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Wer ein teures Smartphone zum Online-Shopping nutzt, der zahlt womöglich mehr als ein Kunde, der über den PC bestellt. Mit nur wenigen Klicks lassen sich die Einstellungen im Browser aber so verändern, dass eine Desktop-Version angezeigt wird – dann hat der Kunde wieder gut lachen.

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Online-Shopping: Im Netz hat jeder seinen Preis

Online-Händler nutzen Daten der Kunden, um individuelle Preise festzusetzen. Wer viel verdient, zahlt oft mehr.

Eine Packung Nudeln im Supermarkt, ein Brot beim Bäcker, ein Glas Wein im Restaurant, für all diese Produkte zahlen Kunden in der Regel einen Einheitspreis. Wer im Internet einkauft, bekommt für das gleiche Produkt dagegen unterschiedliche Preise angezeigt. „Dynamic Pricing“ heißt diese Strategie, bei der Unternehmen ihre Preise nach Berechnungen eines Algorithmus dynamisch anpassen. Für Käufer können dadurch erhebliche Schwankungen entstehen. Doch nach welchen Kriterien wird der Preis berechnet? Ein Faktencheck – und Tipps, worauf Verbraucher beim Online-Einkauf achten müssen:

Wer über ein iPad bestellt, der muss mehr zahlen?

Tatsächlich wird beim „Dynamic Pricing“ der Preis nicht nur nach Angebot und Nachfrage festgesetzt, um Ladenhüter beispielsweise mit Vergünstigungen aus den Regalen zu bekommen. Der Preis wird vielmehr auf der Grundlage der zahlreichen Daten berechnet, die der Nutzer selbst beim Surfen im Netz hinterlässt. Dazu gehört auch das Gerät, das er benutzt, wie ein Test der SWR-Sendung „Marktcheck“ zeigt: Beim Kauf über einen PC sollte eine Waschmaschine bei Amazon 429 Euro kosten, wurde die gleiche Maschine aber über das iPad aufgerufen, wurde als Preis 439 Euro angezeigt. „Es wird angenommen, dass je nach Zugangsgerät ein unterschiedlich hohes Einkommen vorliegt“, erklärt Martin Fassnacht, Experte für Preismanagement an der WHU Otto Beisheim School of Management. Bei Apple-Nutzern werde beispielsweise angenommen, dass sie über ein höheres Einkommen verfügen. „Wenn diese also im Internet nach einem Produkt suchen, kann es sein, dass Händler von ihnen einen höheren Preis verlangen oder ihnen in der Trefferliste der Suchmaschinen zunächst teurere Angebote angezeigt werden.“ Allerdings können Nutzer den Algorithmus austricksen. Dafür müssen sie in ihrem Smartphones und Tablets den sogenannten „User Agent“ im verwendeten Internetbrowser auf Desktop umstellen.

Wer morgens kauft, zahlt einen geringeren Preis?

Amazons Deutschland-Chef Ralf Kleber weist die Vorwürfe zurück, dass Apple-Nutzer mehr zahlen müssen. Es gebe keine „unterschiedlichen Preise für ein und dasselbe Produkt auf unterschiedlichen Endgeräten“, sagte er der „Rheinischen Post“. Zur Praxis von Amazon gehöre es aber, dass sich die Preise für das gleiche Produkt mehrmals am Tag ändern – nach welchen Kriterien der Preis jeweils festgesetzt wird, verriet Kleber jedoch nicht. Die Uhrzeit der Bestellung spielt offensichtlich eine Rolle: Der „Marktcheck“-Test zeigt, dass sich die Preise häufig zwischen acht Uhr und 12 Uhr sowie ab 20 Uhr ändern. Ein iPhone 6 auf Amazon kostete beispielsweise zunächst 729 Euro, innerhalb einer Stunde waren es plötzlich 100 Euro weniger mit 626 Euro. Bei einer Kamera wurden in drei Tagen etwa 275 Anpassungen registriert, von 1690 Euro bis 700 Euro. Aber nicht nur tagesaktuell, sondern auch saisonal schwanken die Preise, wie eine Untersuchung des Vergleichsportals Spottster zeigt. Demnach lohnt es sich, Parfum und Sportsachen in der Vorweihnachtszeit zu kaufen, Schuhe und Mode im Spätsommer, Schmuck und Uhren nach Weihnachten sowie Medikamente, Einrichtung, Elektronik und Haushaltswaren im Frühjahr. Große Versandhändler wie Amazon würden im Januar stark ihre Preise reduzieren. Es lohnt sich nicht nur die langfristige Planung, sondern auch ein täglicher Vergleich der Preise.

Wer sich ein Produkt mehrmals anschaut, zahlt mehr?

