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Chaos im Weltkonzern. Von knapp drei Millionen Kunden ist nach Angaben der Allianz rund die Hälfte von den Softwareproblemen betroffen.

© Foto: Yuriko Nakao/Reuters

Wegen Software-Umstellung: Tausende Allianz-Versicherte warten auf ihr Geld

Die Allianz hat ihr IT-System ausgetauscht. Tausende Kunden in der Krankenversicherung müssen deshalb auf ihr Geld warten – anderen wurden Beiträge doppelt abgebucht.

Gerd Ruhland ist sauer. Seit fast zwei Monaten wartet der Berliner auf die Erstattung seiner eingereichten Arztrechnung in Höhe von rund 500 Euro. Doch von seinem Versicherer, der privaten Krankenversicherung der Allianz, kommt nichts. „Es ist niemand telefonisch erreichbar, auf Mails wird nicht reagiert, kein Hinweis, keine Entschuldigung, nichts. Auch der Versicherungsvertreter kann nicht helfen“, berichtet Ruhland, der seit mehr als 30 Jahren Kunde der Allianz ist. Ähnlich geht es derzeit Tausenden weiteren Kunden. Denn Deutschlands größter Versicherungskonzern hat für die privat Krankenversicherten gerade die Software umgestellt – und kriegt die Probleme mit dem neuen IT-System nicht in den Griff.

Von den 640 000 Kunden in der Vollversicherung und weiteren 2,3 Millionen mit einer Zusatzversicherung seien rund 50 Prozent betroffen, bestätigt Franz Billinger, Sprecher der Sparte Kranken- und Lebensversicherung. 50 Prozent erhielten ihre Erstattung dagegen wie gewohnt binnen einer Woche. Bei der anderen Hälfte sei es seit dem Beginn der Umstellung im Sommer zu Verzögerungen gekommen. Der Konzern habe jedoch inzwischen Gegenmaßnahmen ergriffen: So habe man ein externes Callcenter engagiert, zudem 200 Mitarbeiter aus anderen Konzernsparten zur Beschleunigung der Bearbeitungszeiten zur privaten Krankenversicherung umgelenkt.

Härtefälle werden zuerst bearbeitet

Außerdem sei man dabei, Härtefälle bevorzugt zu berücksichtigen. Dazu will die Allianz nun „im System Kunden mit hohen Rechnungen ab mehreren Hundert Euro und Versicherte identifizieren, die Krankentagegeld als Einkommensersatz erhalten“, sagt Billinger dazu. „Deren Anliegen werden vorgezogen.“ Wer dagegen zum Beispiel „nur das Schmerzmittel Ibuprofen einreicht“, werde unter Umständen noch warten müssen, kündigt der Allianz-Sprecher an.

Vor allem auch in den Internet-Foren ist der Ärger über die Allianz groß. „Ich warte seit 3. November darauf, dass sich jemand meldet“, schreibt ein Kunde im Forum der Allianz. Am 23. November habe er nachgehakt, eine Bearbeitung seiner Kostenerstattung wurde zugesichert. Doch bis jetzt sei nichts geschehen. Ob er nun seine eigene Zahlungsmoral an jene der Allianz anpassen solle, fragt der erboste Kunde. Andere mahnen fast schon verzweifelt, sie hätten nun zum dritten Mal ihre Rechnungen eingereicht, weil die angeblich im neuen System der Allianz verschwunden seien. Doch eine Resonanz habe es nicht gegeben. Stets antworteten „Chantal“ oder „Marina“ von „Allianz hilft“ im Forum und versprächen eine schnelle Abwicklung. Doch es passiere schlicht nichts.

Es häufen sich auch Klagen, wonach die Allianz Prämien doppelt abgebucht hat – einmal unter der alten Vertragsnummer und ein zweites Mal unter der neuen, die seit der Umstellung der Software an die Kunden vergeben wurde.

Jobs werden abgebaut

Warum die Umstellung von der Software „K 2“ auf das konzerneigene System „ABS“ derart massive Probleme bereitet, kann die Allianz nicht genau sagen. Die Sachbearbeiter hätten im Zuge der Umstellung „nicht so schnell arbeiten können wie gewohnt“, heißt es. Dennoch sei der Software-Wechsel richtig und wichtig, betont Billinger, denn nach Lösung der Probleme werde er „die Bearbeitungszeiten erheblich verkürzen“. Zu welchem Zeitpunkt die Kunden mit einer vollständigen Lösung des Service-Chaos rechnen können, ist unklar. Konzernsprecher Billinger meint, im ersten Quartal 2018 sei „mit einer deutlichen Verbesserung zu rechnen“. Einige Kunden müssen also wohl weitere Monate warten, bis sie an ihr Geld kommen.

Die Umstellung ist Teil der Digitalisierungs-Bemühungen des Dax-Konzerns. Allerdings hatte die Allianz im Sommer auch angekündigt, dass man sich von jedem siebten Mitarbeiter der IT-Sparte, die unter dem Namen Allianz Technology firmiert, trennen wolle. Die Konzerntochter muss demnach bis Jahresende 300 von 2000 Beschäftigte abbauen, vor allem in Deutschland. Zudem will die Allianz in den kommenden drei Jahren insgesamt 700 Beschäftigte der Sparte „Schaden/Betrieb“ einsparen.

Verbraucherschützer raten zur Beschwerde

Juristen und Verbraucherschützer weisen darauf hin, dass der Kunde nicht machtlos ist. Erstattet der Versicherer stark verzögert, könne der Versicherte zunächst per Einschreiben die Zahlung anmahnen und dabei eine konkrete Frist setzen. Zusätzlich helfe auch oft eine Beschwerde beim Ombudsmann oder ein Brief an die Finanzaufsicht Bafin. Einige Gerichte haben Versicherer bei sehr schleppender Regulierung von Versicherungsfällen auch schon zur Zahlung von Schmerzensgeld und Verzugskosten verurteilt.

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