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Beschädigte Ware: Nicht nur die Kernmarke VW, auch Audi ist in den Dieselskandal verwickelt.

© Julian Stratenschulte/dpa

Volkswagen und die Abgasaffäre: Ist Audi-Chef Rupert Stadler noch zu halten?

Die Konzerntochter Audi hat große Dieselmotoren manipuliert und muss dafür in den USA zahlen. Die Kritik an Audi-Chef Stadler wächst.

Der Betriebswirt Rupert Stadler begann seine Karriere 1990 im Controlling von Audi. Er muss dem damaligen Audi-Vorstandsvorsitzenden Ferdinand Piëch aufgefallen sein, denn der holt Stadler 1997 – Piëch ist inzwischen VW-Vorstandschef – als „Leiter des Generalsekretariats beim Vorstandsvorsitzenden“ nach Wolfsburg. Stadlers Karriere kommt in Schwung. 2002 übernimmt Stadler die Konzernplanung, 2003 wird er Audi-Finanzvorstand und 2007 schließlich Vorstandsvorsitzender, nachdem Martin Winterkorn auf dem Wolfsburger Chefstuhl Platz genommen hatte. Seit zehn Jahren ist Stadler an der Audi-Spitze. Nun könnte es aber eng werden für den 53-Jährigen.

Wie teuer wird Dieselgate für Audi?

„Wir bewerten anhand der Gerichtsunterlagen, was wir mit dem Jahresabschluss noch zurückstellen müssen“, heißt es bei Audi. Es geht um Dieselgate, um den größten Skandal in der Unternehmensgeschichte und um die Folgen fataler Fehlentscheidungen an der Audi-Spitze. Bislang hat die VW-Tochter 980 Millionen Euro für den Betrug veranschlagt, aber das wird nicht reichen. In rund vier Wochen legt der Ingolstädter Autobauer seine Geschäftszahlen für 2016 vor – und veröffentlicht die Summe der Rückstellungen, die für Reparatur oder Rückkauf von mehr als 80.000 Autos in den USA gebraucht werden, bei denen Abgaswerte manipuliert wurden. Zwei Milliarden Euro werden befürchtet. Und zwar auch deshalb so viel, weil Stadler gegenüber den US-Behörden nicht alles so offengelegt hat, wie man sich das bei einem reuigen Sünder vorstellt. Manfred Döss, Leiter der VW-Rechtsabteilung und an den Verhandlungen mit den US-Behörden in den vergangenen Monaten beteiligt, soll auf die Frage eines Aufsichtsrats, warum der Konzern so viel zahlen muss, geantwortet haben: „Weil wir so lange gelogen haben.“

Seit zehn Jahren an der Spitze: Rupert Stadler ist Vorstandsvorsitzender der Audi AG.
Seit zehn Jahren an der Spitze: Rupert Stadler ist Vorstandsvorsitzender der Audi AG.

© Sebastian Gollnow/picture alliance / dpa

Die Lügengeschichte von Audi beginnt 2014. Rekonstruieren lässt sie sich anhand des „Statement of Facts“, das VW beim US-Justizministerium abgeben musste. Unter der Zwischenzeile „Die Verdeckung der Defeat Devices in den Vereinigten Staaten – Drei Liter“ widmet sich das „Statement“ auch der VW-Tochter Audi respektive den von Audi manipulierten Drei-Liter-Dieselmotoren. Das Statement ist Teil des rund 20 Milliarden Euro teuren Vergleichs, den VW mit den US-Behörden in der „Dieselthematik“, wie die Affäre bei VW heißt, geschlossen hat. Der Bericht zeichnet die Vorgänge von ersten merkwürdigen Abgasmessergebnissen im März 2014 in den USA bis zu den „Geständnissen“ der VW-Führung im September 2015 nach. Und es klingt durch, wie empört die Amerikaner über den langen Zeitraum der Leugnung und Vertuschung sind. Gerade auch, was die großen, von Audi entwickelten Drei-Liter-Motoren betrifft.

