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Justizminister Heiko Maas (SPD) will von seinen Beratern wissen, wie man den Verbraucherschutz in Deutschland verbessern kann.

© Stefanie Loos/REUTERS

Sachverständigenrat für Verbraucherfragen: Viel Geld für wenig Output?

Der Sachverständigenrat für Verbraucherfragen oll Bundesjustizminister Heiko Maas beraten. Doch die Ergebnisse sind bisher übersichtlich. Das soll sich jetzt ändern.

Die Wirtschaftsweisen kennt jeder. Einmal im Jahr, immer im November, legen die fünf Professoren ihr Gutachten zur wirtschaftlichen Lage vor. Die Kanzlerin ist da, das Fernsehen auch, ein wichtiger Termin im politischen Berlin.

Die Wirtschaftsweisen dürfte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) im Kopf gehabt haben, als er vor einigen Jahren sein eigenes Beratergremium berief. Doch große öffentliche Aufmerksamkeit hat sein Sachverständigenrat für Verbraucherfragen (SVR) bisher nicht auf sich ziehen können. Seit fast zweieinhalb Jahren sind die neun Experten im Amt, Spuren haben sie bislang kaum hinterlassen. Eigentlich sollte das Gremium alle zwei Jahre einen Bericht zur Lage der Verbraucher in Deutschland vorlegen, doch der wird nun erst 2018, zum Ende der Amtszeit des Rats, kommen. Statt mit dem großen Werk haben sich die Gutachter bisher lieber mit einzelnen Aspekten des digitalen Verbraucherschutzes beschäftigt.

"Ein Stachel im Politikbetrieb"

Offen kritisiert das im Ministerium niemand, immerhin hält Staatssekretär Gerd Billen, der einst den Bundesverband der Verbraucherzentralen geführt hat, seine Hand über die Gutachter. „Die dort unabhängig und kritisch agierenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler geben uns wichtige Anregungen und Anstöße für aktuelle, aber auch langfristige Entwicklungen und Themen“, sagte Billen dem Tagesspiegel. Der SVR belasse es nicht bei der bloßen Kritik, sondern zeige auch immer Lösungen auf. „Er treibt an, bringt Entscheidendes zur Sprache und ist damit ein unabdingbarer Stachel im Politikbetrieb.“ Ein Stachel dürfte das Gremium aber auch für einige im Ministeriumsbetrieb sein. Denn hinter vorgehaltener Hand gibt es viel Kritik. Die Arbeitsergebnisse seien bisher extrem mager, heißt es. Die bislang veröffentlichten Gutachten und Dokumente würden zu großen Teilen aus extern vergebenen Expertisen, Rechtsgutachten und Aufträgen bestehen. Die Kosten des Gremiums stünden in keinem Verhältnis zum Output.

Budget von 480.000 Euro im Jahr

Der SVR besteht aus Professoren, einer Verbraucherschützerin und einem Mitglied der Rewe-Geschäftsleitung. Er hat ein jährliches Budget von 480.000 Euro. Daraus werden Reise-, Gutachtenkosten, Veranstaltungen und die Aufwandsentschädigungen der Mitglieder bezahlt. Diese bekommen 15.000 Euro im Jahr, die Vorsitzende Lucia Reisch 18.000 Euro. Dazu finanziert das Ministerium eine Geschäftsstelle mit einem Referatsleiter, drei wissenschaftlichen Mitarbeitern und Bürounterstützung. Schätzungsweise dürften so weitere 250.00 Euro im Jahr hinzukommen, die im SVR- Budget nicht auftauchen.

Lucia Reisch ist Vorsitzende des Sachverständigenrats.
Lucia Reisch ist Vorsitzende des Sachverständigenrats.

© promo

Ein Teil dessen Budgets fließt in Studien. 14 waren es bislang. „Sie sind wichtig, um Spezialfragen zu klären, die in den Gutachten eine Rolle spielen“, erklärt Reisch. Auffällig ist aber, dass bei der Auftragsvergabe immer wieder Experten aus dem Umfeld einzelner Ratsmitglieder auftauchen. Etwa frühere Wegbegleiter von Hans Micklitz, der heute eine Professur für Wirtschaftsrecht in Florenz hat, oder von Andreas Oehler von der Uni Bamberg. Selbst tausende Kilometer Entfernung sind kein Hindernis, um einen Ex-Mitarbeiter von Oehler, der heute an der Uni Reykjavik lehrt, zu beschäftigen. Im Ministerium, in dem viele noch immer mit den Verbraucherschutzleuten fremdeln, kommt so etwas nicht gut an. Das liegt auch an der engen personellen Verflechtung in der Verbraucherszene. SVR-Vorsitzende Reisch ist unter anderem Mitglied des Verwaltungsrats der Stiftung Warentest. Chef dieses Gremiums ist Andreas Oehler. Im SVR arbeitete anfangs auch Helga Springeneer vom Bundesverband der Verbraucherzentralen mit, die jetzt – unter ihrem Ex-Chef Billen – im Justizministerium tätig ist.

