhaltigen Argumenten gegen die E-Zigarette mangelt, ergehen sich die Gegner in Behauptungen, Mutmaßungen und Spekulationen. Bei „hohem Dauerkonsum“ (was immer damit gemeint ist) könne „eine Krebsgefährdung nicht ausgeschlossen werden“, sagte nun Martina Pötschke-Langer vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg aus Anlass des Weltnichtrauchertags. Pötschke-Langer steht an der Spitze des Kreuzzugs gegen die E-Zigarette. Aber ihr Argument ist keines. Denn dass ein Risiko „nicht ausgeschlossen“ werden kann, heißt überhaupt nichts. Schon morgen kann ein Meteorit die Erde treffen und alles Leben vernichten. Dieses Ereignis ist „nicht ausgeschlossen“, wie jedes andere auch. Die Frage ist, wie wahrscheinlich es ist.

Was das Nikotin als den „Hauptübeltäter“ im Dampf angeht, so hat es die Substanz trotz jahrzehntelanger Erforschung nicht auf die Liste krebserzeugender Stoffe der Weltgesundheitsorganisation geschafft. Weder in Gruppe 1 (krebserregend), in der Alkohol und Tabak beheimatet sind. Und noch nicht einmal in Gruppe 2b (möglicherweise krebserregend), in der Hinz und Kunz zuHause sind: Mobiltelefone, sauer eingelegtes Gemüse, Kaffee, Aloe vera, Ginkgo- und Kava-Extrakt – alles „möglicherweise“ krebserzeugend laut Weltgesundheitsorganisation.

Natürlich ist es sinnvoll, dass E-Zigaretten überwacht und reguliert werden. Es ist vernünftig, dass sie künftig nicht mehr an Jugendliche verkauft werden. Dieses Verbot plant die Familienministerin. Doch besteht die Gefahr, dass Alarmismus und eine aufgeheizte Diskussion um aufgebauschte Risiken die Politiker vor sich hertreiben und künftig zu Überreaktionen verleiten. Gerade wenn so viel heißer Dampf im Spiel ist, ist ein kühler Kopf gefragt.

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