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Abwärts. Das Weißbauchschuppentier (Pangolin) ist eine der acht Manidae-Arten, die wegen ihrer als Potenzmittel begehrten Schuppen gefährdet sind.

© Nationaler Botanischer Garten Belgien

Artensterben: Schuppen für die Potenz

Jahrmillionen hatten Schuppentiere kaum Feinde. Jetzt bedrohen potenzschwache Menschen das Überleben der gepanzerten Säuger

Seit Urzeiten können sich Schuppentiere auf ihre Verteidigungsstrategie verlassen. Sie rollen sich einfach zu einer Kugel zusammen, sollten sie sich vor einem Feind einmal nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen können. Die harten Schuppen auf ihrem Kopf, dem Rücken und Schwanz bilden dann einen Panzer, dessen scharfe Kanten nach außen gerichtet sind. Das Tier ähnelt so einem überdimensionalen Tannenzapfen. Verzahnen sich bei diesen „Tannenzapfen-Tieren“ dann auch noch die Schuppen auf dem Schwanz mit denen des Nackens, kann sie auch das stärkste und geschickteste Raubtier nicht mehr aufrollen. Selbst ein hungriger Löwe zieht dann mit knurrendem Magen unverrichteter Dinge weiter.

Acht Arten von Schuppentieren gibt es - alle sind gefährdet

Seit es aber Feinde gibt, die mit Schlingenfallen auf die Jagd gehen, haben die acht Arten der Schuppentiere schlechte Karten. „Menschen in den Städten Westafrikas zahlen hohe Preise für die als Delikatesse gehandelten Tiere“, erklärt Jörn Scharlemann von der University of Sussex in der Nähe der englischen Stadt Brighton. Besonders hohe Summen legen Käufer für den Panzer aus Schuppen auf den Tisch, weil die harten Hornplatten in der asiatischen Medizin als Mittel gegen eine Reihe von Leiden gelten. Angeblich sollen sie Entzündungen, Rheuma und Asthma lindern – und die Manneskraft steigern.

Entsprechend gewaltig ist die Nachfrage: Im Februar entdeckten thailändische Zollbeamte eine Tonne Schuppen vom Pangolin, dem Weißbauchschuppentier, die aus der Republik Kongo eingeschmuggelt werden sollten. In Kamerun wurden ebenfalls Anfang des Jahres fünf Tonnen, in Tansania sechs Tonnen der Schuppen sichergestellt. Zehntausende der Tiere müssen dafür ihr Leben lassen. Nach Angaben der Internationalen Naturschutzunion IUCN werden Manidae inzwischen häufiger als alle anderen Säugetiere gehandelt – einschließlich der Elefanten und ihres Elfenbeins und ungeachtet des Washingtoner Artenschutzabkommens CITES, das seit 2016 den internationalen Handel mit allen acht Arten der Schuppentiere oder Teilen von ihnen verbietet.

Kaum erforscht und trotzdem schon vom Aussterben bedroht

Die gravierendsten Auswirkungen hat das wohl auf die vier asiatischen Arten der Säugetiergruppe. Das Chinesische und das Malaiische Schuppentier stehen in den Roten Listen der IUCN als „vom Aussterben bedroht“, das Vorderindische und das Palawan-Schuppentier stuft die Organisation als „stark gefährdet“ ein. Die restlichen vier Schuppentier-Arten leben in Afrika und sind als „gefährdet“ gelistet. Allerdings hat die IUCN bei dieser Einordnung erhebliche Schwierigkeiten, weil Zoologen und Naturschützer über diese Tiere sehr wenig wissen. In Zoos und Tierparks lassen sich Schuppentiere kaum halten, stehen doch auf ihrem Speiseplan normalerweise nur Ameisen und Termiten, deren Bauten sie mit kräftigen Klauen aufbrechen. Danach verleiben sie sich ihre noch lebende Mahlzeit mit einer langen, klebrigen Zunge ein. Dabei verschließen sie die empfindlichen Augen, Ohren und Nasenlöcher sorgfältig, damit die durchaus wehrhaften Insekten sie dort nicht attackieren.

