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Dieses Pfefferspray wird seit Kurzem bei dm verkauft.

© Kitty Kleist-Heinrich

Pfefferspray neben Zahnpasta: Warum dm auf einmal "Tierabwehrspray" verkauft

Seit Kurzem verkauft die Drogeriemarktkette dm Tierabwehrspray. Die Kunden hätten sich das gewünscht, argumentiert das Unternehmen. Die Konkurrenz ist entsetzt, die Polizei warnt vor dem Einsatz des Sprays.

Ganz unten im Regal ist das „Tierabwehrspray“ platziert, neben den Probiergrößen für Spülmittel, Duschgel und Zahnpasta, „Pfeffer-KO Fog“, 40 Milliliter für 5,59 Euro. Doch wohl kaum eine der Kundinnen wird sich nach der kleinen Dose bücken, um gegen den bösen Wolf gerüstet zu sein. Die Bezeichnung „Tierabwehrspray“ macht lediglich den freien Verkauf möglich, denn tatsächlich enthält die Dose: Pfefferspray, das gerne zur Selbstverteidigung eingesetzt wird – und das es seit einigen Wochen in der Drogerie-Kette dm zu kaufen gibt.

Es habe „vermehrt Anfragen von Kundinnen“ gegeben, die das Spray „in gewohnter Einkaufsumgebung kaufen wollten“, erklärt dm-Geschäftsführer Sebastian Bayer. „Wir haben das geprüft und uns entschieden, das Tierabwehrspray in unser Angebot aufzunehmen.“ Seit dem 23. Juni ist es in den dm-Märkten verfügbar, bereits seit 9. Mai im Online-Shop. Die Resonanz der Kundinnen sei „überwiegend positiv“, sagt Bayer. Und auch die Verkäuferin in einer DM-Filiale in Berlin-Mitte berichtet, dass sich das Spray „sehr gut verkauft“, „gerade in den letzten Wochen“. Bayer will sich nicht konkret dazu äußern, ob die Nachfrage mit den Angriffen in der Kölner Silvesternacht oder den jüngsten Anschlägen in München, Ansbach und Würzburg zu tun hat. Er verweist lediglich auf die Nachfrage der Kundinnen, die offenbar ein gewachsenes Sicherheitsbedürfnis widerspiegele. Doch ist ein Pfefferspray tatsächlich das richtige, vor allem erlaubte Mittel zur Verteidigung?

Für Pfefferspray braucht man eine Sondergenehmigung

Der Hersteller selbst weiß um den schmalen Grat. „Pfeffersprays dürfen nur bei vorliegenden Sondergenehmigungen, wie zum Beispiel bei Polizei und Militär verwendet werden“, heißt es auf der Verpackung. „Dieses Pfefferspray ist zur Tierabwehr vorgesehen.“ Doch „in einer Notwehrsituation obliegt es der Einschätzung des Betroffenen, sich mit geeigneten Mitteln zu verteidigen“. Der Selbstschutz müsse „verhältnismäßig“ sein, „kann aber auch mit nicht dafür vorgesehenen Mitteln, wie einem Pfefferspray, erfolgen.“ Auf der Dose steht, dass das Spray zwar gegen Tiere vorgesehen sei, aber „es wirkt ebenso überzeugend gegen Menschen“. Dafür aber ist das Mittel in Deutschland gar nicht zugelassen.

Die Konkurrenz reagiert entsetzt

Zieht DM-Konkurrent Rossmann angesichts der großen Nachfrage nach und nimmt ebenfalls „Tierabwehrspray“ ins Sortiment auf? „Nein“, versichert ein Sprecher: „Ein Pfefferspray ist im Grunde ein Menschenabwehrspray“. Er wundere sich, dass DM, das seine anthroposophische Unternehmensphilosophie unterstreiche, ein solches Spray verkaufe. „Wir sind ein Drogeriemarkt. Bei uns gibt es keine Schlagstöcke, keine Pistolen und auch kein Pfefferspray, solche Produkte überlassen wir lieber dem Fachhandel“, sagt der Rossmann-Sprecher.

Da gehört es auch hin, meint Ingo Meinhard, Geschäftsführer des Verbands Deutscher Büchsenmacher und Waffenfachhändler. Er findet es bedenklich, Tierabwehrspray im Drogeriemarkt zu verkaufen. Denn um Selbstverteidigungsmittel wie Pfefferspray richtig einsetzen zu können, müsse man gut beraten werden, „sonst nebelt man sich am Ende noch selbst damit ein“. Auch die Fachhändler können seit Herbst 2015 eine verstärkte Nachfrage nach Mitteln wie Pfefferspray feststellen. Nach Silvester und den jüngsten Anschlägen in Bayern habe diese noch einmal zugenommen – bei Frauen wie bei Männern. Konkrete Absatzzahlen nennt Meinhard jedoch nicht. Nicht nur in der Drogerie, sondern auch auf Plattformen im Netzt wie Amazon oder in Onlineshops wie dem des Jagdausrüsters Frankonia sind die „Tierabwehrsprays“ zu bestellen. Einige zielen mit rosafarbener Optik oder in Form von Lippenstiften offensichtlich bewusst auf Frauen als Käuferinnen ab.

Benutzen darf man das Spray erst ab 14

Ob die Sprays tatsächlich nicht nur häufiger gekauft, sondern auch häufiger eingesetzt werden, ist bei der Berliner Polizei nicht bekannt. Dazu werde keine Statistik geführt, sagte ein Sprecher auf Anfrage. Er machte im Übrigen noch einmal die rechtliche Unterscheidung zwischen Reizstoffsprühgeräten und Tierabwehrsprays deutlich. Reizstoffsprühgeräte wie Tränengassprays seien zweckbestimmt, um „die Angriffs- und Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen“. Diese Geräte müssten zugelassen und gekennzeichnet sein und dürften erst ab dem vollendeten 14. Lebensjahr verwendet werden. Reizstoffsprühgeräte ohne Zulassungszeichen seien dagegen verbotene Waffen.
So seien Tierabwehrsprays dann auch „ausschließlich für die Abwehr von Tieren vorgesehen“, hier werde Pfeffer als Wirkstoff verwendet. Fehle die Kennzeichnung als Tierabwehrspray, handele es sich bei einem solchen Spray ebenfalls um verbotene Waffen. „Grundsätzlich ist der Einsatz von Tierabwehrsprays nicht für den Einsatz gegen Menschen bestimmt und damit auch nicht erlaubt“, betonte der Polizeisprecher. Im Falle einer Notwehr müsste die Nutzung „im Einzelfall geprüft werden“.

Die Polizei rät von der Bewaffnung ab

Die Polizei rate allerdings „grundsätzlich von einer Schutzbewaffnung ab“. „Eine Bewaffnung vermittelt ein trügerisches Sicherheitsgefühl und verändert die persönliche Wahrnehmung“, erklärte der Sprecher. Dort, wo deeskalierende Maßnahmen ergriffen werden könnten, wie beispielsweise die Straßenseite zu wechseln, Distanz aufzubauen, um Hilfe zu rufen oder Passanten hinzuziehen, „kann durch eine Bewaffnung das Gegenteil bewirkt und im schlimmsten Fall eine höhere Gewaltstufe provoziert werden“. Die Drogeriekette DM ist mit dem „Tierabwehrspray“-Geschäft bisher zufrieden. Eine weitere Aufstockung des Sortiments um andere Marken sei derzeit zwar nicht geplant, sagt Geschäftsführer Bayer, „aber wenn uns geeignete Produkte begegnen, prüfen wir diese gern.“

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