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An der Strombörse sind die Preise in den vergangenen Tagen stark gestiegen. Das ist aber die Ausnahme.

© Julian Stratenschulte/picture alliance / dpa

Exklusiv

Strompreise an der Börse: Die Preise sind spitze

Mehr als 200 Euro kostete die Megawattstunde an der Strombörse in dieser Woche zeitweise. So teuer war er mehr als sechs Jahre nicht mehr, weil es kalt ist und Sonne und Wind kaum Strom liefern.

So teuer war Strom in den vergangenen sechs Jahren noch nie. Am Mittwoch lagen die Strompreise für die Marktgebiete Deutschland und Österreich an der Börse Epex 18 Stunden lang oberhalb von 100 Euro pro Megawattstunde. In zwei Stunden übersprangen sie er sogar die 200-Euro-Schwelle. Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) sieht sich angesichts dieser Preisspitzen in seiner Strommarktstrategie bestätigt.

Seit Strom aus erneuerbaren Energien quasi zum Nulltarif an die Börse kommt, sinken die Preise an der Strombörse. Sonne und Wind kosten die Betreiber der Anlagen nichts, Gas und Kohle dagegen müssen bezahlt werden, um sie zu verbrennen. Konventionell erzeugter Strom wird also an der Börse verdrängt. Da im Winter erneuerbare Energien – wie gerade jetzt – kaum zur Verfügung stehen, kommen dann Gas- oder Kohlekraftwerke zum Zug. Damit sie diese Kraftwerke betriebsbereit halten, hätten Energiekonzerne wie Uniper gerne Kapazitätszahlungen für die Zeit, in denen die Kraftwerke stillstehen. Uniper ist aus Eon hervorgegangen und betreibt die fossilen Kraftwerke des Unternehmens weiter.

Negative Preise sind häufiger als solche oberhalb von 100 Euro

Seit dem 16. Januar sind die Strompreise über längere Zeiträume als je zuvor seit Januar 2011 auf Werte oberhalb von 100 Euro pro Megawattstunde gestiegen. Dass mehr als 200 Euro gezahlt werden mussten, ist extrem selten passiert. Am vergangenen Montag stieg der Preis zwischen acht und zehn Uhr morgens über 200 Euro an. Das war zuvor zuletzt am 8. Februar 2012 zwischen 19 und 20 Uhr passiert. Das ergibt eine Tagesspiegel-Auswertung der Stundenpreise der Strombörse Epex vom 1. Januar 2011 bis zum 25. Januar 2017. An jenem 8. Februar 2012 waren zwölf Stunden der längste Zeitraum mit Preisen oberhalb von 100 Euro. Damals gab es Befürchtungen, die Versorgung könnte nicht sichergestellt werden.

Stunden mit negativen Preisen, in denen die Erzeuger dafür zahlen müssen, dass ihnen der Strom abgenommen wird, sind im untersuchten Zeitraum um ein Vielfaches häufiger als Stunden mit Preisen oberhalb von 100 Euro. Am 24. Dezember 2012 lag der negative Preis sogar sechs Stunden lang nahe 200 Euro oder darüber. Zuletzt waren die Preise am 27. Dezember 2016 ins Minus gerutscht, sieben Stunden lang.

Es wird weiter über Kapazitätsmärkte debattiert

Als die Debatte über Kapazitätsmärkte oder eine Reform des Strommarktes geführt wurde, hatte das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) bei einem durchschnittlichen Strompreis von 35 Euro pro Megawattstunde eine ziemlich schwache Position. Rainer Baake (Grüne), Energiestaatssekretär im Wirtschaftsministerium, war trotzdem nicht überzeugt davon, dass die Bereitstellung von Stromerzeugungsleistung mit Kapazitätszahlungen angereizt werden müsste. Er argumentierte, dass die Preissignale am Strommarkt als Anreiz zur Errichtung von Backup-Kraftwerken ausreichen würden, wenn nicht eingegriffen werde.

„Was wir jetzt sehen, bestätigt unsere Entscheidung für einen weiterentwickelten Strommarkt“, sagte eine BMWi-Sprecherin dem Tagesspiegel. Es entspreche den Regeln von Angebot und Nachfrage, dass eine hohe Nachfrage sowie ein vermindertes Angebot zu höheren Preisen führe, sagte sie. Die Nachfrage ist hoch wegen der Kälte und des hohen Strombedarfs in Frankreich. Dort wird viel mit Strom geheizt und mehrere Atomkraftwerke sind aus Sicherheitsgründen nicht am Netz. Zugleich weht derzeit wenig Wind und die Sonne durchbricht die Wolken kaum, deshalb ist das Angebot klein. „Genau das ist die Aufgabe der Reformen zum Strommarkt 2.0: Der Strompreis soll verlässlich Knappheit anzeigen“, sagte sie weiter. Das Umweltministerium in Stuttgart schweigt sich zu den Stromspitzen aus. Franz Untersteller (Grüne) hatte vehement für einen Kapazitätsmarkt plädiert, wenn 2022 die letzten Atomkraftwerke im Süden vom Netz gehen.

Tatsächlich dürften zwei Wochen mit hohen Preisen noch kein Investitionsanreiz sein. Zuvor waren die Strompreise drei Jahre lang nie über 100 Euro pro Megawattstunde gestiegen. Die Diskussion über Zahlungen für Kraftwerkskapazitäten dürfte aber weitergehen. Im „Winterpaket“ der Europäischen Kommission sind Empfehlungen enthalten, wie regionale Kapazitätsmärkte aussehen könnten. Die Lehre aus dem seit 2016 in Frankreich eingeführten Kapazitätsmarkt ist, dass er auch in Deutschland Preisspitzen eher kappt. Das hat eine Untersuchung des Thinktanks Agora Energiewende im vergangenen Jahr ergeben.

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