Zum Füttern müsste sich ein Zoo also zusätzlich auch noch die entsprechenden Ameisen und Termiten samt ihren Bauten zulegen. Und das reichlich, schließlich wird die größte Art, das Riesenschuppentier in den Wäldern von West- und Zentralafrika, mit Schwanz bis zu 140 Zentimeter lang, ein Exemplar wog 33 Kilogramm. Um ihren Appetit zu stillen, nutzen selbst die mit weniger als 20 Kilogramm deutlich kleineren Steppen-Schuppentiere in den Savannen des südlichen und östlichen Afrikas die Termiten- und Ameisenbauten in einem mehrere Quadratkilometer großen Gebiet. Da greift der Zoo in Leipzig, in dem die einzigen Schuppentiere Europas leben, doch lieber zu einem Spezialrezept aus Bienenlarven und anderen Zutaten. Nachwuchs aber haben die beiden Chinesischen Schuppentiere trotzdem noch nicht bekommen.

Nachtaktive Ameisenfresser

Auch in der Natur lassen sich die Tiere kaum beobachten. „Die vier afrikanischen Schuppentier-Arten sind vermutlich überwiegend nachts unterwegs“, sagt Jörn Scharlemann. „Drei von ihnen sind in den oft schwer zugänglichen Regenwäldern zu Hause, während die Steppen-Schuppentiere sich über die weiten Savannen verteilen.“ Da fällt die Forschung schwer und in den Lehrbüchern und Fachartikeln finden sich nur wenige Angaben zu diesen Tieren. Wenn über sie aber kaum etwas bekannt ist, fällt es umso schwerer, sie angemessen zu schützen.

In solchen Fällen sind Spezialisten wie Jörn Scharlemann und seine Kollegen gefragt, die solche wenigen Informationen mit Computeranalysen zu einem besseren Bild zusammensetzen. „An 36 Orten in sieben Staaten in West- und Zentralafrika hatten Kollegen auf den Märkten untersucht, wie viele Tiere dort angeboten wurden, an 113 Orten in 14 Staaten ermittelten sie, wie viele Tiere gejagt wurden“, fasst Jörn Scharlemann die Ergebnisse einer Untersuchung zusammen, über die er und seine Kollegen in der Fachzeitschrift „Conservation Letters“ berichten. Informationen über fast 350 000 Wirbeltiere kamen in diesen Studien zusammen, die zum Beispiel Gegenstand einzelne Doktorarbeiten oder anderer Untersuchungen waren.

Preise für Schuppentiere steigen

Waren in den 1970er Jahren noch 0,04 Prozent der gejagten Wirbeltiere Schuppentiere, waren es vier Jahrzehnte später bereits 1,83 Prozent. Offensichtlich konzentrierte sich die Jagd zunehmend auf die gut gepanzerten Tiere, was Scharlemann auch aus einer anderen Entwicklung abliest: „Zwischen 1975 und 2010 stieg die Zahl der auf den Märkten angebotenen Schuppentiere um 150 Prozent“, erklärt der deutsche Naturschutz-Professor von der Universität Sussex im Süden Englands. Wurden vor der Jahrtausendwende jedes Jahr noch 0,3 bis 1,2 Millionen Schuppentiere in diesem Teil Afrikas gejagt, waren es in den Jahren danach bereits 0,8 bis drei Millionen. Bei diesen Zahlen fehlen allerdings die Steppenschuppentiere, für die einfach zu wenig Zahlen für eine zuverlässige Analyse vorlagen. „Trotzdem ist das ein riesiger Anstieg, den die Studien bei anderen Tiergruppen nicht zeigen“, meint Scharlemann.

Seit 1990 stieg der Preis für das Riesenschuppentier auf den Märkten der Städte um das 5,8-Fache. Auch für die anderen beiden im Wald lebenden Arten muss inzwischen 2,3-mal mehr bezahlt werden. Auf den Dörfern blieben die Preise allerdings gleich. Hinter dieser Entwicklung vermutet Jörn Scharlemann zwei Ursachen: „In den Städten leisten sich etliche Menschen Schuppentiere als kulinarische Delikatesse, gleichzeitig werden zunehmend Fleisch und Schuppen der Tiere nach Asien geschmuggelt.“

Schnelles Handeln nötig

Weil Schuppentiere vermutlich nur selten Junge bekommen, hat dieser florierende und illegale Handel auf die Bestände der Manidae wohl einen starken Einfluss. Das deuten auch die Analysen an: „Nur die Hälfte der heute gejagten Schuppentiere war bereits erwachsen, 45 Prozent waren noch nicht zur Fortpflanzung fähig“, nennt Scharlemann ein weiteres Ergebnis der Studie. Wenn die Wilderer aber zunehmend Jungtiere erwischen, scheint die Population deutlich zurückzugehen, sagt der Forscher: „Wir müssen schnell handeln, um die Schuppentiere vor dem Ausrotten zu retten.“

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