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Zu nahrhaft. Fertiglebensmittel enthalten häufig viel Zucker, Fett oder Salz. Das will Deutschlands Ernährungsminister ändern.

© picture alliance / dpa

Tiefkühlpizza, Softdrinks, Tütensuppe: Fertiggerichte sollen gesünder werden

Zucker, Salz und Fett: Davon steckt in vielen Fertiggerichten viel zu viel. Die Politik will das ändern und die Hersteller notfalls dazu zwingen, ihre Rezepturen zu ändern.

Was haben Ravioli aus der Dose, Tiefkühlpizza, Tütensuppe, Fertig-Lasagne und viele Soft-Getränke gemeinsam? Alle sind innerhalb kurzer Zeit bereit zum Verzehr – und enthalten in der Regel mehr Zucker, Salz oder Fett, als der Gesundheit des Verbrauchers zuträglich ist. Laut der Welternährungsorganisation WHO verursacht der übermäßige Konsum der Stoffe nicht nur eine Vielzahl an Zahnschäden und Krankheiten wie Übergewicht, Herz-Kreislauf-Beschwerden oder Diabetes, sondern kostet Volkswirtschaften rund um den Globus Milliarden.

Eine durchschnittliche Tiefkühlpizza aus dem Supermarkt (26 Zentimeter Durchmesser, 350 Gramm) beispielsweise enthält zwischen fünf und sechs Gramm Salz. Wer sie verzehrt, erreicht mit einer einzigen Mahlzeit die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfohlene Tagesration. Auch Coca Cola hat es in sich: Ein einziges Glas der Klassikvariante der weltweit meistverkauften Brause beinhaltet nach Angaben des Konzerns etwa 25 Gramm zugesetzten Zucker. Die Menge entspricht exakt dem Wert, den die WHO Verbrauchern als Obergrenze für die tägliche Nahrungszufuhr nahelegt.

Hersteller sollen ihre Rezepturen anpassen

Deutschlands Ernährungsminister Christian Schmidt (CSU) hat ungesunden Zusätzen im Essen den Kampf angesagt. Er will die Hersteller von Fertignahrung dazu bringen, in Zukunft weniger Salz, Zucker und Fett in ihren Produkten zu verwenden – und ihre Rezepturen schrittweise gesünder machen. Dafür sollen zunächst die Erzeuger von gesüßten Erfrischungsgetränken, Brot und Brötchen, Frühstückscerealien, Joghurt- und Quarkzubereitungen sowie Tiefkühlpizza bis Mitte 2018 eine Selbstverpflichtung über die Reduktion der Stoffe unterzeichnen; zu einem späteren Zeitpunkt könnten weitere dazukommen. Zudem will Schmidt Verpackungs- und Verkaufseinheiten verkleinern und Werbung für Lebensmittel mit einem besonders hohen Zucker-, Salz- oder Fettgehalt einschränken. Sollten allerdings zu wenige Hersteller mitmachen, will Schmidt nachsteuern – und die Erzeuger per Gesetz verpflichten.

Zumindest bei den großen Herstellern von Fertignahrungsmitteln sieht man Schmidts Plänen gelassen entgegen. Global agierende Konzerne wie Unilever, Nestlé oder Coca Cola überarbeiten schon seit Jahren ihre Rezepturen und bringen neue Produkte mit reduziertem Salz-, Fett- oder Zuckergehalt auf den Markt. Der Konsumgüterkonzern Unilever beispielsweise, der unter anderem für Marken wie „Knorr“, „Pfanni“ oder „Lätta“ bekannt ist, hat seit 2010 mehr als 400 seiner über 1000 Lebensmittelrezepturen für Tütensuppen, Eisteepulver, Bouillons, Speiseeis und im Rahmen eines umfassenden Nachhaltigkeitsprogramms umgestellt, weitere sollen bis 2020 folgen.

Geschmacksträger wie Zucker oder Fett müssen ersetzt werden

Unilever-Eis für Kinder etwa enthält seit einigen Jahren nur noch 110 Kilokalorien pro Portion – maximal 20 Gramm Zucker pro 100 Gramm. Zudem werden sämtliche Nahrungsmittel des Konzerns mittlerweile ohne Transfette hergestellt. Ihr übermäßiger Konsum begünstigt laut Studien Übergewicht und erhöht das Risiko von Herzinfarkten. „Wir haben eine Verantwortung gegenüber dem Konsumenten und wollen den Menschen helfen, ihren Alltag gesünder zu gestalten“, sagt Unilever-Sprecher Konstantin Bark mit Blick auf das Reformulierungsprogramm in seinem Unternehmen. Es ist ein aufwendiger Prozess, der pro Produkt in der Regel bis zu einem Jahr dauert. Das liegt zum einen daran, dass Zucker und Fett Geschmacksträger sind. Reduziert man sie oder lässt sie komplett weg, müssen andere Zutaten hinzugefügt werden, um die geschmackliche Lücke zu kompensieren. „Der Geschmack ist für den Kunden am wichtigsten“, sagt Bark. Manche Inhaltsstoffe hätten außerdem eine technische Funktion beim Herstellungsprozess – etwa, wenn es ums Mischen mehrerer Inhaltsstoffe oder die Haltbarkeit gehe.

Bei Coca Cola experimentiert man seit einigen Jahren vor allem mit neuen, zuckerreduzierten oder zuckerfreien Rezepturen für Softgetränke. Was kaum einer weiß: Das Unternehmen verkauft hierzulande schon seit Langem nicht mehr ausschließlich süße Brausen wie „Coke“, „Mezzomix“ oder „Sprite“, sondern handelt mittlerweile auch mit Saftschorlen, Biolimonade und Wasser.

Kleine Unternehmen tun sich mit den Vorgaben schwer

Für kleine und mittelständische Produzenten und damit das Gros der hiesigen Nahrungsmittelindustrie könnten Christian Schmidts Pläne indes zum Problem werden. Die meisten von ihnen verfügten im Gegensatz zu den Großkonzernen nur über eine kleine Produktpalette mit wenigen Marken, deren Rezepturen den Unternehmenswert definierten, argumentiert der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL), der Spitzenverband der deutschen Lebensmittelwirtschaft. „Nach den Kleinen fragt keiner“, kritisiert BLL-Hauptgeschäftsführer Christoph Minhoff. Schmidts Vorstoß stünde nicht nur der unternehmerischen Freiheit entgegen. „Was der Minister vorhat, ist reine Symbolpolitik“, sagt Minhoff. „Seine Pläne lösen faktisch die Produktvielfalt und den Markt in Deutschland auf.“

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