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Die Microsoft-Repräsentanz in Berlin.

© Kai-Uwe Heinrich

Missionarin für Microsoft: Tanja Böhm leitet die Hauptstadtvertretung

Tanja Böhm will den Deutschen zu einem "positiven Verhältnis zu Daten" verhelfen: Seit dem Frühjahr leitet die 42-Jährige die Hauptstadtrepräsentanz des Internetkonzerns Microsoft.

Das Jugendstilhaus Unter den Linden Ecke Charlottenstraße ist seit Langem eine Adresse für vertrauliche Gespräche auf höchster politischer Ebene. Als der Touristikkonzern Tui hier noch residierte, kam der damalige Kanzler Gerhard Schröder (SPD) gern in den legendären Weinkeller. Und es war auch das Mitglied einer Hannover-Connection, das dafür sorgte, dass inzwischen Microsoft das 1902 von den Architekten des Hotels Adlon entworfene Gebäude als Hauptstadtrepräsentanz nutzt. Tanja Böhm hatte 2012 über ihre Kontakte aus Niedersachsen erfahren, dass die Tui den Standort aufgibt - just zu der Zeit, als Microsoft auf der Suche nach repräsentativen Räumlichkeiten in der Hauptstadt war. Denn bis dahin hatte der US-Konzern nur ein paar Büros am Zoo angemietet. "Wir haben da direkt ins Nashorngehege geblickt", erinnert sich Böhm.

Doch das hat sich 2013 geändert: Seither kann Microsoft mit einem Blick auf Brandenburger Tor und Fernsehturm aufwarten. Im Frühjahr nun hat Böhm die Leitung der Hauptstadtrepräsentanz und des Corporate-Affairs-Teams mit acht Leuten übernommen. Ihr früherer Chef, Henrik Tesch, hatte den Posten nach mehr als zehn Jahren auf eigenen Wunsch aufgegeben.

Sie war Büroleiterin von David McAllister

Für die Position als Cheflobbyistin hat Böhm beste Voraussetzungen. Seit mehr als sechs Jahren arbeitet sie für Microsoft in diesem Bereich, zuletzt war die 42-Jährige Leiterin für Industrie- und Wirtschaftspolitik. Doch das politische Geschäft hat die Hannoveranerin schon vorher gelernt. Gerade als sie 2003 mit dem Jurastudium fertig war, fanden in Niedersachsen Landtagswahlen statt. Christian Wulff (CDU) löste Sigmar Gabriel (SPD) als Ministerpräsident ab, und die neue schwarz-gelbe Regierung brauchte Personal. Böhm hatte eigentlich einen Job in der Rechtsabteilung bei Volkswagen in Aussicht, doch stattdessen wurde sie Büroleiterin des damaligen CDU-Landtagsfraktionsvorsitzenden David McAllister. Der heutige EU-Parlamentarier lobt Böhms "strategisches Denken, ihre Fähigkeit zum Netzwerken und ihr Gespür für aktuelle Themen". Sie wechselte danach in die Staatskanzlei nach Berlin und leitete das Referat politische Koordinierung Bund-Land-Europa. "Ich war Lobbyistin für das Land Niedersachsen", sagt Böhm. Doch mit der täglichen Arbeit im Politikbetrieb wuchs auch der Wunsch nach einem Wechsel. "Ich habe gesehen, wie hart das Geschäft ist", sagt Böhm und verweist auf den Aufstieg und Fall von Christian Wulff, den sie ganz nah miterlebt hat. Daher besann sie sich auf den ursprünglichen Karriereplan, für einen international agierenden Großkonzern zu arbeiten.

Und mit Microsoft kam sie dabei zudem auf eine andere Leidenschaft zurück: das Interesse an Computern und Software. Schon im Alter von zehn Jahren hatte sie sich einen C64 gewünscht, war damit bei ihren Eltern jedoch auf Unverständnis gestoßen: "Du bist ein Mädchen, das kommt nicht infrage." Doch die freundliche, durchsetzungsstarke Frau ließ sich schon damals nicht so einfach abwimmeln: Sie nahm Taschengeld und Erspartes, pumpte für den Rest die Oma an und kaufte sich auf eigene Faust einen gebrauchten Rechner. Die IT-Affinität half Böhm auch während des Studiums Mitte der Neunziger. Das finanzierte sie sich, indem sie Webseiten für Kommilitonen baute, die ihre ersten Kanzleien gründeten. "Ich hatte damals auch alle Mietervereine Niedersachsens unter Vertrag", sagt Böhm stolz.

Mit dieser positiven Grundeinstellung gegenüber neuen Technologien passt sie gut zu einem US-Konzern, der seine Vorstellungen den oft eher skeptischen deutschen Politikern vermitteln will. "Es ist wichtig, dass wir ein positives Verhältnis zu Daten kriegen", sagt Böhm. Und registriert bei der Regierung diesbezüglich in den vergangenen Jahren einen Meinungswandel: Statt primär Datenschutz und Datensparsamkeit hervorzuheben, werde nun auch über die Chancen von Big Data gesprochen. Ein Vorteil für die Arbeit der Lobbyistin ist sicher auch die geänderte Wahrnehmung von Microsoft. Vor zehn Jahren war der Konzern noch das Sinnbild des US-Technologieriesen, der auch gern mal seine Macht ausspielt, um kleine Konkurrenten fernzuhalten. Nun stehen Google und Facebook stärker im Fokus von Politik und Wettbewerbshütern. So wird im Bundeswirtschaftsministerium gar bewusst Microsofts Suchmaschine Bing genutzt, statt des vermeintlich allmächtigen Google. Das dürfte Böhm auch bei ihrer Mission helfen: "Mein Ziel ist es, Microsoft als das deutscheste aller US-IT-Unternehmen zu positionieren."

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