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Teure Reparatur. ATU ist schon durch die Hände mehrerer Finanzinvestoren gegangen – jetzt wollen sie wieder aussteigen.

© dpa

Werkstattkette einigt sich mit Vermieter: ATU vor Totalschaden bewahrt

Die Werkstattkette ATU mit 10.000 Mitarbeitern ist vor der Insolvenz gerettet worden. Investoren stimmten im letzten Moment einer Senkung der überhöhten Mieten zu.

Die von der Insolvenz bedrohte Werkstattkette ATU ist nach Angaben des Weidener Oberbürgermeisters gerettet. „Die Kuh ist vom Eis. Bei den Verhandlungen in New York wurde in letzter Sekunde eine Einigung erzielt“, sagte Kurt Seggewiß am Donnerstag der Nachrichtenagentur Reuters. Um Mitternacht wäre die Drei-Wochen-Frist abgelaufen, innerhalb derer sich ATU mit dem Vermieter von fast der Hälfte seiner rund 600 Standorte, der niederländischen Lino, einigen musste. Hinter Lino stecken als Kreditgeber die Deutsche Bank und der Hedgefonds Davidson Kempner. An der ausgehandelten deutlichen Senkung der Mieten hängt der rettende Verkauf von ATU an den französischen Konkurrenten Mobivia.

Der Machtpoker habe bis zum Schluss gedauert, sagte Oberbürgermeister Seggewiß, in dessen Stadt ATU seinen Hauptsitz hat. Er habe nach der Einigung mit Firmenchef Jörn Werner gesprochen. „In allerletzter Sekunde hat die Deutsche Bank eingelenkt“, sagte er. Zu Details wollte er sich nicht äußern.

25 Filialen in Berlin und Umgebung

ATU betreibt in Berlin und Umgebung 25 Filialen. Mobivia und ATU zusammen kämen mit 2000 Filialen und mehr als 20 000 Mitarbeitern auf einen Umsatz von rund 2,7 Milliarden Euro. ATU hatte für das Geschäftsjahr 2016/17 einen Umsatz von knapp einer Milliarde Euro angepeilt, was nach Jahren schrumpfender Erlöse wieder einen leichten Anstieg bedeuten würde. Größter Kostenblock für die Werkstatt-Kette sind die hohen Mieten.

Mobivia hatte im September einen Kaufvertrag unter Vorbehalt unterschrieben. Die Franzosen sind nur zur Übernahme bereit, wenn Lino die Mieten für die 273 Werkstattgebäude und Lagerräume von 57 Millionen Euro im Jahr drastisch senkt. Unternehmenskreisen zufolge müssen aktuell bis zu zwölf Euro Miete pro Quadratmeter gezahlt werden, statt marktüblicher vier Euro. Auf dem Tisch liegt laut Finanzkreisen ein neuer, 20 Jahre laufender Mietvertrag, der eine Jahresmiete von 26 Millionen Euro vorsieht. Darauf wollte sich Lino aber nur gegen eine Sonderzahlung von 100 Millionen Euro einlassen. Allein auf den Immobilien lasten 718 Millionen Euro Schulden, die die Deutsche Bank als Kreditgeber von Lino möglichst nicht abschreiben will. Hinter dem Vermieter stecken als weitere Kreditgeber auch Hedgefonds wie der US-Investor Centerbridge, der 2013 durch einen Tausch von Schulden in Anteile bei ATU eingestiegen war.

Bayerische Wirtschaftsministerin interveniert

Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) hatte am Donnerstag die Beteiligten abermals zur Vernunft aufgerufen. „Ich appelliere an die Verhandlungspartner, insbesondere das Management der Deutschen Bank, ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden“, sagte Aigner. Eine Insolvenz kenne keine Gewinner und gefährde 10 000 Arbeitsplätze in Deutschland. „Ich habe kein Verständnis für Machtpoker auf dem Rücken der Arbeitnehmer. Die verbleibende Zeit muss genutzt werden, um einen Kompromiss zu erzielen, der die Zukunft von ATU sichert.“ Eine Pleite des bayerischen Unternehmens kurz vor Weihnachten hätte Aigner politisch belasten.

Der als Sanierer eingesetzte Rechtsanwalt Hans-Joachim Ziems hatte bereits Mitte November davor gewarnt, dass ATU angesichts der stockenden Verhandlungen seine „positive Fortführungsprognose“ verlieren könnte. Nur sie schützt ATU nach dem Insolvenzrecht davor, wegen Überschuldung in Insolvenz zu gehen. Die entsprechende Frist für eine Einigung lief am Donnerstag um 24 Uhr ab.

Viele Finanzinvestoren haben es mit ATU versucht

ATU war schon in der Vergangenheit durch die Hände mehrerer Finanzinvestoren gegangen. „Das hat dem Unternehmen nicht gutgetan“, hieß es. Nun wollten die Geldgeber erneut aussteigen, möglichst ohne Verlust. Firmengründer Peter Unger hatte ab 2002 zunächst das Unternehmen, dann die Immobilien verkauft.

Insider halten einen Verkauf an den französischen ATU-Wettbewerber Mobivia für eine gute Wahl, weil das Unternehmen ein strategischer und kein reiner Finanzinvestor ist. Mobivia ist bislang noch nicht auf dem deutschen Markt aktiv und würde sich mit ATU die Marktführerschaft sichern. mit rtr, dpa

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