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Sehen und gleich mitnehmen: Der stationäre Handel hat Vorteile.

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Offline-Store in Seattle: Amazon eröffnet seinen ersten echten Buchladen

Regalreihen aus Holz und Bücher zum Mitnehmen: Amazon versucht sich als stationärer Buchhändler. Online-Daten sollen das Geschäft erleichtern.

Von Maris Hubschmid

Stationärer Buchhandel und Amazon – bisher waren das Kontrahenten, mehr noch, Feinde eigentlich. In den nunmehr zwei Jahrzehnten seines Bestehens hat der Onlinehändler unzählige kleine Buchläden vom Markt verdrängt und auch den etablierten Großketten kräftig zugesetzt. Ab heute ist Amazon einer von ihnen: Am Dienstag hat der US-Konzern in Seattle, der Stadt seinen Hauptsitzes, ein Geschäft eröffnet, das ganz wie eine traditionelle Buchhandlung daherkommt. Mit langen Reihen hölzerner Regale, Sitzgelegenheiten und Mitarbeitern aus Fleisch und Blut, die bei Bedarf Ratschläge geben. Der einzige Unterschied, den die Werbe-Fotos des Konzerns erkennen lassen: Kein Buch dreht dem Kunden den Rücken, alle stehen quer im Regal, die Titel gut sichtbar. Ein Luxus, den sich der Betreiber leisten kann – mehr als 510 Quadratmeter Verkaufsfläche hat er gemietet, dazu knapp 200 Quadratmeter Lager.

Tafeln an jedem Regal zeigen Produktbewertungen von Online-Nutzern.
Tafeln an jedem Regal zeigen Produktbewertungen von Online-Nutzern.

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Die Mitarbeiter wurden lokalen Konkurrenten abgeworben

Als Standort hat das Unternehmen das University-Village gewählt, eine Art Freiluft-Einkaufszentrum nahe der großen Hochschule. Und einen Ort, an dem der vormals erfolgreichste lokale Buchhändler Barnes & Noble vor einigen Jahren seine große Filiale schließen musste, nachdem die Kunden vermehrt bei Amazon bestellten. Jetzt hat Amazon Angestellte bei örtlichen Konkurrenten abgeworben. 15 Jobs wurden im ersten physischen Amazon-Buchladen geschaffen.

Eine Provokation des Weltkonzerns, der inzwischen weit mehr als nur Warenhändler ist und sich zunehmend als Anbieter von Daten-Infrastruktur zu etablieren bemüht ist? Eine gewisse Ironie liegt auf jeden Fall in der Nachricht. Man wolle die Erkenntnisse aus dem Online-Geschäft gezielt einsetzen, um Kunden im Laden den bestmöglichen Service zu bieten, erklärt Amazon. So konzentriere man sich von vornherein auf Titel, die laut Verkaufsstatistik besonders häufig in Seattle bestellt werden. Auch Platzierungen von Titeln, die nicht zwangsläufig der gleichen Kategorie angehören, aber häufig zusammen mit einem anderen gekauft wurden, sind denkbar. Eine kleine Tafel am Regal gibt Auskunft über den aktuellen Amazon-Verkaufsrang, auch ausgewählte Online-Bewertungen von Nutzern, die es bereits gelesen haben, werden präsentiert. In einer Ecke stellen Mitarbeiter ihre Favoriten vor. Dort sind nach Berichten erster Besucher auch die Lieblinge von Amazon-Chef Jeff Bezos zu finden: So etwa „Die fünf Sprachen der Liebe“ von Gary Chapman oder „Traps“ – Fallen – der Roman seiner Frau MacKenzie. „Ein fesselndes Buch“, lobt Bezos.

Der örtliche Buchhändler Barnes & Noble musste seine Buchhandlung am selben Ort vor einigen Jahren schließen.
Der örtliche Buchhändler Barnes & Noble musste seine Buchhandlung am selben Ort vor einigen Jahren schließen.

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Wenn es gut läuft, sollen weitere Buchhandlungen folgen

Die Preise sollen im Laden die gleichen sein wie im Internet – in den USA, wo es keine Buchpreisbindung gibt, nicht selbstverständlich. Bereits in der Vergangenheit hatte Amazon Läden eröffnet, um Produkte rund um seinen E-Reader Kindl zu vermarkten. Die Buchhandlung, heißt es aus Seattle, bleibe hoffentlich nicht die einzige ihrer Art. Das Unternehmen, das weltweit 222 400 Mitarbeiter beschäftigt, testet neue Geschäftsmodelle mit Vorliebe in Seattle – dort liefert es auch frische Lebensmittel und fertig zubereitete Speisen aus, und neuerdings alkoholische Getränke binnen einer Stunde.

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