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Ein Schritt zu Lösung. Elektro-Autos, möglichst mit Grünstrom betankt, sollen die Emissionen senken helfen.

© Fredrik von Erichsen/dpa

Klimaschutzplan 2050: Umweltministerin Hendricks sagt dem Verkehr den Kampf an

Der neue Klimaschutzplan der Regierung dürfte vor allem Autohersteller vor Herausforderungen stellen. Noch vor der Sommerpause soll die Klimastrategie ins Kabinett.

Wenn sich das Bundesumweltministerium mit seinen Vorstellungen für den Klimaschutzplan 2050 durchsetzt, steht vor allem der Verkehrssektor vor gewaltigen Umbrüchen. Bisher ist der Verkehrssektor klimapolitisch ein Totalausfall. Der Treibhausgasausstoß des Verkehrs lag im Vergleichsjahr 1990 bei 163 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2). 2014 waren es immer noch 160 Millionen Tonnen CO2. Die Emissionen stagnieren, sinken aber nicht. Das ist übrigens in der gesamten Europäischen Union so.

Bis 2030 sollen die Klimagasemissionen aus dem Verkehr aber auf 90 bis 100 Millionen Tonnen sinken. Das wären rund 40 Prozent. Das geht aus einem Entwurf für den Klimaschutzplan 2050 aus dem Umweltministerium hervor, der dem Tagesspiegel vorliegt. Der Entwurf trägt das Datum 20. April 2016. Die hausinterne Abstimmung sei aber noch nicht abgeschlossen, sagte ein Sprecher des Umweltministeriums dem Tagesspiegel. Demnach gibt es schon eine weitere Version vom 2. Mai. In Grundzügen dürfte der nun aus dem Ministerium herausgesickerte Entwurf aber dem Nahe kommen, was das Haus von Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) ihren Kabinettskollegen noch vor der Sommerpause vorlegen will.

Ohne Durchbruch der Elektromobilität ist das Klimaziel nicht erreichbar

Eine so starke Minderung des Treibhausgasausstoßes aus dem Verkehrssektor ist nur zu schaffen, wenn bis 2030 der Durchbruch für die Elektromobilität gelingt. Im Ministeriumsentwurf werden Batterieautos, Plug-in-Hybride – also Fahrzeuge, die elektrisch aber auch mit Benzinmotor angertrieben werden können – sowie Brennstoffzellenantriebe für den Personenverkehr auf der Straße genannt. Für den Lastentransport will das Umweltministerium vor allem innerstädtisch eine deutlich stärkere Nutzung von Lastenfahrrädern erreichen.

Für den Schwerlastverkehr sieht das Ministerium nur eine indirekte Elektrifizierung als realistisch an. Damit ist gemeint, dass erneuerbare erzeugter Strom zur Wasserstoffproduktion verwendet wird, der dann direkt als Treibstoff eingesetzt wird oder über einen weiteren Verfahrensschritt zu einem flüssigen Treibstoff verarbeitet wird, der dem heutigen Benzin ziemlich nahe kommt. Diese Verfahren werden unter dem Schlagwort Power-to-X diskutiert. Gemeint ist damit die Umwandlung von Wind- oder Solarstrom zu Gas – Wasserstoff oder synthetisches Methan – oder zu flüssigem Treibstoff.

Der Nachteil dieser Verfahren ist: Sie stehen noch am Anfang. Sie funktionieren im Labor und in kleineren Versuchsanlagen. Eine großtechnische Erprobung steht noch bevor. Mit einem der sogenannten Kopernikus-Forschungsprojekte will das Forschungsministerium genau das ermöglichen. Der zweite Nachteil: Bei jedem Verfahrensschritt geht Energie verloren (siehe Text zum Wasserstoff unten).

50 Milliarden Euro kostet der Treibstoff

Das wissen auch die Fachleute des Umweltministeriums. Sie haben deshalb zunächst vorgerechnet, was das aktuelle Verkehrssystem die Volkswirtschaft kostet – und dabei noch nicht einmal die Klimaschäden eingerechnet. Allein die Beschaffung des Erdöls, das in Autos und Lastwagen verbrannt wird, hat 2014 rund 50 Milliarden Euro gekostet. Rund 30 Prozent der in Deutschland verbrauchten Energie werden im Verkehr verwendet. Sowohl beim Personen- als auch beim Güterverkehr sind die Zahlen stetig nach oben gegangen. Auch in den Verkehrsschätzungen des Verkehrsministeriums wird weiter von steigenden gefahrenen Kilometern für den Personen- und den Gütertransport gerechnet.

Eine Verknüpfung des Verkehrssektors mit dem Stromerzeugungssystem ist nach Einschätzung des Ministeriums die einzige Möglichkeit, den Verkehr bis 2050 vom Kohlendioxid zu befreien. Die Voraussetzung für diese sogenannte Sektorkopplung sei aber ein „weiterhin dynamischer Ausbau der erneuerbaren Energien“. Denn auch den Wärmebedarf sollen die erneuerbaren Energien bis 2050 vollständig decken können. Um das zu erreichen setzt das Haus zudem auf eine stetige Verbesserung der Energieeffizienz.

Der Ausbau erneuerbarer Energien müsste schneller gehen

Mit den nun vorliegenden Vorschlägen dürfte das Umweltministerium beim Verkehrsministerium auf wenig Gegenliebe stoßen. Dort scheint die Verteidigung des Dieselmotors bisher noch wichtiger zu sein als der Klimaschutz. Das Umweltministerium dagegen würde die Umstrukturierung gerne mit einer stetig steigenden Dieselsteuer finanzieren. Die bisherige Subventionierung des Diesels hat den Umbau des Verkehrssektors gebremst. Das Umweltministerium stellt sich mit den Vorschlägen aber auch gegen die Zielvorgaben der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), das einen langsameren Ausbau vorsieht.

Kohleausstieg deutlich vor 2050

Der Klimaschutzplan 2050 gibt auch Zielmarken für den Kohleausstieg vor. Bis 2030 sollen die Kohlendioxidemissionen aus der Energiewirtschaft von aktuell 358 Millionen Tonnen CO2 auf 170 bis 180 Millionen Tonnen sinken. „Dazu ist die Anpassung von Kapazitäten in der Kohleverstromung anhand ihrer Flexibilität und CO2-Intensität nötig“, heißt es in dem Entwurf.

Das bedeutet: Bis 2030 müssen eine Reihe von Kohlekraftwerken stillgelegt werden. Und zwar die ältesten mit dem höchsten CO2-Ausstoß. Das sind vor allem alte Braunkohlekraftwerke. Im Plan heißt es auch, die Neuinvestition in neue Kohlekraftwerke oder den Aufschluss neuer Braunkohletagebaue würden den CO2-Ausstoß über 2050 hinaus festlegen – und sollten deshalb unterbleiben. Um Strukturbrüche zu vermeiden und einen Konsens zu erreichen, schlägt das Umweltministerium eine Kommission „Klimaschutz und Vollendung der Energiewende“ vor, die bis Mitte 2017 ihre Vorschläge vorlegen soll.

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