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Auch gegen die Armut soll die Weltbank kämpfen.

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Weltbank in der Kritik: UN-Berichterstatter nennt Weltbank "menschenrechtsfreie Zone“

Der UN-Sonderberichterstatter für extreme Armut, Philip Alston, erhebt schwere Vorwürfe gegen die Weltbank: Sie soll die Menschenrechte nicht ernst nehmen.

Es ist ein schwerer Vorwurf, den der UN-Sonderberichterstatter für extreme Armut und Menschenrechte, Philip Alston, erhebt. Die Weltbank nehme die Menschenrechte nicht ernst und komme den Pflichten nicht nach, die ihr die Charta der Vereinten Nationen auferlegt, meint der Jura-Professor der New York University. „Die Weltbank ist eine menschenrechtsfreie Zone“, schrieb Alston daher in seinem jüngsten Bericht, den er an diesem Freitag der UN-Generalversammlung in New York vorstellen wird.

Zwar würden sich Weltbank-Vertreter immer wieder zur Achtung der Grundrechte bei den Projekten der Bank bekennen. Dies seien aber „reine Werbesprüche, die keine praktischen Folgen haben“, erklärte Alston im Gespräch mit dem Tagesspiegel.

Die Weltbank muss Kredite nicht an Einhaltung der Grundrechte binden

Hintergrund für die Vorwürfe des Juristen ist der seit Jahren geführte Streit über die Weigerung des Weltbank-Vorstands, die Organisation rechtsverbindlich auf die Einhaltung der Menschenrechte bei den von ihr geförderten Projekten festzulegen. Dies sei deshalb so wichtig, weil die Bank ein zentraler Akteur der globalen Entwicklungspolitik sei. „Die Weltbank setzt das Beispiel, dem viele andere folgen“, sagte Alston.

Doch bis heute halte das Weltbank-Management unter Führung ihres Chefs Jim Yong Kim an „der anachronistischen Interpretation“ des Weltbank-Statuts von 1945 fest: Dies verbiete der Organisation, in den Mitgliedsländern „politisch zu intervenieren“. Die Weltbank leite daraus ab, sie müsse die Vergabe von Krediten nicht an die Einhaltung von Grundrechten binden. Diese Haltung sei aber „völlig überholt“, so Alston.

Menschen sollen gewaltsam vertrieben worden sein

Als die Bank im Dezember 1945 gegründet wurde, war die UN-Menschenrechtscharta noch gar nicht verabschiedet. Heute jedoch ist diese für alle UN-Mitgliedsstaaten bindend. Die Weltbank müsse diese daher auch von ihren Klienten einfordern, erklärt Alston weiter. Der Umstand, dass große Mitgliedsländer wie China sich womöglich gegen eine solche Regel sträuben, rechtfertige nicht die Untätigkeit der Führung.

Dabei geht es keineswegs nur um eine juristische Formalität. Die Bank fördert nachweislich immer wieder große Projekte mit Milliardensummen, bei denen Polizei, Behörden oder Unternehmen der begünstigten Länder die Grundrechte der Betroffenen missachten.

So wies das „International Consortium for Investigative Journalists“ (ICIJ) im April dieses Jahres an Hand von konkreten Projekten der Bank selbst nach, dass im vergangenen Jahrzehnt rund 3,4 Millionen Menschen gewaltsam und ohne ausreichende Entschädigung aus ihren Heimatorten vertrieben wurden, um Platz für Fabriken, Siedlungen oder Wasserkraftwerke zu schaffen, die von der Weltbank finanziert wurden. Zuvor hatten die Entwicklungsorganisationen Oxfam und Urgewald nachgewiesen, dass auch die Weltbank-Tochter IFC jährlich rund neun Milliarden Euro an Finanzinvestoren vergibt, deren Projekte Hunderttausende um ihre Existenz brachten.

Verstöße gegen Sozialstandards bleiben folgenlos

Auch gegen die Armut soll die Weltbank kämpfen.
Auch gegen die Armut soll die Weltbank kämpfen.

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Um solchen Missbrauch zu verhindern, hat sich die Weltbank selbst eigentlich einen Katalog von Sozial-und Umweltstandards gegeben, die sogenannten „safeguards“: Diese Verhaltensregeln sollen sicherstellen, dass die von ihr finanzierten Vorhaben weder Mensch noch Natur schaden. Die Einhaltung dieser Richtlinien ist jedoch nicht verpflichtend und die Verstöße bleiben oft folgenlos.

Darum, so meint UN-Berichterstatter Alston, sei es „unverzichtbar, die Weltbank grundsätzlich dem Rechtsrahmen der universellen Menschenrechte und der zugehörigen Abkommen“ zu unterwerfen, um den von Weltbankprojekten betroffenen Menschen „ihre Rechte zu sichern“. Das allerdings könnte dazu führen, dass die Opfer womöglich auch vor internationalen Gerichten gegen die Weltbank klagen, wenn ihre Rechte nicht gewahrt wurden. Offenbar möchte die Weltbank-Führung genau dieses mit aller Macht verhindern.

Alston fordert eine neuen Richtlinie

Das zeigen die heftigen Auseinandersetzungen über die Reform der „safeguards“, die derzeit verhandelt wird. Alston und viele Kritiker der bisherigen Praxis, darunter auch die einflussreiche Organisation Human Rights Watch, fordern die verbindliche Verankerung der Menschenrechte in der Richtlinie. Diese Forderung unterstützt auch die deutsche Weltbank-Exekutivdirektorin Ursula Müller, die für die Bundesregierung im Weltbankvorstand sitzt.

In dem von der Weltbank vorgelegten jüngsten Entwurf der Richtlinie heißt es dagegen nur, „die Bank teilt das Bestreben der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und hilft ihren Klienten, dieses Bestreben zu erfüllen“ – eine Formulierung, die Alston strikt ablehnt. Es gehe „nicht um Bestrebungen, sondern um geltendes Recht“, zürnt der New Yorker Jurist. Derlei Aussagen würden nicht nur die „Menschenrechte relativieren“, sondern zudem allen Ergebnissen der Bank-eigenen Forschung widersprechen.

Auch die führenden Entwicklungsökonomen Amartya Sen und William Easterly hätten umfassend belegt, dass die Bekämpfung der Armut nicht funktioniere, wenn den betroffenen Menschen nicht ihre grundlegenden Rechte zugestanden würden. Die Weltbank, so meint Alston, müsse „ihre Praxis endlich dem Mainstream der Entwicklungstheorie anpassen, vor allem auch ihrer eigenen“.

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