Um das 35-Fache über der US-Norm

So genehmigte die kalifornische Umweltbehörde Carb den Verkauf der betreffenden Autos „basierend auf den von den Vertretern der Audi AG getätigten Falschaussagen und Auslassungen“ hinsichtlich einer Abgasabschalteinrichtung (Defeat Device). Die in den USA als „Clean Diesel“ beworbenen Fahrzeuge waren so manipuliert, dass die im normalen Straßenverkehr emittierten Stickoxide „teilweise um das 35-Fache über den US-Normen lagen“. Weil sich die Amerikaner belogen und betrogen fühlten, wurde der Vergleich so extrem teuer. Im Falle Audis respektive der Drei-Liter-Motoren ist das besonders erstaunlich. Seit Anfang September 2015 war klar und von VW zugegeben, dass die Zwei-Liter-Motoren mit einem Defeat Device ausgerüstet waren. Aber was war mit den großen Motoren?
„Um die US-Abgastests zu bestehen, entwickelten und installierten die Audi-Ingenieure eine Software zur Umgehung der US-Abgasnormen“, heißt es im Statement. Die Ingenieure „kalibrierten ein Defeat Device, welches die Einspritzmenge einer aus Harnstoff und Wasser bestehenden Lösung („AdBlue“) in das Abgassystem variierte, je nachdem, ob das Fahrzeug gerade getestet wurde oder nicht, wobei die NOx (Stickoxide)-Reduktion unter normalen Fahrbedingungen geringer ausfiel“.
Im Ergebnis verbrauchte das Auto weniger AdBlue, „womit eine entsprechende Vergrößerung des AdBlue Tanks des Fahrzeugs vermieden werden konnte“. Ein größerer Tank hätte Platz und Geld gekostet. Dann doch lieber mit deutscher Ingenieurskunst tricksen und die Umwelt verpesten. Anfang November 2015 war die US-Umweltschutzbehörde EPA sicher, dass auch die Drei-Liter-Autos von VW und den VW-Töchtern Audi und Porsche manipuliert worden waren und erließ eine „Notice of Violation“ an die drei Unternehmen. Zeitgleich teilte VW mit, „in den Drei-Liter-V6-Diesel-Aggregaten ist keine Software installiert worden, um das Emissionsverhalten unrechtmäßig zu verändern“. Erst gut zwei Wochen später, am 19. November, gaben Audi-Vertreter „auf Anfragen von EPA“ zu, dass auch die großen Motoren manipuliert waren. Die Aufklärung schleppte sich dann bis zum 19. Juli 2016, als Audi-Vertreter in einer Präsentation vor der kalifornischen Carb erklärten, „dass Elemente in zwei ihrer bisher nicht offengelegten AECDs unter die Definition eines Defeat Device fallen“. AECD ist die Abkürzung für Auxiliary Emission Control Device, also eine Abgaskontrollvorrichtung. Von den 570.000 zwischen 2009 und 2015 verkauften „streitgegenständlichen Fahrzeugen“ in den USA sind rund 83.000 mit einem Drei-Liter-Motor ausgestattet. Sie könnten zum größten Problem in der bislang makellosen Karriere von Audi-Chef Rupert Stadler werden.
Mitglieder im Audi-Aufsichtsrat erwarten auf der nächsten Sitzung Ende Februar detaillierte Auskünfte von Stadler und der US-Kanzlei Jones Day, die im Auftrag von VW den Skandal seit fast anderthalb Jahren aufzuklären versucht. Auf der Arbeitnehmerbank heißt es, man werde Stadler andernfalls die Entlastung verweigern.

VW-Konzernchef Matthias Müller ist Aufsichtsratsvorsitzender von Audi. Als große Aufklärer haben sich die Aufseher bisher nicht hervorgetan.
VW-Konzernchef Matthias Müller ist Aufsichtsratsvorsitzender von Audi. Als große Aufklärer haben sich die Aufseher bisher nicht hervorgetan.

© Andreas Gebert/picture alliance / dpa

Auf der Arbeitgeberbank sitzen viele Bekannte aus Wolfsburg: VW-Vorstandschef Matthias Müller führt den Audi-Aufsichtsrat, dem unter anderem Hans Dieter Pötsch (VW-Aufsichtsratschef) und die VW-Großaktionäre Hans Michel Piëch und Wolfgang Porsche angehören. Als große Aufklärer sind sie alle bislang nicht aufgefallen. Und da eine Krähe der anderen kein Auge aushackt, darf Stadler womöglich Audi-Chef bleiben.

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