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Eine vom Weltraumteleskop „Iris“ aus gemachte Aufnahme einer Region mit Sonnenflecken.

© Nasa

Astrophysik: Deutsche Forscher erkunden Atmosphäre der Sonne

Was in der dünnen Atmosphäre der Sonne geschieht, ist auch bestimmend für das Klima der Erde. Astrophysiker von MPI Göttingen präsentieren jetzt neue Erkenntnisse.

Aus kleinen Taschen mit unvorstellbar hohen Temperaturen explodiert heiße Materie in die Umgebung. Andernorts bilden sich riesige Superzellen, an deren Rändern Material mit hohem Tempo in den Weltraum schießt und dort vermutlich den Sonnenwind antreibt. Verdrillte Magnetfelder heizen die dünne Atmosphäre der Sonne gewaltig auf und erzeugen so ultraviolette Strahlung. Es brodelt gewaltig in der Atmosphäre rund um die Sonne. Details dieser für das Klima auf der 150 Millionen Kilometer entfernten Erde wichtigen Vorgänge schildern Astrophysiker wie Hardi Peter vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen jetzt in fünf Artikeln im Fachblatt „Science“.

Genau solche Details brauchen die Forscher, um die Vorgänge auf dem Zentralgestirn besser zu verstehen. Die Sonne ist ein Fusionsreaktor, der in seinem Kern bei rund 15 Millionen Grad Wasserstoff-Atomkerne zu Helium verbrennt. Die frei werdende Energie drängt als Wärmestrahlung langsam nach außen. Erst auf dem letzten Drittel des 700 000 Kilometer langen Wegs an die Oberfläche tragen Ströme aus Wasserstoff und Helium, aus denen die Sonne weit überwiegend besteht, diese Energie weiter nach außen. „Das funktioniert ähnlich wie die Strömungen, die in einem Kochtopf die Energie von der Herdplatte im Wasser verteilen“, erklärt Hardi Peter.

An der Oberfläche der Sonne messen die Forscher 5500 Grad

Auf dem langen Weg kühlt die Materie ab, an der Oberfläche der Sonne messen Astrophysiker noch 5500 Grad Celsius. Die Materie leuchtet bei dieser Temperatur grüngelblich. Andere Farben sind deutlich schwächer, ultraviolettes Licht kommt von der Sonnenoberfläche praktisch gar nicht. Dieser Teil des Spektrums muss also in der oberen Atmosphäre der Sonne entstehen, bei höheren Temperaturen als an der Oberfläche.

Tatsächlich kühlt die Atmosphäre über dem Stern erst einmal weiter bis auf 4500 Grad Celsius ab. Die Schicht zwischen der Oberfläche und dieser Temperaturgrenze nennen Astrophysiker Fotosphäre. In ihr fällt die Dichte der Materie aus Wasserstoff und Helium immer weiter ab. Die Schwingungen der aus dem Inneren der Sonne kommenden Schallwellen werden daher immer größer.

„Ähnliches passiert in einer Wasserwelle, die umso steiler aufläuft, je flacher das Wasser am Strand wird“, erklärt der Max-Planck-Forscher Hardi Peter. Vor der Küste bricht die Welle an einer bestimmten Stelle und auch die Wellen aus der Sonne verlieren in der Nähe der 4500-Grad-Grenze ihre Ordnung. Die ungeordnete Bewegung solcher Gasteilchen ist nichts anderes als Wärme, die Sonnenatmosphäre wird also weiter oben wieder heißer.

Allerdings liefern die brechenden Wellen nur einen Teil der Hitze, die sich bis zu den äußeren Bereichen der Sonnenatmosphäre, der Korona, auf mehr als eine Million Grad steigert. Der große Rest dieses Aufheizens geht auf das Konto von Magnetfeldern. „Diese verdrillen sich und erzeugen dabei nach einem ähnlichen Prinzip wie im Dynamo eines Fahrrads elektrische Ströme, die ihrerseits Wärme liefern“, fasst Peter den Mechanismus zusammen. Diese Magnetheizung liefert oberhalb der Fotosphäre den weit überwiegenden Teil der Wärme. Schon in der Übergangsregion zur äußersten Schicht der Sonnenatmosphäre, der Korona, werden 100 000 Grad erreicht.

Dem Geheimnis der Sonnenflecken auf der Spur

Im Grundsatz sind diese Vorgänge bekannt, viele Details aber verstehen Sonnenphysiker noch nicht. Je mehr Flecken mit niedrigerer Temperatur die Astronomen zum Beispiel auf der Oberfläche der Sonne sehen, desto stärker ist das globale Magnetfeld der Sonne. Die Zahl der Sonnenflecken und damit das globale Magnetfeld schwankt in einem Rhythmus von elf Jahren kräftig.

Manchmal gibt es kaum Sonnenflecken, fünf oder sechs Jahre danach sind es auffällig viele. Diese Sonnenfleckenzyklen blieben zwischen 1645 und 1715 aus. In dieser Zeit fehlten nicht nur die Flecken, sondern strahlte die Sonne auch weniger Energie ab. Das reichte, um in Europa die kleine Eiszeit mit drastisch zurückgehenden Temperaturen auszulösen. Die Sonnenaktivität kann also drastische Auswirkungen auf das Klima der Erde haben.

Die Magnetfelder, die mit der Sonnenfleckenzahl gekoppelt scheinen, schwankten in dieser Zeit fehlender Sonnenflecken normal weiter. Was ging damals in der Sonnenatmosphäre vor? Diese Frage treibt Klimaforscher um, da sich solche Ausfälle möglicherweise alle 300 bis 500 Jahre wiederholen.

Neue Details mithilfe des Nasa-Satelliten "Iris"

Beantworten können die Forscher diese Frage nur, wenn sie auch Details dieser Vorgänge mit Teleskopen wie zum Beispiel dem 2013 gestarteten Nasa-Satelliten „Iris“ beobachten. Dieser analysiert die ultraviolette Strahlung, die in der Sonnenatmosphäre entsteht. „Damit entdecken wir Details, die wir vorher nicht sehen konnten“, sagt Hardi Peter. Mit „Iris“ entdeckte Peter in den Regionen mit Sonnenflecken-Aktivität Gebiete mit einem Durchmesser von 500 bis 700 Kilometern, die mit 100 000 Grad 20-mal heißer als ihre Umgebung sind.

„Dort könnte das Magnetfeld in einer Art Schlaufe nach unten gedrückt sein“, vermutet der Astrophysiker. Von der Seite strömt dann Material in dieses Loch, drückt die Magnetfeldlinien zusammen, erzeugt so kräftige elektrische Ströme, die den Wasserstoff und das Helium gewaltig aufheizen. Das von der Seite einströmende Material drückt die Materie zusammen und quetscht so gigantische Tropfen nach oben und unten aus dem Loch heraus.

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