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© imago/Westend61

Neuer Protein-Hype in den USA: Der Erbsen-Shake war nur der Anfang

Proteine sind der große Foodtrend in den USA. Ernährungsexperten raten aber von Spezialprodukten ab.

Von Maris Hubschmid

Zwei-Liter-Colabecher, 400-Gramm-Eiskugeln und Popcornbehälter in der Größe von Eimern: Mit normalen Mengen haben sich die Amerikaner selten zufrieden gegeben. Extragroß, extrabreit, viel hilft viel – diesem Mantra folgt auch ein neuer Gesundheitstrend in den USA.

Bereits vor einigen Jahren eroberten Eiweißpulver und -shakes erst amerikanische, dann europäische Fitnessstudios. Sie versprachen mehr Masse überall dort, wo sie Eindruck schinden sollte. Inzwischen ist der Trend außer in Bodybuildermägen auch in den Vorratsschränken der Durchschnittsfamilie angekommen.

Frühstücksflocken, Säfte, ja selbst Fertiggerichte – Lebensmittel aller Art werden in den USA mit dem Aufdruck „Jetzt mit noch mehr Proteinen“ beworben. Milchfabrikanten wie Danone weisen stolz auf „Zwölf Gramm Protein pro Becher“ hin, das Unternehmen Kellogg’s hat mehr als 20 Produkte im Sortiment, die das Protein gleich im Namen tragen, so den „Mandel Honig Hafer Protein Riegel“ oder „Special K Protein Flakes“. Die populären Smoothie-Marken Odwalla und Naked, in jedem Supermarkt erhältlich, setzen gleich gut einem Viertel ihrer Erzeugnisse Extraproteine zu.

Die Nachfrage nach Spezialprodukten steigt rasant

Bei einer Umfrage des Onlineportals Breakfastproject.com gaben 62 Prozent der befragten Amerikaner an, beim Lebensmitteleinkauf bewusst auf einen hohen Proteingehalt zu achten. In den vergangenen fünf Jahren, bestätigt das Marktforschungsunternehmen Mintel, haben sich die Verkaufszahlen von Proteinprodukten in den USA verdoppelt.

Nicht nur tierische Produkte enthalten Eiweiß. Auch in Haferflocken oder Hülsenfrüchten sind hohe Mengen enthalten.
Nicht nur tierische Produkte enthalten Eiweiß. Auch in Haferflocken oder Hülsenfrüchten sind hohe Mengen enthalten.

© picture alliance / dpa

Proteine sind für den Körper lebenswichtig. Er braucht sie, um Zellen zu erneuern, Muskeln aufzubauen, für einen funktionierenden Stoffwechsel. Aber sind die tierischen und pflanzlichen Eiweiße so kostbar im Sinne von rar, dass man sie jagen muss?

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt, ein Erwachsener sollte am Tag je nach Gewicht 48 bis 64 Gramm Proteine zu sich nehmen. Ein Kind im Grundschulalter 26 Gramm. Allein: Wenn es morgens eine Schüssel Müsli auf Haferflockenbasis, mittags ein Spiegelei, abends eine Scheibe Vollkornbrot mit Käse und dann vielleicht noch einen Becher Joghurt zwischendurch isst, wird diese Vorgabe bereits überschritten. „Die Vielfalt an proteinhaltigen Lebensmitteln in der Natur ist so groß, dass bei einer normal ausgewogenen Ernährung kein eigens mit Proteinen angereichertes Produkt notwendig ist. Die Eiweißzufuhr ist in den Industrienationen relativ hoch. Wir sind gut versorgt“, heißt es bei der DGE.

Zu viel Eiweiß führt zu Muskelabbau

„Das Geld für Proteinprodukte kann man sich in den allermeisten Fällen sparen“, meint auch Simon Grant, Marketingreferent an der in Seattle ansässigen University of Washington. Er bezeichnet das Phänomen schlicht als Geschäftemacherei. Andere sehen das durchaus kritischer: So erläuterte in der „Washington Post“ unlängst ein Vater in einer Art offenem Brief an seinen heranwachsenden Sohn, weshalb eine zu hohe Proteinzufuhr sogar gesundheitsschädigend sein kann. Zu viel Eiweiß belastet die Nieren und hemmt die Calciumaufnahme, der Wasserbedarf steigt. Überschüssiges Protein wandelt der Körper nicht in Muskeln, sondern in Fett um. Damit er Eiweiß als Energieträger nutzt, muss ein aufwendiger Prozess ablaufen – der belastet die Leber, begünstigt Entzündungen und kann so sogar zum Abbau von Muskelmasse führen.

Hinzu kommt: Die allermeisten der als besonders proteinhaltig beworbenen Produkte enthalten auch andere Zutaten in überdurchschnittlichen Mengen. Zehn Gramm Protein verspricht der Hersteller eines Kakaogetränks seinen Kunden, verschweigt auf der Packungsvorderseite aber die beinahe dreifache Menge an Zucker. Kellogg’s zählt zu seinen Proteinprodukten den „Chocolate Brownie“ und den großzügig gesüßten „Vanilla Cappuccino Frühstücksdrink“. Direkt dreist sind die Kampagnen von Chips-Firmen wie Kay’s Naturals oder Quest: „Perfekt für alle, die auf der Suche nach Extra-Proteinen sind“, heißt es dort. Dass Kartoffelchips in Geschmacksrichtungen wie „Cheddar & Sour Cream“ für niemanden das perfekte Nahrungsmittel darstellen, der nicht Extrakilos auf die Waage bringen muss, steht außer Frage.

Mütter mischen Proteinpulver in Schulessen

Auch der Konzern Kraft Foods aber schämt sich nicht, sein Fertiggericht „Mac n Cheese“ aus Makkaroni und reichlich Käse – 25 Gramm Fett pro empfohlener Portion, Vitamine gleich null – mit dem Slogan zu vermarkten: „Elternsein ist nicht immer leicht. Ihre Kinder mit neun Gramm Protein zu versorgen schon.“

Ein Blick in Internetforen zeigt: Die Strategie zieht. Dort tauschen Mütter Rezepte für die Lunchboxen ihrer Kinder aus. Nancy preist ihren selbst kreierten Mandelbutter-Protein-Fudge als „gesunden und leckeren Pausensnack“ an: „Man nehme je 60 Gramm Mandelbutter und Proteinpulver, drei Esslöffel Kokosnussöl, Ahornsirup, Chocolate Chips ...“

Ernährungsexperten sind sich einig: Der mithin im wahrsten Sinne des Wortes breiten amerikanischen Bevölkerung ist von solchen Mahlzeiten dringend abzuraten – genau wie jedem anderen normal essenden Menschen auch.

Schon aber ziehen die ersten deutschen Hersteller nach. So hat die Müsli-Firma Seitenbacher eine „Muscle Pasta“ entwickelt, die zum Beispiel bei Edeka angeboten wird. 30 Gramm Protein pro Teller verspricht das Etikett. Drin ist kein Gramm Hartweizen, dafür Mais, Erbsen- und Hühnereiweiß. Die Proteinwunder sehen zwar wie Spiralnudeln aus, Geschmack und Konsistenz haben aber nichts mit italienischem Pastagenuss gemein. Stolze 4,99 Euro pro 330-Gramm-Packung kostet die kulinarisch eindeutig streitbare Innovation.

Günstiger, gesünder und leckerer fahren eiweißhungrige mit Bohnen, Avocados oder Früchtequarks. Die Extrapackung: man lasse sie lieber den amerikanischen Touristen.

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