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Nur noch drei Jahre müssen Verbraucher künftig auf die Restschuldbefreiung warten.

© Jens Schierenbeck/dpa/tmn

Privatinsolvenz: Schneller schuldenfrei

Ein Gesetz ermöglicht Verbrauchern bald, früher aus den Miesen zu kommen. Bei einer Insolvenz sollen ihnen die Schulden statt nach sechs s nach drei Jahren erlassen werden.

Von Carla Neuhaus

Es seien die Immobilien im Osten gewesen, die ihr das Genick gebrochen hätten, gab Eva Herman vor anderthalb Jahren zu Protokoll. Nachdem sie ihren Job als Tagesschau-Sprecherin verloren hatte, konnte sie die Forderungen der Banken nicht mehr bedienen – und meldete Insolvenz an. Wie Eva Herman gehen über 95 000 Bundesbürger jedes Jahr diesen Schritt. Allein in Berlin haben 2012 knapp 5000 Menschen eine Privatinsolvenz beantragt. Künftig soll dieses Verfahren deutlich verkürzt werden, die Betroffenen sollen ihre Schulden schneller loswerden können. Das sieht ein Gesetz vor, das der Bundestag am späten Donnerstagabend verabschiedet hat.

Bislang mussten Schuldner, die sich für die Verbraucherinsolvenz entschieden, sechs Jahre lang enthaltsam leben. Nur etwas über 1000 Euro durften sie im Monat behalten. Was sie darüber hinaus verdienten, ging an die Gläubiger. Jetzt soll diese sogenannte Wohlverhaltensphase auf drei Jahre reduziert werden. Danach bekommen die Verbraucher ihre Restschulden erlassen, sofern sie bis dahin 35 Prozent des Geldes sowie die Verfahrenskosten zurückgezahlt haben.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) sagte am Freitag, dem Schuldner würden so Anreize gesetzt, möglichst viel Geld möglichst schnell zurückzuzahlen. „Dies kommt auch den Gläubigern zugute“, meint die Politikerin. „Anstatt nach sechs Jahren leer auszugehen, erhalten sie nach drei Jahren einen signifikanten Teil ihrer Forderungen.“

Doch daran glauben die Banken nicht. Man könne den Betroffenen nicht einfach 65 Prozent der Rückstände schenken. „Wer dem einen Schulden erlässt, schafft auf der anderen Seite Verluste“, kritisierte Peter Wacket, Geschäftsführer des Bankenfachverbands, der die Interessen der reinen Kreditbanken vertritt. Für die Institute bedeute die Neuregelung Verluste, „die sich auf einen zweistelligen Millionenbetrag pro Jahr belaufen können“.

Wacket warnte, durch das Gesetz könnten sich langfristig sogar die Kredite verteuern – und zwar nicht nur die für Verbraucher, sondern auch für Unternehmer, allen voran für Mittelständler. Deshalb setze das Gesetz das falsche Signal. „Wer Schulden macht, muss sie auch begleichen“, ist Wacket überzeugt.

Wie er hält auch Kay Uwe Berg, Geschäftsführer beim Bundesverband Deutscher Inkassounternehmen, die Neuregelung für falsch. Berg vertritt die Firmen, die bei den Schuldnern offene Forderungen eintreiben. Aus seiner Sicht wird mit den Neuregelungen die „Finanzdisziplin der Verbraucher geschwächt“. Schließlich sei es weniger abschreckend, sich zu verschulden, wenn einem die Restschuld bereits nach drei statt nach sechs Jahren erlassen werde. Er vermutet, dass die Zahl der Privatinsolvenzen nach Inkrafttreten des neuen Gesetzes im Juni 2014 sogar kräftig steigen könnte.

Bereits jetzt hat jeder zwölfte Deutsche das Gefühl, ihm könnten „die finanziellen Verbindlichkeiten über den Kopf wachsen“. Jeder Zehnte kann seine offenen Rechnungen nicht mehr begleichen, heißt es in einer Studie der Auskunftei Creditreform. In Berlin geben demnach bereits 12,6 Prozent der Verbraucher im Monat mehr aus als sie einnehmen.

Deshalb würden es viele Schuldner wohl auch nicht schaffen, in drei Jahren 35 Prozent ihrer Schulden zurückzubezahlen, warnt Berg vom Bundesverband Deutscher Inkassounternehmen. Viele würden mit Müh und Not gerade einmal zehn Prozent abstottern können. Aus diesem Grund hatten Verbraucherschützer im Vorfeld das Gesetzesvorhaben stark kritisiert – und das bereits als in einem ersten Entwurf noch von nur 25 Prozent die Rede war, die Schuldner in den drei Jahren zurückzahlen sollten. Sie können jetzt nur noch auf den Bundesrat hoffen. Der muss dem Gesetz zwar nicht zustimmen, kann aber den Vermittlungsausschuss anrufen. Es sehe allerdings derzeit nicht danach aus, dass das passiere, hieß es am Freitag in Justizkreisen.

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