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Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller sprach zur Siemens-Belegschaft.

© Thilo Rückeis

Proteste gegen Stellenstreichungen: Ein Werk umarmen

Die IG Metall organisiert bei Siemens in Berlin eine Menschenkette. Michael Müller und Ramona Pop haken sich ein.

Berlin - Am Ende seiner Rede reckt Michael Müller seine rechte Faust in die Luft. Er ruft: „Wir werden weiter an der Seite der Arbeitnehmer stehen.“ Einige Siemens-Mitarbeiter blasen in ihre Tröten, andere spenden dem Regierenden Bürgermeister Applaus. Die Stimmung kocht aber nicht über unter den rund 800 Angestellten, die sich laut Gewerkschaft IG Metall an diesem Montag vor dem Moabiter Gasturbinenwerk versammelt haben, um gegen den drohenden Stellenabbau zu demonstrieren. „Wir umarmen unser Werk“, lautet das Motto der Aktion. Es gibt eine Menschenkette.

Der Siemens-Konzern hatte vergangene Woche mitgeteilt, weltweit rund 6900 Stellen in der Kraftwerkssparte zu streichen, davon 870 in Berlin. Betroffen wären 300 Mitarbeiter im Gasturbinenwerk in Moabit und die gesamte Belegschaft im Dynamowerk in Spandau.

Müller kommt mit Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne). Doch er spricht zunächst gar nicht über Siemens, sondern über Jamaika: Die FDP habe nur aus Eigeninteresse gehandelt. Irgendwie kriegt er dann die Kurve: „Arbeitsplätze dürfen nicht unter dem Scheitern der Sondierungsverhandlungen leiden.“ Er sieht jetzt Kanzlerin Angela Merkel und Siemens-Chef Joe Kaeser in der Verantwortung: „Soziale Marktwirtschaft ist mehr, als nur Rendite zu erwirtschaften.“ Die Vorstände müssten sich um die Arbeitsplätze kümmern. Und schließlich: „Siemens und Berlin gehören zusammen.“ Anschließend versuchen sich die Mitarbeiter einzuhaken. Müller und Pop positionieren sich mit der Gewerkschaftsführung vor den Kameras. Ganz um das Werk herum reicht die Kette nicht. Ausgerechnet am Arbeitsamt in der Berlichingenstraße reißt die Kette ab.

Mit dabei ist auch Julian W. Er arbeitet seit 2009 als Zerspanungsmechaniker im Moabiter Werk. „Es herrscht eine große Ungewissheit in der Belegschaft“, sagt er. Im Arbeitsalltag werde ständig über die Kürzungspläne gesprochen. Das belaste viele Kollegen. Ihn störe vor allem die Kommunikation: „Die Presse war ja besser informiert als wir Mitarbeiter.“ Streiken wolle man nicht, sagt der Betriebsratsvorsitzende im Gasturbinenwerk, Günter Augustat. „Wir werden jetzt in Projektgruppen beraten.“

Siemens-Personalchefin Janina Kugel hatte in einem Interview mit dem Tagesspiegel (Ausgabe am Sonnabend) angekündigt, dass man einigen Berliner Mitarbeitern Jobs im Werk in Mülheim an der Ruhr anbieten werde. Darauf angesprochenen Teilnehmern der Demo ist das keine attraktive Option. Zerspanungsmechaniker Julian W. ist Vater von zwei Kindern und sagt: „Nach Mülheim gehe ich sicher nicht.“ Michael Graupner

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