Doch wer auf einer Website ein Produkt mehrmals aufruft, der signalisiert auch höheres Interesse und die Bereitschaft, womöglich einen höheren Preis zu bezahlen. Diese Erfahrung hat auch Florian Stahl schon gemacht. Als der Professor für quantitatives Marketing an der Universität Mannheim auf einem Hotelvermittlungsportal Zimmerpreise verglich, bekam er plötzlich höhere Preise als bei einem seiner letzten Besuche angezeigt. Aus seinen Daten hatte der Algorithmus des Portals offensichtlich den Rückschluss gezogen, dass er häufiger verreist und überdurchschnittlich viel für Übernachtungen ausgibt. Entsprechend wurde ihm ein höherer Preis berechnet. „Die Preise werden künftig noch beweglicher werden“, erklärt Stahl. „Es wird nicht mehr denselben Preis für alle geben, sondern jeder Kunde wird seinen eigenen Preis bekommen.“ Sein Tipp: Die Cookies löschen, also die Dateien, die jeden Besuch einer Website und damit das Surfverhalten des Nutzers dokumentieren. Als Stahl dies auf der Seite des Hotelportals tat und damit vom Algorithmus nicht mehr identifiziert werden konnte, bekam er plötzlich wieder günstigere Preise für das gleiche Zimmer angezeigt.

Der Weg zur Website beeinflusst die Höhe des Preises?

Wie ein Kunde auf die Website gelangt, ist ebenfalls mitentscheidend für die Zusammensetzung des Preises. Für den Test von SWR-„Marktcheck“ wurde auf Google nach Kontaktlinsen gesucht, beim Klick auf den Link zu einem Linsenanbieter gab es eine Packung für 29,99 Euro. Beim Klick auf die Werbeanzeige des Anbieter in der Google-Trefferliste gab es die gleichen Kontaktlinsen dagegen für 21 Euro. Auch beim Weg auf die Website sollten sich Kunden deshalb Zeit zum Vergleichen nehmen.

Wer in Zehlendorf lebt, zahlt mehr als ein Kunde aus Neukölln?

Eine IP-Adresse bis zur exakten Adresse des Nutzers zurückzuverfolgen, ist für den Internetprovider zwar möglich, doch darf er diese Informationen nur im Fall bestimmter strafrechtlicher Ermittlungen an die entsprechenden Behörden weitergeben. Dennoch können Online-Händler über die IP-Adresse oder auch hinterlassene Daten Rückschlüsse zumindest auf das Land und die Region ziehen, in der ein Kunde lebt. Ein Test von „Zeit Campus“ mit Fake-Profilen bei der Online-Partnerbörse Parship zeigt beispielsweise, dass Kunden innerhalb Deutschlands unterschiedliche Angebote bekommen. Der 35-jährige Unternehmensberater „Peter“, der ein hohes Einkommen hat, gerne segelt und Oper mag, soll bei dem Test 23,92 Euro für seine monatliche Mitgliedschaft zahlen. Die 22-jährige Studentin „Lena,“ die Yoga macht, Bafög bekommt und in Berlin-Neukölln wohnt, muss dagegen nur 9,31 Euro zahlen. Menschen aus bestimmten Regionen bekämen manchmal Vergünstigungen, damit die Mitgliederbasis „Singles aus dem gesamten Bundesgebiet umfasst“, erklärte eine Parship-Sprecherin „Zeit Campus“. Entscheidend dürfte im Fall der fiktiven Kunden „Peter“ und „Lena“ aber nicht nur der Wohnort sein, sondern vor allem das Einkommen. Wer sich als Besserverdiener zu erkennen gibt, zahlt offensichtlich mehr.

Gibt es „Dynamic Pricing“ nur beim Einkauf im Netz?

Das Prinzip des „Dynamic Pricing“ ist nicht nur im Netz zu finden: In der Bar gibt es die „Happy Hour“, im Kino die Matinee und im Flugzeug und in der Bahn verschieden Klassen mit verschiedenen Preisen. Online ist jedoch eine deutlich schnellere, ja eine sekundengenaue Anpassung der Preise möglich. Nordrhein-Westfalens Verbraucherschutzminister Johannes Remmel kritisiert, dass „durch die massive Datensammlung und die Auswertung des Konsumverhaltens“ eine Art der „intransparenten Preisbildung“ geschaffen werde, die „eine Blackbox“ für Verbraucher sei. Er fordert deswegen Standards „für einen fairen Umgang aller Marktbeteiligten“.

Sind die Preise im Internet immer günstiger als im Laden?

Rechtlich ist das „Dynamic Pricing“ zulässig, denn die Preisangabenverordnung schreibt nicht vor, dass die Preise für jedermann gleich sein müssen oder über eine längere Zeit stabil. Gerade wegen der leichten Vergleichsmöglichkeiten im Netz können Verbraucher deshalb das „Dynamic Pricing“ auch zu ihrem Vorteil ausspielen. „Es lohnt sich aber auch immer der Vergleich mit dem stationären Handel, wo es im Rahmen von Sonderaktionen immer wieder günstigere Preise als im Netz gibt“, sagt Marketing-Experte Stahl. Hinzu komme der Vorteil der individuellen Beratung. Ohnehin dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis auch im Einzelhandel das „Dynamic Pricing“ mithilfe elektronischer Preisschilder zur Regel wird. Dann kostet die Packung Nudeln morgens für die sparsame Hausfrau womöglich weniger als für den Arbeitnehmer, der abends um 19 Uhr mit knurrendem Magen in den Supermarkt kommt.

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