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Spaß statt Sparen. Die meisten jungen Erwachsenen gehen ziemlich unbekümmert durchs Leben und legen deshalb zu wenig für das Alter zurück.

© picture alliance / dpa

Spaß statt Sparen: Die Generation Altersarmut

Junge Menschen legen zu wenig für das Alter zurück. Dabei weiß die Mehrheit, dass sie privat vorsorgen muss. Experten sehen fehlendes Wissen über Riester & Co. als Grund für die Zurückhaltung.

Von Carla Neuhaus

Berlin - Junge Erwachsene legen zu wenig Geld fürs Alter zurück. Nur 38 Prozent der 17- bis 27-Jährigen sparen regelmäßig für die Zeit als Rentner. Das geht aus einer aktuellen Studie des Versorgungswerks Metallrente hervor. „Aus der Generation Praktikum droht die Generation Altersarmut zu werden“, sagt Studienautor Klaus Hurrelmann. Der Jugendforscher der Hertie School of Governance hat im Auftrag des Versorgungswerks 2500 Jugendliche und junge Erwachsene befragt. Seine Schlussfolgerung: „Die Jugendlichen fühlen sich bei dieser elementaren Frage der Zukunftssicherheit überfordert.“ 

Aufgrund der demografischen Entwicklung wird der Anteil der Rentner an der Bevölkerung in den kommenden Jahrzehnten stark steigen. Nach Berechnungen der Bertelsmann Stiftung werden 2060 bereits 63 Prozent der Deutschen über 65 Jahre alt sein; heute sind es 30 Prozent. Für das Rentensystem ist das ein Problem, denn es ist über das sogenannte Umlageverfahren organisiert. Das heißt, die heutigen Arbeitnehmer zahlen für die heutigen Rentner. Weil jedoch der Anteil der Rentner steigt und der der Arbeitnehmer sinkt, geht diese Rechnung immer weniger auf. Seit Jahren propagiert die Politik deshalb private Vorsorge.

Doch die jungen Menschen, die gerade ins Arbeitsleben starten, tun das kaum. „Damit läuft die Mehrheit von ihnen Gefahr, im Alter arm zu sein“, sagt Jugendforscher Hurrelmann. „Wenn die heute 17- bis 27-Jährigen einmal in  Rente gehen, wird ihnen nach derzeitigem Stand die gesetzliche Rentenversicherung nur noch 43 Prozent ihres vorherigen Bruttoeinkommens zahlen. Und das auch nur, wenn mindestens vierzig Jahre lang in die Rentenkasse eingezahlt haben. „Das dürfte nach menschlichem Ermessen nicht ausreichen, um einen Mindestlebensstandard zu sichern“, heißt es in der Studie. Das Paradoxe: Der Mehrheit der 17- bis 27-Jährigen ist durchaus bewusst, dass sie privat vorsorgen müssen. Doch die Jugendlichen wissen nicht wie. „Sie sind unsicher, wie sie in Zeiten der Finanz- und Euro-Krise und unberechenbaren Zukunftschancen ihre Alterssicherung bewerkstelligen können“, erklärt Hurrelmann. So stimmen 63 Prozent der jungen Erwachsenen der Aussage zu „Man weiß inzwischen nicht mehr, wem man in Fragen wie der Altersvorsorge vertrauen kann“. Zudem fehlt vielen jungen Erwachsenen schlichtweg das nötige Wissen. Die Wenigsten können zum Beispiel mit dem Begriff der Riester-Rente etwas anfangen. Unter den 17- bis 20-Jährigen gelingt es lediglich 25 Prozent zu erklären, was es mit der staatlich geförderten Altersvorsorge auf sich hat. Schuld ist daran auch die Schule, sagt Hurrelmann. „Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen müssen besser aufgeklärt werden.“ Wirtschaft müsste Pflichtfach werden.

Um die private Vorsorge für die Jugendlichen und jungen Erwachsenen attraktiver zu machen, müsse man sie einfacher gestalten, meint Wolfgang Strengmann- Kuhn, rentenpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag. „Die Riester-Rente ist zu undurchschaubar.“ Er schlägt deshalb vor, dass der Staat selbst ein Basis-Riesterprodukt anbietet. „Es ist für Leute gedacht, die sich nicht auskennen und sich nicht lange mit verschiedenen Anbietern auseinandersetzen wollen.“ Heribert Karch, Geschäftsführer der Metallrente, fordert dagegen, vor allem die betriebliche Altersvorsorge weiter zu stärken. Gerade Mittelständler täten sich damit noch schwer. „Für sie muss die betriebliche Altersvorsorge deutlich vereinfacht werden“, fordert Karch.

Die Jugendlichen selbst wünschen sich dagegen, dass das gesetzliche Rentensystem weiter ausgebaut wird. Über 70 Prozent meinen, es gebe weniger Probleme, wenn alle Berufstätigen in die gesetzliche Rentenkasse einzahlten – also auch Selbstständige und Beamte. Damit sind sie auf Seiten der SPD, die mittelfristig die Einführung einer solchen Erwerbstätigenversicherung durchsetzen will. „Wir haben nicht mehr die starren Strukturen wie früher. Arbeitnehmer werden Selbstständige und dann wieder Arbeitnehmer“, argumentiert Anette Kramme, sozialpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion. „Deshalb muss es eine Versicherung geben, die neutral ist gegenüber der Form der Erwerbstätigkeit.“

Eine solche gesetzliche Rentenversicherung für alle lehnt die CDU allerdings ab. Aus dem Bundesarbeitsministerium heißt es auf Anfrage dazu, höheren Rentenbeiträgen stünden im Alter höhere Rentenansprüche gegenüber. „Renten sind und bleiben Spiegel der Erwerbsphase“, sagte ein Ministeriumssprecher. „Gegen Altersarmut hilft zuallererst der Dreiklang aus verlässlicher Arbeit, fairen Löhnen und zusätzlicher Vorsorge schon von Beginn des Arbeitslebens an“, sagte ein Ministeriumssprecher auf Anfrage.

Doch die Jugendlichen unterschätzen die Vorsorge fürs Alter – und blicken trotzdem oder gerade deshalb positiv in die Zukunft:  95 Prozent der 17- bis 27-Jährigen sind der Studie zufolge davon überzeugt, in zehn bis fünfzehn Jahren ein gutes Leben zu führen und Erfolg im Beruf zu haben.

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