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Jugendliche sind bei einer Ausbildungsmesse im Gespräch mit Vertretern von Betrieben.

© Kai-Uwe Heinrich

Update

DGB-Bilanz des Bildungsgipfels: Bildungsrepublik Deutschland nicht in Sicht

Was ist aus den Zielen des Bildungsgipfels geworden? Der DGB zieht eine kritische Bilanz - und eine CDU-Ministerpräsidentin spricht von "Kooperationsgebot".

Nur noch halb so viele Jugendliche und junge Erwachsene ohne Schulabschluss und Berufsausbildung, deutlich mehr Studienanfänger - und Krippenplätze für 35 Prozent der unter Dreijährigen. Diese Grundpfeiler der „Bildungsrepublik Deutschland“ hatten die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten der Länder am 22. Oktober 2008 beim „Bildungsgipfel“ in Dresden für das Jahr 2015 geplant.

In allen vor fast zehn Jahren erkannten Problemfeldern gibt es positive Entwicklungen.. Doch gleichzeitig kamen mit der Inklusion, mit dem rasanten Tempo der Digitalisierung, mit steigenden Geburtenraten und mit den Flüchtlingen neue hinzu.

Der DGB fordert einen "Neustart der Bildungsrepublik"

Bund und Länder können in der Bildung mit den gesellschaftlichen Entwicklungen kaum Schritt halten und soziale Schieflagen bei der Bildungsbeteiligung nicht ausgleichen. Dieses Bild jedenfalls ergibt sich aus der abschließenden Bilanz des Bildungsgipfels, die der Essener Bildungsforscher Klaus Klemm am Freitag in Berlin vorgestellt hat. Demnach wurden lediglich bei den Studienanfängern und bei der Weiterbildungsbeteiligung die Ziele erreicht. Bei den Schul- und Ausbildungsabschlüssen, beim Krippenausbau und bei der Bildungsfinanzierung wurden sie aber teilweise weit verfehlt. Inwiefern es gelungen ist, die hoch gesteckten Ziele von 2008 in Etappen zu erreichen, hatte Klemm seit 2010 jährlich im Auftrag des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) überprüft.

Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack forderte am Freitag einen „Neustart für die Bildungsrepublik“. Statt eines einmaligen „Gipfels“ und neuer plakativer Ziele müssten „Bund, Länder und Kommunen gemeinsam mit den Sozialpartnern eine echte gesellschaftliche Bildungsstrategie ausarbeiten.“

50 Prozent in Weiterbildung, Arbeitslose sind aber "abgehängt"

Auch bei den zahlenmäßig erreichten Zielen äußern Klaus Klemm und der DGB Kritik an „sozialen Schieflagen“. Sie blieben die „Achillesferse des Bildungssystems“. So wurde die Maßgabe, dass 40 Prozent eines Jahrgangs ein Studium aufnehmen sollen, zwar schon 2008 erfüllt und ist nach neun Jahren mit 58 Prozent deutlich überschritten. Wenn Studierende, die ihr Abitur im Ausland erworben haben, abgezogen werden, liegt sie bei 49,9 Prozent. Allerdings stammt noch immer mehr als die Hälfte der Studierenden aus Akademikerfamilien und nur ein Viertel aus Familien, in denen die Eltern eine Berufsausbildung als höchsten Abschluss haben.

Ähnlich sieht es bei der Weiterbildung Erwachsener aus. Hier wurde die Zielmarke von 50 Prozent Beteiligung bereits 2014 um einen Prozentpunkt übertroffen – 2007 waren es erst 44 Prozent. Aber gerade Arbeitslose, Menschen ohne Berufsausbildung oder mit Migrationshintergrund blieben bei der Weiterbildung „abgehängt“, heißt es. So haben sich 2014 nur 32 Prozent der Arbeitslosen (2007: 26 Prozent) und 32 der Migranten (2007: 33 Prozent) weitergebildet.

Noch immer schaffen 5,9 Prozent keinen Schulabschluss

Dramatische Defizite sieht der DGB in der beruflichen Bildung. Das Ziel, die Quote junger Erwachsener ohne Berufsabschluss von 17,2 Prozent zu halbieren, wurde weit verfehlt – 2015 waren es 13,8 Prozent. In Berlin sank die Quote von 21,5 auf 16 Prozent. Auch bei den Jugendlichen ohne Schulabschluss wurde die Halbierung auf vier Prozent nicht erreicht, noch immer haben 5,9 Prozent der Jugendlichen keinen Schulabschluss.

Das Ziel, 35 Prozent der unter Dreijährigen einen Krippenplatz anbieten zu können - 2008 lag die Quote bei 17,6 Prozent -, wurde mit 32,9 Prozent im Jahr 2015 nicht ganz erreicht. Das gilt vor allem für die westlichen Bundesländer, wo die Quote nur bei 28,2 Prozent liegt. Und bundesweit gehe die Betreuungsquote aufgrund der deutlich gestiegenen Geburtenzahlen aktuell leicht zurück, wird gewarnt.

Verfehlt wurde schließlich die Zehn-Prozent-Marke bei den Bildungsinvestitionen. Der Anteil der Ausgaben für Bildung und Forschung am Bruttoinlandsprodukt (BIP), das die Wirtschaftskraft des Landes abbildet, erreichte lediglich 9,1 Prozent. Damit fehlen 27,2 Milliarden Euro jährlich.

Länder-Egoismen überwinden, mehr Geld für Hochschulen

Die Forderungen, die der DGB aus der Bilanz des Bildungsgipfels ableitet, gehen weit über die 2008 formulierten Ziele hinaus. Als Grundlage für den „Neustart der Bildungsrepublik“ müsse zuallererst das Kooperationsverbot für den Schulbereich aus dem Grundgesetz gestrichen werden, erklärte DGB-Vize Elke Hannack. „Der Bund muss auch den Schulen helfen können.“ Dabei gehe es nicht um einen neuen Bildungszentralismus, sondern um einen „kooperativen Föderalismus“, in dem Länder-Egoismen überwunden würden.

Zu den Reformen, die der DGB anmahnt, gehören außerdem ein Pakt für berufliche Schulen, eine Ausbildungsplatzgarantie und ein Bundesgesetz für Weiterbildung, das die Finanzierung und die Freistellung am Arbeitsplatz regelt. Der von Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) angekündigte Digitalpakt für die Schulen müsse dringend umgesetzt werden.

Der Gewerkschaftsbund fordert auch ein Kita-Qualitätsgesetz sowie einen „Rechtsanspruch auf eine qualitativ hochwertige Ganztagsschule“ und ein Bund-Länder-Programm zur Umsetzung der Inklusion an Schulen. Das Bafög solle ausgebaut und die Grundfinanzierung der Hochschulen verbessert werden.

Auch Ministerpräsidentinnen sind für mehr Kooperation in der Bildung

Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) machte sich am Freitag als Gast der DGB-Veranstaltung für eine neue „nationalstaatliche Kraftanstrengung“ stark. Es brauche „das gemeinsame Bewusstsein, dass es ein Kooperationsgebot in der Bildung gibt“. Auch Malu Dreyer (SPD), Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, plädierte für mehr Bundeshilfen für die Bildung, um etwa eine flächendeckene Gebührenfreiheit von der Kita bis zum Studium zu gewährleisten. Özcan Mutlu, Grünen-Sprecher für Bildungspolitik, nannte es „fahrlässig, dass die Große Koalition das Kooperationsverbot in der Verfassung unangestastet gelassen hat“. Dadurch sei versäumt worden, „unser Bildungssystem zukunftsfit zu machen“.

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