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Interview: „Das erinnert mich ans Raumschiff Enterprise“

Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, über Elektroautos, Ablenkungsmanöver der Hersteller und die Versäumnisse der Politik

Herr Resch, sind Sie Anfang Mai zum Autogipfel ins Kanzleramt eingeladen?

Nein. Angela Merkel wird sehr einseitig beraten. Sie hat sich von einer Umweltministerin zu einer Industriekanzlerin entwickelt.

Es soll um die Förderung der Elektromobilität gehen. Das ist doch Ihr Thema.

Nicht wirklich. Wir fordern spritsparende Technologie heute. Frau Merkel und die Autobauer reden über eine Fortbewegungsart, die in zehn Jahren in Deutschland selbst nach optimistischen Prognosen weniger als ein Prozent der Fahrzeuge umfasst. Es wiederholt sich, was vor zehn Jahren schon einmal mit der Brennstoffzelle passiert ist. Damals kündigte die Autoindustrie an, diese Technologie werde alle Mobilitätsprobleme der Zukunft lösen. Deshalb müsse man sich nicht mehr so stark um die Verbesserung des Verbrennungsmotors kümmern.

Sie glauben, das Thema Elektromobilität ist nur ein Ablenkungsmanöver?

Klar, während wir wieder 500 Millionen Euro Steuergelder für Elektromobilitäts- Modellprojekte verpulvern, wurden gleichzeitig die CO2-Grenzwerte für Pkw und Kleintransporter von 2008 auf 2015 verschoben. Ich bin mir nicht sicher, ob die einseitig beratenen Regierungspolitiker nicht sogar glauben, dass die Elektromobilität schon vor der Tür steht. Auch Autohändler berichten, dass Kunden dieses Jahr kein Auto kaufen, weil sie im nächsten Jahr ein Elektroauto kaufen wollen. Das erinnert mich ans Raumschiff Enterprise: Die beste Form des Reisens ist das Beamen.

Aber in Berlin und anderswo sind Elektroautos unterwegs. Alle Hersteller entwickeln batteriebetriebene Fahrzeuge.

Zu sehen sind von Fremdfirmen zusammengebastelte Show-Fahrzeuge. Die in Berlin getesteten und mit unseren Steuermitteln finanzierten Elektro-Minis und -Smarts werden nie in dieser Form in Serie gehen. Sie erfüllen vor allem einen Zweck: Sie lenken ab vom eigentlich umwelt- und industriepolitisch notwendigen Druck auf die Hersteller, effizientere Fahrzeuge jetzt und heute zu entwickeln, etwa durch eine intelligente Kfz- beziehungsweise Dienstwagenbesteuerung nach CO2. Stattdessen träumt die Politik von der Chimäre einer elektromobilen Zukunft.

Auch die Hersteller räumen ein, dass sie noch in der Testphase sind. Sie argumentieren, dass mit den Tests Erfahrungen gesammelt werden sollen – auf Hersteller- und auf Verbraucherseite.

Warum Verbrauchertests, wenn der Normalverbraucher auf absehbare Zeit diese Autos nicht kaufen kann? Oder er muss für einen Kleinwagen statt 12 000 Euro mehr als 40 000 Euro bezahlen.

Die Bundesregierung erwartet, dass bis 2020 rund eine Million Elektroautos auf deutschen Straßen unterwegs sind. Ein Wunschtraum?

Angesicht von dann circa 50 Millionen zugelassener Pkws wären dies ganze zwei Prozent. Da diese Million aus 750 000 Hybridfahrzeugen und 250 000 reinen Elektroautos bestehen soll, verbleibt als Vision der Bundesregierung, dass in zehn Jahren ganze 0,5 Prozent der Mobilität rein elektrisch stattfinden wird.

Sollte es eine Prämie für die Anschaffung von Elektroautos geben?

