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Ein Mitarbeiter des Maschinenbauers Schuler AG reinigt ein Exzenterrad.

© Marijan Murat/dpa

Konjunktur: Champagnerlaune auf den Chefetagen

Die deutsche Wirtschaft strotzt vor Kraft. Unternehmen sind so optimistisch wie nie zuvor, die Verbraucher sind in Kauflaune, Außenhandel und Bau boomen.

Zu viel politische Unsicherheit ist Gift für’s Geschäft, aber an etwas mehr Unsicherheit können sich auch Unternehmer gewöhnen. Nach der Wahl Emmanuel Macrons zum französischen Präsidenten zeigt sich die deutsche Wirtschaft erleichtert – und wartet beim Brexit und der US-Abschottungspolitik ab, welche Folgen sie haben werden.

So lässt sich die aktuell gute Stimmung bei Unternehmen und Verbrauchern deuten. Am Dienstag wurde sie von zahlreichen volkswirtschaftlichen Daten untermauert, die zeigen, dass die deutsche Wirtschaft vor einer ihrer längsten Wachstumsperioden steht. Die Gründe sind vielfältig: Es wird gebaut wie nie, der Export boomt, die Konsumenten geben Geld aus, die Unternehmen investieren. Das ist gut für das Wachstum: Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes stieg das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im ersten Quartal 2017 um 0,6 Prozent im Vergleich zum Vorquartal. Ende vergangenen Jahres hatte Europas größte Volkswirtschaft lediglich um 0,4 Prozent zugelegt.

Unternehmen kaufen wieder mehr Maschinen

Die Frankreich-Wahl und der freundliche Jahresauftakt heben die Stimmung in den Unternehmen. Der Ifo-Geschäftsklimaindex ist im Mai auf den höchsten Stand seit der Wiedervereinigung gestiegen. „In den deutschen Chefetagen herrscht Champagnerlaune“, sagte Clemens Fuest, Präsident des Münchener Ifo-Instituts, am Dienstag zu der regelmäßigen Umfrage unter 7000 Managern. Fuest sprach von einer „hohen Schlagzahl“.

Das zeigt sich beim Investitionsverhalten. Die Unternehmen kauften im ersten Quartal erstmals seit längerem wieder mehr Maschinen und andere Ausrüstungen (plus 1,2 Prozent). Dem Bau half der vergleichsweise milde Winter zusätzlich. Die Investitionen stiegen hier nach Angaben der Statistiker gegenüber dem Vorquartal um 2,3 Prozent.

Mit Blick auf den steigenden Bedarf blieb das Angebot an neuen Wohnungen aber immer noch weit hinter dem Bedarf zurück. Zwar wurden in Deutschland 2016 so viele Wohnungen gebaut wie seit 2004 nicht mehr: knapp 278000 Einheiten. Das waren 30000 oder zwölf Prozent mehr als im Jahr zuvor. Dennoch gehen Bundesregierung und Baubranche davon aus, dass etwa wegen der steigenden Nachfrage in Ballungsräumen und der Zuwanderung mehr neue Wohnungen nötig wären. „Wir sind auf dem richtigen Weg, müssen aber noch weitergehen“, sagte Bundesbauministerin Barbara Hendricks. „Wir brauchen insgesamt mindestens 350000 neue Wohnungen pro Jahr.“

Deutschland zieht ausländische Investoren an

Angesichts der insgesamt guten Stimmung hob der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) seine Prognose für das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr von 1,6 auf 1,8 Prozent an. Auch die staatliche Förderbank KfW ist optimistischer für 2017 und 2018. „Wir haben heute unsere Konjunkturprognose für Deutschland um jeweils 0,2 Prozentpunkte auf 1,6 Prozent Realwachstum in den beiden Jahren 2017 und 2018 nach oben revidiert“, sagte KfW-Chefökonom Jörg Zeuner. Gelinge Europa nun eine überzeugende Strategie für die Zukunft von EU und EWU, „ist 2018 möglicherweise sogar noch etwas mehr drin“. Die deutsche Wirtschaft werde zum Langstreckenläufer, sagte Zeuner.

ING Diba-Chefvolkswirt Carsten Brzeski sieht ebenfalls keine Anzeichen für ein plötzliches Ende des Aufschwungs, der mittlerweile ins neunte Jahr gehe. „Die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands wirkt wie eine nicht endende Erfolgsgeschichte.“

Die Stärke zieht ausländische Investoren an, für die Deutschland der Top-Standort in Europa ist. Jedes fünfte Unternehmen zählt die Bundesrepublik zu einem der drei wichtigsten Investitionsstandorte weltweit, wie eine am Dienstag veröffentlichte Umfrage des Beratungskonzerns EY unter mehr als 500 Unternehmen ergab. Vor Deutschland liegen nur China (37 Prozent) und die USA (33 Prozent). Die beiden anderen großen europäischen Volkswirtschaften Großbritannien und Frankreich belegen gemeinsam mit jeweils sieben Prozent den siebten Platz. „Investoren schätzen an Deutschland neben gut ausgebildeten Arbeitskräften vor allem die politische, soziale und rechtliche Sicherheit“, sagte EY-Experte Bernhard Lorentz. „Diese scheinbar weichen Standortfaktoren werden angesichts des zunehmenden Populismus in Europa ein immer wichtigerer Faktor im Standortwettbewerb. Sie sind in unruhigen Zeiten ein hohes Gut.“

Die guten Konjunkturdaten lockten am Dienstag Anleger an die Börse. Der Dax stieg zuletzt um 0,7 Prozent auf 12702 Punkte, der Euro-Stoxx50 gewann 0,8 Prozent auf 3605 Zähler. (mit dpa, rtr)

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