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Geschützt: die Nürnberger Rostbratwurst.

© dpa

Schutz regionaler Produkte: Kentucky Fried Bratwurst

Wird mit TTIP der Schutz regionaler Produkte aufgeweicht? Falls Schwarzwälder Schinken, Hessischer Apfelwein und Co. bald aus den USA kommen dürfen, hätte das weitreichende Folgen. Verbraucherschützer und Landwirte sind alarmiert.

Bis zu neun Zentimeter lang ist sie, mit Schweinefleisch, Gewürzen und Senf gefüllt – und nur echt, wenn sie in der Frankenmetropole hergestellt wird: die Nürnberger Rostbratwurst. Doch nach Äußerungen von Bundesagrarminister Christian Schmidt muss nicht nur sie um ihren Status fürchten. Schmidt hatte im „Spiegel“ erklärt, dass der Schutz für Produkte, die auf der EU-Liste für regionale Spezialitäten stehen, in Teilen fallen könnte: „Wenn wir die Chancen eines freien Handels mit dem riesigen amerikanischen Markt nutzen wollen, können wir nicht mehr jede Wurst und jeden Käse als Spezialität schützen.“ Zwar versuchte das Bundeslandwirtschaftministerium am Montag zurückzurudern und Schmidts Worte wieder einzufangen. Doch schon geht das Schreckgespenst vom Schwarzwälder Schinken aus Texas, dem Hessischen Apfelwein aus Kalifornien und der Nürnberger Rostbratwurst aus Kentucky um.

Verbraucherschützer fordern mehr Transparenz

„Ein gemeinsamer Binnenmarkt erfordert keine Abschaffung des Schutzes von Herkunftsbezeichnungen, sondern ein Mehr an Orientierung“, erklärte Klaus Müller, Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen. Andernfalls werde sich die Diskussion um die Regionalität von Lebensmitteln nur verschärfen. Auch Thilo Bode, der Geschäftsführer des Verbrauchervereins Foodwatch, forderte mehr Transparenz bei regionalen Lebensmitteln. Die Organisation setzt sich seit Jahren für eine Verpflichtung der Hersteller ein, die Herkunftsländer der Hauptzutaten ihrer Produkte anzugeben. Mit regionaler Herkunft dürfe nur dann geworben werden, wenn sie durch die tatsächliche Herkunft der Zutaten gedeckt sei und die Ursprungsregion für alle Zutaten angegeben werde.

Mozarella muss nicht unbedingt aus Italien kommen

Seit 1992 werden regional und traditionell hergestellte Lebensmittel in der EU durch drei runde, gelbe Siegel geschützt, die sich auf den ersten Blick lediglich durch farbige Details und ihre Beschriftung unterscheiden. Nur das rot-gelbe Logo der „geschützten Ursprungsbezeichnung“ garantiert wirklich, dass drin ist, was drauf steht: Erzeugung, Verarbeitung und Herstellung müssen in einer Region erfolgen. So ist der Allgäuer Emmentaler ein echtes Stück Oberbayern. Anders sieht es da schon bei Spreewälder Gurken oder Nürnberger Würsten aus. Wie der Großteil der 79 registrierten deutschen Spezialitäten dürfen sie lediglich das blau-gelbe Siegel der „geschützten geografischen Angabe“ auf der Verpackung tragen. Es steht für wesentlich laschere Ansprüche an die Regionalität eines Produkts: Nur eine Produktionsstufe muss in der namensgebenden Region angesiedelt sein. Deshalb kann jeder Hersteller der fränkischen Traditionswurst selbst entscheiden, von wo er das Fleisch für sein Produkt bezieht.

Einzigartig. Deutsche Lebensmittel mit geschützter regionaler Herkunft.
Einzigartig. Deutsche Lebensmittel mit geschützter regionaler Herkunft.

© Anna Schmidt

Das „Siegel für garantiert traditionelle Spezialitäten“ ist sogar völlig losgelöst von der Herkunft der Inhaltsstoffe, sondern steht einzig für ein traditionelles Herstellungsverfahren. Deshalb muss etwa Mozzarella nicht unbedingt aus Italien kommen.

"Da stehen tausende Existenzen auf dem Spiel"

Dennoch ist die Herstellung regionaler Produkte ein wichtiger Wirtschaftszweig Deutschlands – Bayern ist ganz vorne mit dabei. „Dass dieser Vorstoß ausgerechnet von einem CSU-Politiker kommt, ist daher sehr verwunderlich“, sagt der agrarpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Friedrich Ostendorff. Er fürchtet um Arbeitsplätze. „Da stehen tausende Existenzen auf dem Spiel.“ Auch in Nordrhein-Westfalen, wo er seinen Wahlkreis hat, seien viele Menschen alarmiert. „Ein Hersteller des Westfälischen Pumpernickels war geradezu fassungslos über Schmidts Vorstoß“, erklärt er. Seine Parteikollegin Renate Künast bezeichnete die Aussage des Agrarministers als „Kniefall vor den industriellen Interessen an TTIP.“ Künast erwartet von Schmidt, so Ihre Aussage, dass er sich für Transparenz gegenüber den Verbrauchern und die wirtschaftlichen  Interessen von traditionellen Herstellern einsetzt

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Von all der Aufregung ist in Franken nicht viel zu merken. Dort gibt man sich gelassen. „Die EU-Verordnung zum Schutz etwa der Nürnberger Rostbratwürste oder des Parma-Schinkens kann nicht einfach aus der Welt geschafft werden. Ich habe Zweifel daran, dass das möglich ist“, sagte Rainer Heimler, der Vorsitzende des Schutzverbandes Nürnberger Rostbratwürste. In der Organisation ist etwa auch Uli Hoeneß’ Wurstfabrik Mitglied. „Bei dem geschützten Namen der Produkte geht es schließlich um geistiges Eigentum“, so Heimler. Sollten amerikanische Hersteller an diese Bestimmungen nicht gebunden sein, dann sei das eine massive Bevorzugung ausländischer Unternehmen. Daran glaubt Heimler aber nicht. „Es ist ja auch schwer vorstellbar, dass der Bourbon Whiskey aus Kentucky jetzt in Nürnberg gebraut wird.“

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