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Tag der deutschen Industrie: Immer wieder Trump

Weder BDI-Präsident Kempf noch die Kanzlerin und der Kandidat kommen am US-Präsidenten vorbei. Weil Trump das deutsche Exportmodell gefährdet.

Ein Blick in die Vergangenheit erleichtert bisweilen die Orientierung in der Gegenwart. Und er relativiert die aktuellen Lasten und Mühen und macht vielleicht auch Mut. Es fiel jedenfalls auf, wie Industriepräsident Dieter Kempf und Bundeskanzlerin Angela Merkel am Dienstagvormittag im Konzerthaus am Gendarmenmarkt an dessen Entstehung erinnerten und so einen Bogen spannten in die bedrohliche Gegenwart. US-Präsident Donald Trump war das große Thema beim Tag der Industrie.

BDI: Berechenbarkeit war gestern

„Ein jeder sinnt, was künftig werden wird“, erinnerte Kempf an Goethes Iphigenie auf Tauris, mit der 1821 die großartige Bühne eingeweiht worden war. Und so gehe es ihm jetzt, bekannte Kempf, der im vergangenen Jahr zum Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) gewählt worden war. Der Wandel sei „rasanter denn je, Dynamik und Unsicherheit werden immer größer“. Auslöser der Verunsicherung ist Trump, der „die tragenden Säulen der liberalen globalen Ordnung und des transatlantischen Verhältnisses immer wieder infrage stellt“. Wie sehr der Dealmaker im Weißen Haus die deutsche Industrie- Elite bedrückt, wurde hörbar, als die 1500 Gäste im Konzerthaus kräftig und trotzig applaudierten, als Kempf die Bedeutung der transatlantischen Partnerschaft betonte: „Dafür gibt es keinen Ersatz.“ Die Botschaft des BDI-Chefs: Es gibt eine Zeit nach Trump. Bis dahin sind jedoch die Bedingungen schwierig für die Wirtschaft, die Verlässlichkeit so schätzt wie niedrige Steuern. „Berechenbarkeit war gestern“, klagte Kempf über Trump.

Schulz muss keine Rücksicht nehmen

So unverblümt kann und will die Bundeskanzlerin nicht reden. Doch Merkel erinnerte an das aufziehende Zeitalter von Industrialisierung und Liberalisierung, damals, als „das königliche Schauspielhaus, das für Wohlklang und Harmonie steht“ eröffnet wurde. Und sie erwähnte David Ricardo, dessen Theorie der komparativen Kostenvorteile eine Grundlage für die internationale Arbeitsteilung, für Warenaustausch und freien Handel gelegt hatte. Nun, im Sommer 2017, sieht Merkel „Denkmuster, die wir für überwunden hielten“, und die nur den „kurzfristigen eigenen Vorteil“ zum Ziel hätten. Den Namen von Trump, dem Lord Voldemort des Welthandels, nannte Merkel nicht. In ein paar Wochen in Hamburg muss die Gastgeberin des G-20-Gipfels noch Deals mit ihm machen.

Martin Schulz kann freier reden. „Wir haben gesehen, dass die USA einen energiepolitischen Kurs einschlagen, der gefährlich ist und der sich gegen Deutschland richtet“, sagte Schulz vor den Industrievertretern. Der US-Senat hat neue Sanktionen gegen Russland beschlossen, die sich auch gegen europäische Firmen richten können, die mit Russland etwa beim Bau neuer Gas-Pipelines zusammenarbeiten. „Unsere Energieversorgung hängt auch von einer konstruktiven Kooperation mit Russland ab“, sagte der SPD-Chef und Kanzlerkandidat und ermunterte gleichzeitig Merkel, beim G-20-Gipfel die Gelegenheit wahrzunehmen und „Herrn Trump die entsprechende Botschaft zu übermitteln“.

Digitalisierung ist das Megathema

Der Kandidat und die Kanzlerin äußerten sich natürlich auch zum Thema Digitalisierung. „Solange wir in Deutschland beim Ausbau des schnellen Internets nicht vorankommen, bleibt Digitalisierung eine akademische Debatte“, sagte Schulz und bekräftigte das Vorhaben der SPD, bis 2021 30 Milliarden Euro in Forschung, Infrastruktur und Entwicklung zu investieren. Andernfalls werde die deutsche Industrie zurückfallen.

Durch die staatliche Förderung für die Mikroelektronik sei die gerade eben beschlossene Milliardeninvestition von Bosch in Dresden erst ermöglicht worden, verteidigte Merkel ihre „digitale Agenda“. Allerdings „habe ich eine gewisse Unruhe in mir“, was den Vorsprung anderer auf den Plattformen für Konsumenten angehen. Merkel erinnerte in dem Zusammenhang an den Onlinehändler Amazon, der gerade eine große US-Lebensmittelkette gekauft hatte und so die virtuelle Wirtschaft mit der realen Wirtschaft verbinde. Sie appellierte an die Industrie, „groß zu denken“, und zum Beispiel eine einheitliche Plattform für Mobilität anzustreben.

Der Strom ist der Industrie zu teuer

Für BDI-Präsident Kempf sind Digitalisierung, Energie und Steuern die drei Schlüsselthemen der Wirtschaftspolitik. Er plädierte für das Auslaufen des Soli ab 2018, wie das auch die CSU gerne hätte, bekräftigte die Uraltforderung nach einer steuerlichen Forschungsförderung, um die seit Jahren mickrigen Investitionen hierzulande in Gang zu bringen. „Die Kosten müssen runter“, sagte Kempf über den Strompreis und die Energiewende. Er warnte vor einer Erhöhung der CO2-Reduktionsziele, „um damit den quasi nicht mehr mitspielenden Partner ersetzen zu wollen“. Die Kosten der Erneuerbaren Energien lägen inzwischen bei 24 Milliarden Euro. „Ein Weitermachen wie bisher ist schädlich.“

Auch Kempf, der einige Jahre Präsident des Branchenverbandes Bitkom war, liegt die Digitalisierung besonders am Herzen, vor allem der Ausbau der Breitbandinfrastruktur. Bei der Internetgeschwindigkeit liege die Bundesrepublik in Europa auf Platz 15 von 31 Ländern. „Die Lage ist besorgniserregend“, sagte Kempf. Es sei wissenschaftlich belegt, dass durch die digitale Transformation die industrielle Wertschöpfung in Europa bis 2025 um 1,25 Billionen Euro wachsen könne – wenn endlich die Weichen gestellt würden. mit rtr

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