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Self-Service-Kassen werden zahlreicher, vor allem im Lebensmittelhandel.

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SB-Kassen nehmen zu: Wenn der Kunde selbst kassiert

Real, Kaufland, Decathlon, Ikea - immer mehr Läden setzen auf Selbstbedienkassen. Doch viele Käufer sind mit den Systemen überfordert.

Eigentlich ist Kassieren ganz einfach. Mit dem Scanner auf den Strichcode gezielt und schon sind die Kekse, die Milch und die Nudeln eingebongt. Aber dann machen die Bananen Probleme und der Wein auch. Denn die Selbstbedienkasse in der Berliner Kaufland-Filiale am Alexanderplatz kann keine Waren wiegen, also wieder zurück zur Obstabteilung. Und den Wein bekommt man nur, wenn ein Mitarbeiter bestätigt, dass man mindestens 18 Jahre alt ist.

Die Selbstzahlerkassen nehmen zu

So ganz reibungslos klappt der Versuch nicht, sein eigener Kassierer zu sein. Dennoch setzt der Handel jetzt verstärkt auf Selbstbedienung – nicht nur beim Einkaufen, sondern auch beim anschließenden Kassieren. 488 Märkte haben bereits Selbstzahlerkassen, sogenannte Self-Checkout-Systeme. Das sind 65 Prozent mehr als vor zwei Jahren, hat eine Untersuchung des EHI Retail Instituts, des Forschungsinstituts des deutschen Einzelhandels, ergeben. Das Prinzip: Der Kunde geht nicht mehr zur Kassiererin, sondern scannt seine Einkäufe an einer SB-Kasse selbst ein und bezahlt anschließend.

Die ersten: Real war 2003 die erste Supermarktkette, die Self-Checkout-Systeme eingeführt hat.
Die ersten: Real war 2003 die erste Supermarktkette, die Self-Checkout-Systeme eingeführt hat.

© obs

Vor allem Lebensmittelhändler setzen auf Selbstbedienung

Beliebt ist das System vor allem im Lebensmittelhandel. Von den gut 3000 Selbstzahlerkassen, die es derzeit in Deutschland gibt, steht fast die Hälfte in Supermärkten wie Real, Kaufland, Edeka oder Rewe. Weil die Kunden ihre Lebensmittel gern bar bezahlen, akzeptieren die Geräte dort auch Scheine und Münzen. Anders als Ikea oder der Sportartikelhersteller Decathlon. Sie bestehen auf Kartenzahlung.

Seit fast zehn Jahren setzt auch Ikea auf Selbstbedienterminals. Allerdings akzeptiert Ikea nur Karten-, keine Barzahlung.
Seit fast zehn Jahren setzt auch Ikea auf Selbstbedienterminals. Allerdings akzeptiert Ikea nur Karten-, keine Barzahlung.

© Daniel Reinhardt/dpa

Komfortabler als die SB-Kassen ist für die Verbraucher das Self-Scanning, das Kunden derzeit in 41 Geschäften testen können. Die Waren werden dabei nicht erst an der Kasse, sondern schon im Laden eingescannt. Das spart Zeit und lästiges Umpacken. Die bayerische Lebensmittelkette Feneberg, Konkurrent Tegut und die Globus SB-Warenhaus setzen solche Systeme ein.

dm testet Selbstzahlerkassen

Generell gilt: „Die Verbreitung von Selbstbedien-Systemen nimmt zu“, sagt Frank Horst vom EHI Retail Institute. Und es könnten bald noch mehr Einzelhändler mitmachen. Die Drogeriemarktkette dm testet SB-Kassen derzeit in einigen Märkten in Nordrhein-Westfalen, die Bäckereikette Kamps experimentiert am Flughafen Köln-Bonn mit einer automatisierten Filiale.

SB-Terminals sparen Platz

SB-Terminals haben für den Handel einige Vorteile. Sie sparen Platz. Statt zwei Bedien- kann man bis zu sechs SB-Kassen aufstellen. Eine Selbstzahlkasse kostet zwischen 3000 Euro und – wenn sie wiegen und Bargeld herausgeben kann – 25 000 Euro. Das ist nicht wenig, aber mit der Investition ist es dann auch erst einmal getan, anders als bei Personalkosten, die Monat für Monat anfallen. Allerdings nutzen die Händler die Selbstbediensysteme nicht, um Stellen abzubauen. Auch das hat die jüngste Umfrage der Handelsforscher ergeben.

Es geht einiges schief

Ohne fachkundige Betreuer kann man die Kunden nämlich nicht auf die Maschinen loslassen. Mal verschwindet die EC-Karte im Decathlon-Gerät, weil die Kundin vergessen hat, die passende Kartenart auszuwählen. Bei Ikea müssen Käufer zielsicher den Strichcode treffen, sonst schaltet die Maschine auf stur. Alkohol und Zigaretten rückt die Kasse ohnehin nur mit vorheriger Freigabe durch das Personal heraus.

Diebstahlschutz: Ausgang nur mit Kassenbon

Zudem droht die Gefahr, dass Kunden die Selbstbedienung zu weit treiben und Waren unbezahlt einstecken. Um das zu verhindern, sind Security-Mitarbeiter vor Ort oder in den SB-Kassen wird eine Gewichtskontrolle installiert, die Waren und Preise vergleicht. Bei Real in Berlin-Neukölln muss man seinen Kassenbon an einer Sperre scannen lassen, um den Laden verlassen zu können. In Klamottenläden und Elektronikmärkten verhindern die Sicherungsetiketten einen Diebstahl, aber auch das automatische Abkassieren. Die Elektronikkette Saturn, die vor einigen Jahren mit Express-SB-Kassen experimentiert hatte, hat diesen Versuch inzwischen wieder aufgegeben.

Nichts für volle Einkaufswagen

Self-Checkout-Kassen dienen vor allem als Service für die Kundschaft. Wer keine Lust auf Warteschlangen hat, kann sich beschäftigen, indem er Kassierer spielt. Mit einem vollen Warenkorb sollte man das aber tunlichst lassen. Weil die Kunden langsamer sind als das Kassenpersonal, spart man nämlich keine Zeit, sagt Thomas Roeb, Professor für Handelsbetriebslehre an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Die Deutschen seien ohnedies keine Fans der Selbstbedienung, meint der Wissenschaftler. „Die deutschen Verbraucher sind mit den normalen Kassen zufrieden, mit den SB-Kassen aber nicht.“ Und trotz aller Wachstumsmeldungen muss man sehen: Bei 200 000 Kassen allein im Lebensmittelhandel fallen die 1500 Selbstdienmaschinen derzeit kaum ins Gewicht.

Bedienkassen bleiben

Während in Großbritannien Self-Checkout-Kassen die Bedienkassen zunehmend verdrängen, wollen die deutschen Händler davon nichts wissen. „Rewe plant keinen flächendeckenden Rollout, sondern zukünftig nur einen punktuellen Einsatz dort, wo das Kundenverhalten und die Platzverhältnisse im Markt gegeben sind“, sagt ein Rewe-Sprecher auf Anfrage. Auch bei Kaufland ist die überwiegende Mehrheit der Filialen weiterhin mit klassischen Bedienkassen ausgestattet, heißt es auf Anfrage. Thomas Roeb ist überzeugt: „Wir werden noch in 30 Jahren mehr herkömmliche Kassen haben als Self-Scan-Kassen.“

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