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Eine historische Darstellung zeigt einen jungen Mann mit einem Skizzenbuch auf den Knien. Er sitzt oberhalb eines Flussufers.

© imago/Danita Delimont

Digital Humanities: Alexander von Humboldt digital wachgeküsst

Das Editions-Projekt der Berlin-Brandenburgischen Akademie zu Alexander von Humboldts großen Reisen erhält den Digital-Humanities-Preis.

Wissenschaft ist immer ein Abenteuer – für die Forschenden selber, aber auch für das interessierte Publikum. Das war zweifellos zu Zeiten des weltreisenden Naturforschers Alexander von Humboldt so, er eröffnete seinen Zeitgenossen zuvor vollkommen unbekannte Welten. Heute ermöglichen die Digitalisierung und das Internet nie dagewesene Transparenz: Open-Access-Strategien bieten freien Zugriff auf Publikationen aller Art, digitale Editionen machen auch bewanderte Laien selber zu Forschern. Doch bis solche Techniken wirklich zum Gemeingut werden, ist der Weg noch weit.

Denn Vorhaben digitaler Editionen mit hohem wissenschaftlichen Anspruch führen die Wissenschaft heute noch „in unkartiertes digitales Neuland“. Das jedenfalls sagte Gerd Graßhoff, Direktor des Berliner Exzellenzclusters Topoi und Professor für Antike Philosophie an der Humboldt-Universität, am Dienstag bei der Verleihung des Berliner Digital-Humanities-Preises 2017 in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW).

Das Projekt ist auf 18 Jahre angelegt, zu sehen ist jetzt schon viel

Der mit 2000 Euro dotierte erste Preis ging an die „edition humboldt digital“, die an der BBAW angesiedelt ist und mit Mitteln des Bundes und des Landes Berlin finanziert wird. Der Preis wird vom interdisziplinären Forschungsverbund Digital Humanities in Berlin verliehen, zum dritten Mal seit 2015.

Das ausgezeichnete Publikationsprojekt ist Teil des vor zwei Jahren gestarteten und auf 18 Jahre angelegten Akademienvorhabens „Alexander von Humboldt auf Reisen – Wissenschaft aus der Bewegung“ unter der Leitung des Potsdamer Romanisten Ottmar Ette. Digital ediert werden Humboldts sämtlichen Reisejournale, Tagebücher, Länderbücher sowie die Briefwechsel zu seinen beiden großen Reisen – nach Südamerika (1799 bis 1804) und nach Sibirien (1829). Im Netz findet sich schon eine nutzbare Version mit Pilot-Editionen etwa des Cuba-Fragments, einem lange unbekannten, in Krakau befindlichen Tagebucheintrag Humboldts zum Sklavenhandel (zur edition-humboldt.de geht es hier).

Vernetzt mit Archiven in aller Welt

Zu den Besonderheiten des monumentalen geisteswissenschaftlichen Projektes gehört es, alle aufgenommenen Texte nach den Richtlinien der Text Encoding Initiative (TEI) zu kodieren, einer seit 1988 entwickelten „Sprache“ eigens für die digitalen Geisteswissenschaften. Nur so können die Quellen und Textsorten verknüpft werden – und zwar weltweit mit digitalen Archiven, die dieselben Standards nutzen. Ein Instrument ist dabei auch der Webservice correspSearch, der maschinenlesbare Briefverzeichnisse von gedruckten oder digitalen Briefeditionen erstellt.

Mit der jahrhundertelangen Tradition der Humboldt-Editionen wolle man aber keineswegs brechen, betonte Arbeitsstellenleiter Tobias Kraft bei der Preisverleihung. Bisherige Printausgaben werden per Retrokonversion „digital wachgeküsst“. Vorgenommen haben sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Ette und Kraft, immer wieder laufende Forschungsstände zu publizieren und im Laufe der kommenden Jahre flexibel auf neue Methoden der geisteswissenschaftlichen Datenanalytik zu reagieren, lobte Laudator Graßhoff. Auf diese Weise bereite das Projektteam eine Reise in die digitale Welt vor, die „aus heimatlichen Gefilden der klassischen Edition“ durch „teils gefährliche Furten“ führe. Gemeint waren Systemabstürze, mit denen das Team immer wieder zu kämpfen hat. Prämiert werde vor allem der Mut, ein so umfassendes Projekt anzugehen, sagte Graßhoff.

Zweiter Preis für digitalisierte Glasdias der Humboldt-Uni

Den mit 1000 Euro dotierten zweiten Preis erhielt das Projekt „Durchblick – Historische Glasdias digital“ der Humboldt-Universität (den Zugang finden Sie hier). An der Mediathek des Instituts für Kunst- und Bildgeschichte werden 50 000 großformatige Glasdias aus dem kunsthistorischen Apparat der Uni digitalisiert. Die Bilder von Gemälden, Skulpturen oder Bauwerken entstanden ab 1891 – und wurden bis in die 1960er Jahre in kunsthistorischen Lehrveranstaltungen intensiv genutzt, wie Projektleiter Georg Schelbert erläuterte. Doch auch die nahezu fertiggestellte Digitalisierung sei schon jetzt eine „aktive Sammlung“, hob Laudatorin Heike Neuroth, Professorin für Computerphilologie an der Fachhochschule Potsdam, hervor. Von Interesse ist sie für das Forschungsfeld rund um die historischen Bildmedien.

Eine Betrachtung der Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy über Alexander von Humboldt als Sammler finden Sie hier.

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