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Online-Kurse ergänzen das Studium - werden die Uni aber nicht ersetzen.

© Tsp

Digitales Leben: Fernbeziehung mit dem Prof

Gerhard de Haan von der FU Berlin ist einer der ersten Berliner Professoren, der seine Vorlesung online anbietet. Für die Studierenden bedeutet das sogar mehr Aufwand als früher.

600 Studierende drängeln sich morgens um acht in einen überfüllten Hörsaal, um ihrem Professor zuzuhören – so sah lange auch die Einführungsvorlesung des Erziehungswissenschaftlers Gerhard de Haan an der Freien Universität aus. Nachfragen konnten die Studierenden kaum, „und eine familiengerechte Uhrzeit war das sowieso nicht“, sagt de Haan. Seit einigen Semestern hat de Haan seine Vorlesung ins Internet verlegt. Rund um die Uhr ist sie dort abrufbar, seine Studierenden können jetzt frei wählen, wann sie seinen Ausführungen folgen.

De Haan ist einer der Ersten in Berlin, der seine Lehrveranstaltung im Internet anbietet. Wobei den Studierenden online mehr geboten wird als nur die abgefilmte Vorlesung. Simultan sehen die Studierenden Folien, die das Gesagte vertiefen. Durch „Denkanstöße“ werden sie zum weiteren Durchdringen des Stoffes angeregt, regelmäßig müssen sie „Selbsttests“ absolvieren. „Manche Studierende haben sich schon beklagt, dass sie mehr Aufwand als früher haben“, sagt de Haan.

Schleichend hat die Digitalisierung die Unis verändert

Sieht so die Zukunft der Uni aus? Schleichend hat die Digitalisierung die Hochschulen verändert. Sei es, dass Studierende online ihre Stundenpläne erstellen, Hochschulen via Apps Erstsemester über den Campus navigieren oder Dozenten die Seminarliteratur im Netz bereitstellen. „Ich frage mich manchmal, wer von den Studierenden noch ein Buch hat“, sagt de Haan. Den Laptop bringen die meisten eh mit. Nicht immer muss sich das positiv auswirken. Manche wollen wahrgenommen haben, dass sich Studierende im Seminar hinterm Laptop regelrecht verstecken, um weniger diskutieren zu müssen.

Auf Online-Vorlesungen setzen auch weltweite Anbieter. Deren Kurse – bekannt als „MOOCs“ (Massive Open Online Courses) – sollen Studierenden weltweit den Zugang zu Lehre auf dem Niveau von Eliteunis ermöglichen. Manche Kurse werden von Zehntausenden belegt. Doch noch halten bei den MOOCs oft bis zu 90 Prozent der Teilnehmer nicht bis zum Ende durch. Die erste Euphorie um diese Angebote ist längst verflogen.

Rein virtuell werden Hochschulen nie werden

Dass Hochschulen irgendwann rein virtuell werden, ist nicht zu erwarten. „Wir sehen Online-Lehre als sinnvolle Ergänzung zur Lehre auf dem Campus“, sagt Henrik Schober von der Berliner Hertie School of Governance. „Für die Lernenden wird eine viel stärkere Individualisierung des Studiums möglich“, sagt Oliver Janoschka vom Hochschulforum Digitalisierung beim Stifterverband. Den Unis biete die Digitalisierung neue Möglichkeiten zur Kooperation.

Auch de Haan bettet seine Online-Vorlesung in drei Präsenzveranstaltungen ein: „Man braucht den persönlichen Kontakt zu den Studierenden.“ Im Online-Forum können Studierende jederzeit Fragen stellen, die binnen 48 Stunden beantwortet werden. Für den Prof bedeutet das nicht weniger Arbeit. „Sollte irgendwer denken, dass man mit Online-Vorlesungen Ressourcen spart, kann er sich das gleich abschminken.“

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