Vetternwirtschaft? Die Chefin weist das zurück

Vetternwirtschaft? Reisch weist das zurück. „Dass frühere Mitarbeiter von Mitgliedern des Sachverständigenrats zum Zuge kommen, liegt daran, dass die Verbraucherszene in Deutschland klein ist“, sagt sie. Bei Fragen des Verbraucherrechts konzentriere sich die Expertensuche auf wenige Unis wie Kassel, Göttingen, Bremen, Bayreuth. Nach dem Vergabeverfahren erhalte der Bieter mit dem wirtschaftlichsten Angebot den Zuschlag. „Aber wir stellen sicher, dass einschlägige Wissenschaftler davon erfahren“, gibt Reisch zu. Reich werde man mit den Studien aber nicht. Sie kosten im Schnitt 17.000 Euro. Im wissenschaftlichen Betrieb sei das nicht viel. Tatsächlich relativieren sich die Zahlen, wenn man sich die Ausgaben für die Wirtschaftsweisen ansieht. Einschließlich der Personalmittel stehen dafür 2017 rund 2,3 Millionen Euro zur Verfügung. Das Gremium kann auf einen wissenschaftlichen Stab von elf Mitarbeitern zurückgreifen. Im SVR sind es nur drei wissenschaftliche Mitarbeiter, deren Stellen zudem befristet sind. „Kaum sind die Mitarbeiter eingearbeitet, müssen sie schon wieder gehen“, sagt Ratsmitglied Gerd Gigerenzer, der im Hauptberuf das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung leitet. „Wir haben ein Personalproblem.“ Und ein Imageproblem. Zu lange waren die Experten mit sich selbst beschäftigt. Das hat sich inzwischen geändert, doch das alte Bild wirkt nach. „Wir müssen gegen Kritik von außen kämpfen“, weiß Gigerenzer, „der Sachverständigenrat leistet gute Arbeit.“ Tatsächlich scheinen die Experten inzwischen ihren Work-Flow gefunden zu haben, obwohl die Zusammensetzung des Gremiums extrem heterogen ist. Neben Juristen sitzen Professoren verschiedener Fakultäten in dem Gremium, auch Designforscherin Gesche Joost, die einst in Peer Steinbrücks (SPD) Wahlkampfteam saß, ist Mitglied. Komplettiert wird das Gremium von einer Verbraucherschützerin und einem Mitglied der Rewe-Geschäftsleitung.

Gerd Gigerenzer leitet das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und arbeitet an einer großen Studie zum Scoring.
Gerd Gigerenzer leitet das Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und arbeitet an einer großen Studie zum Scoring.

© Thilo Rückeis

Auch nach der Wahl bleibt der Rat

Inzwischen scheint sich die Heterogenität als Vorteil zu erweisen. Die Mitglieder teilen die Arbeit unter sich auf. Gigerenzer, Gert G. Wagner vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung und Gesche Joost arbeiten derzeit an einem großen Gutachten zum Scoring, das nächstes Jahr fertig sein soll. Bereits im Juni stellt der SVR ein Gutachten zur digitalen Souveränität vor. Darf der Rat nach 2018 weitermachen? „Das Ziel ist, den Rat auch weiterhin zu etablieren, um auf seine Arbeitsergebnisse zurückgreifen zu können“, sagt Dennis Rohde, der für die SPD im Haushaltsausschuss sitzt. In der Union sieht man beim SVR einen Aufwärtstrend. Die Verbesserung der Verbraucherrechte in der digitalen Welt sei auch in der nächsten Wahlperiode ein großes Thema, glaubt Elisabeth Winkelmeier-Becker, die Sprecherin für Verbraucherschutz. Dazu sollte man bestehende Potenziale des SVR nutzen, diesen aber „gegebenenfalls mit weiterem Sachverstand verstärken“.

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