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Wie sich Niedrigzinsen auf die Banken auswirken, blieb beim Stresstest außen vor.

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Nach der Überprüfung der Banken: Der Stress fängt erst an

Der Stresstest der Banken geht an der Realität vorbei. Entscheidender ist inzwischen die Frage: Wie nachhaltig ist das Geschäftsmodell der Institute noch? Ein Kommentar.

Von Carla Neuhaus

Der Urlaub kann endlich kommen. Das meinen zumindest die Banker, vor allem die deutschen. Commerzbank und Deutsche Bank haben den europäischen Stresstest knapp bestanden: Sie haben also genug Kapital, um auch dann noch zu überleben, wenn die Wirtschaft einbricht, die Aktienkurse abstürzen. Das suggerieren zumindest die Test-Ergebnisse, die die Bankenbehörde gerade veröffentlicht hat. Doch: Stopp! Der Urlaub kann noch lange nicht kommen. Die Banker müssen jetzt erst mit der Arbeit richtig loslegen.

Der Stresstest schafft einen schönen Schein. Er erweckt den Eindruck, außer in Italien sei alles in Ordnung im Bankensektor. Doch das stimmt nicht. Dafür gibt es zu viele Fragezeichen. So haben die Tester zwar durchgespielt, was mit den Geldhäusern passiert, wenn Europa in den nächsten drei Jahren in die Krise rutscht. Doch wie sich dabei die niedrigen Zinsen auswirken, haben sie außen vor gelassen. Dabei sind es die Niedrigzinsen, die die Banken gerade vor größte Probleme stellen. Genauso wenig haben die Tester berücksichtigt, dass die Banken längst Strafzinsen zahlen müssen, wenn sie Geld bei der Europäischen Zentralbank parken.

Der Stresstest geht an der Realität vorbei

Deshalb geht der Stresstest an der Realität vorbei. Die entscheidende Frage bleibt unbeantwortet: Wie nachhaltig ist das Geschäftsmodell der Banken noch?

Acht Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise geht es längst nicht mehr allein darum, wie viel Kapital die Institute für schwere Zeiten zur Seite legen. Zumal die meisten deutschen Banken in diesem Bereich längst nachgebessert haben. Viel drängender werden dagegen die Probleme im Tagesgeschäft. Und die darf man nicht unterschätzen.

Denn selbst in Bereichen, in denen die Zinsen kaum eine Rolle spielen, läuft es nicht rund. Zum Beispiel im Handel mit Aktien, Währungen und Anleihen. Gerade die Deutsche Bank war in diesem Bereich einst stark. Doch längst hat die Konkurrenz aus den USA sie abgehängt. Und wenn es nur das wäre. Die Banken sind auf Sinnsuche. Sie haben noch immer keine Antwort auf die Frage gefunden, wie sie mit dem gewandelten Kundenverhalten umgehen sollen. Jüngere Verbraucher machen ihre Bankgeschäfte per Computer oder Smartphone, lassen sich nur noch selten in der Filiale beraten. Das macht die Zweigstellen teuer: die Räume, die Technik, die Mitarbeiter – all das kostet. Gleichzeitig sind da aber auch noch viele ältere Kunden, die kein Smartphone besitzen und auf eine Bankfiliale nicht verzichten können.

Braucht Deutschland noch eine Deutsche Bank?

Die Antwort der Deutschen Bank darauf ist radikal: Sie schließt 188 Zweigstellen, hunderte Arbeitsplätze werden in diesem und im nächsten Jahr wegfallen. Die Deutsche Bank will sich gesund sparen. Dabei muss man sich zwei Fragen stellen, die vor zehn Jahren keinem auch nur in den Sinn gekommen wären: Ist die Deutsche Bank noch zu retten? Und: Braucht Deutschland überhaupt noch eine Deutsche Bank?

Die Antwort lautet zweimal: ja. Natürlich braucht eine Wirtschaftsnation wie Deutschland ein starkes Geldhaus, das weltweit mit der Konkurrenz mithalten kann. Ein Geldhaus, das deutsche Firmen ins Ausland begleitet. Das anders als die Konkurrenz aus London oder New York auch das Geschäftsmodell der hiesigen Unternehmen kennt. Das weiß, wie wichtig mittelständische Firmen für die deutsche Wirtschaft sind, und das nicht nur auf den Börsenwert der Firmen schielt. Das auch den Handel mit komplexen Finanzprodukten nicht allein den Amerikanern überlässt.

Das deutsche Finanzsystem macht gerade seine Vielseitigkeit aus: Dass es eben nicht nur Regionalinstitute gibt, die Kredite an Handwerker oder Ärzte vergeben. Deutschland hat eine starke Wirtschaft und dazu gehört auch eine starke Bank. Wo es Großkonzerne gibt, muss es auch eine Großbank geben.

Was Deutschland braucht, ist allerdings eine neue Deutsche Bank. Eine, die danach fragt, was ihre Kunden wirklich wollen – nicht womit sie selbst am meisten Geld verdient. Ein Institut, das Geschäfte macht, weil sie volkswirtschaftlich sinnvoll sind – und solche unterlässt, die erlaubt, aber moralisch fragwürdig sind. Was Deutschland braucht, ist eine Bank, die dem Deutschen im Namen wieder alle Ehre macht.

Eine, für die wir keinen Stresstest brauchen, um ihre Stärke zu beweisen.

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