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Wissen: Der Nacktmull kennt keinen Schmerz

Aus der Nähe besehen ist ein Nacktmull ein possierliches Tier. Gary Lewin holt eines der mausgroßen Nagetiere aus dem Käfig und setzt es sich auf die Handfläche.

Aus der Nähe besehen ist ein Nacktmull ein possierliches Tier. Gary Lewin holt eines der mausgroßen Nagetiere aus dem Käfig und setzt es sich auf die Handfläche. Der Nacktmull wirkt mit seiner unbehaarten, faltigen Haut eher zart und zerbrechlich und gar nicht eklig oder monströs wie auf vielen Fotos, auf denen meist seine Nagezähne herausgestellt werden.

Wir sind im Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) in Berlin-Buch, und man kann sich natürlich schon fragen, was den Nacktmull mit molekularer Medizin verbindet. Aber der Schmerzforscher Gary Lewin hat darauf eine gute Antwort parat. Denn die Tiere kennen keinen Schmerz. Man kann ihn vermutlich auch nicht brauchen, wenn man bei 32 Grad Celsius in engen, stickigen Höhlengängen unter den Halbwüsten Ostafrikas lebt.

Das außergewöhnliche Nervensystem des Nacktmulls hilft dem MDC-Wissenschaftler Lewin, den ganz gewöhnlichen Schmerz besser zu verstehen. Die Freiheit am MDC weiß der gebürtige Brite, der zuvor in London, New York und Edinburgh forschte, sehr zu schätzen. „Ich bin sehr froh, dass das MDC mir erlaubt, solche Knilche zu untersuchen“, sagt er.

Für das Forschungszentrum zahlt es sich aus, seine Wissenschaftler eigene Wege gehen zu lassen. Nach einer in der Zeitschrift „Times Higher Education“ abgedruckten Analyse vom Februar 2010 steht das MDC unter den Instituten für Molekularbiologie und Genetik weltweit an 14. Stelle. Am MDC studiert man das Entstehen von Krankheiten und tüftelt an neuen Therapien, aber man behandelt keine Patienten. Die Arbeit der MDC-Forscher steht daher nicht so im Brennpunkt wie die der Charité. Umso mehr ist man darauf bedacht, das Niveau der Forschung zu halten. Hinter vorgehaltener Hand fürchtet mancher Wissenschaftler, vom „Moloch“ Charité geschluckt zu werden, worunter die Qualität der Arbeit leiden könnte.

Das MDC hat 1400 Mitarbeiter und einen Etat von 68 Millionen Euro, hinzu kommen 24 Millionen eingeworbene Fördermittel (Drittmittel). Die Charité ist etwa zehn Mal so groß, sie bringt es auf 13 000 Mitarbeiter und erwirtschaftet mehr als eine Milliarde Umsatz. Der Landeszuschuss für Forschung und Lehre betrug 2010 rund 177 Millionen, dazu kamen 151 Millionen an Drittmitteln.

Im MDC legt man Wert darauf, jungen Forschern die Möglichkeit zur Entfaltung zu geben. Einer von ihnen ist der Biologe Björn Schwanhäusser. Zusammen mit anderen MDC-Kollegen hat Schwanhäusser ermittelt, wie die Eiweiß-Produktion in der Zelle gesteuert wird, und das bei mehr als 5000 Eiweißmolekülen (Proteinen). Forschung wie diese reicht an die Grenzen des heute technisch Machbaren heran. Über eine Fusion von MDC und Charité hat sich Schwanhäusser dagegen bislang eher wenig Gedanken gemacht. „Es ist wichtig, dass wir eigenständig weiterforschen können“, sagt er vorsichtig. Hartmut Wewetzer

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