Nein, ich glaube, die Hersteller wollen das zum jetzigen Zeitpunkt auch gar nicht. Sie wissen, dass man keine Autos kaufen kann. Ich fände eine technikneutrale Anschaffungsprämie für besonders umweltfreundliche Fahrzeuge gut. Die Franzosen zum Beispiel fördern Autos, die weniger als 60 Gramm CO2 ausstoßen beziehungsweise zwei Liter Sprit verbrauchen, mit bis zu 5000 Euro. Finanziert wird dies übrigens aufkommensneutral mit Maluszahlungen für Spritfresser. Damit hat die Industrie einen Anreiz, optimierte Autos mit Hybridantrieb oder später, wenn es geeignete Batterien gibt, auch reine Elektroautos auf den Markt zu bringen.

Muss eine neue Antriebstechnologie wie der Elektromotor nicht vom Staat finanziell angeschoben werden, damit sie sich am Markt durchsetzt?

Ich halte es da mit Bosch-Chef Franz Fehrenbach, der gesagt hat, dass nicht einzelne Elektroautos und Regionen gefördert werden müssten, sondern allein die Entwicklung leistungsfähiger Batterien. Wir haben eine Förderung mit der Gießkanne, bei der jeder, der es gebrauchen kann, Fördergeld abzweigt. Aber die meisten Probleme der Elektromobilität sind seit Jahrzehnten gelöst, nur nicht die der Batterie.

Das heißt, Elektroautos scheitern an den Grenzen der Physik?

Auch nach den neuesten Erkenntnissen der Forschung und Entwicklung wird es bis 2020 keine revolutionär neue Batterietechnik geben, die nicht schon heute zum Einsatz kommt. Die japanischen Autohersteller haben verstanden, dass die Zukunft also zunächst der Weiterentwicklung der Hybridtechnologie gehört – also der Verbindung von Verbrennungs- und Elektromotor. Mit ihr sind 30 Prozent Effizienzsteigerung gegenüber der in Deutschland populären reinen Verbrennungstechnologie drin. Die deutschen Hersteller haben diese Technologie verschlafen. Die von ihnen lange favorisierten Brennstoffzellen- und Wasserstoffantriebe haben sich als zu teuer erwiesen. Toyota oder Honda verdienen hingegen mit Hybridautos schon heute Geld.

Stichwort Anreize. Hat der Bundespräsident recht, wenn er sagt, dass Benzin noch teurer werden muss, damit effizientere Autos nachgefragt werden?

Offensichtlich reagiert der Kunde sehr sensibel auf den Preis. Mir hat ein Autohändler gesagt, dass die Nachfrage nach Hybridfahrzeugen immer dann deutlich anzieht, wenn der Spritpreis über 1,35 Euro steigt. Es gibt also offensichtlich eine psychologische Grenze. Dringender Handlungsbedarf besteht bei der Subventionierung des Dieselpreises von 20 Cent pro Liter. Hier könnte und sollte Herr Schäuble die Steilvorlage des Bundespräsidenten aufnehmen und zum Wohle des Staatshaushalts wie auch des Klimaschutzes die heute nicht mehr sinnvolle Förderung des Dieselmotors beenden. Mit steigenden Benzinpreisen legt der Bürger ein anderes Mobilitätsverhalten an den Tag, weil 20 oder 30 Euro mehr Spritkosten im Monat vielen weh tun.

Nicht, wenn der Sprit wie bei den meisten Dienstwagen von der Firma bezahlt wird ...

Deshalb sind wir für eine andere Besteuerung von übermotorisierten Dienstwagen. Es wäre kein Problem, Luxuslimousinen wie die E-Klasse oder den 5er BMW oder noch größere Modelle mit weniger als 140 Gramm CO2-Emission pro Kilometer zu betreiben. Es hat nur kaum jemand ein Interesse daran, weil die geltende Dienstwagenbesteuerung große und durstige Limousinen höher bezuschusst als spritsparende und damit umweltverträglichere Fahrzeuge. Mit dieser widersinnigen Förderpraxis steht Deutschland weltweit alleine.

Man hört aber, dass in vielen Unternehmen inzwischen nicht mehr über PS, sondern über CO2-Werte diskutiert wird.

Wenn der Chef einen 5er BMW fährt, der weniger als 140 Gramm CO2 ausstößt, kann der Abteilungsleiter keinen Sportwagen mit doppelt so hohen Werten verlangen. Vorbilder sind wichtig. Das, was wir in der Bundestagsverwaltung für den Fahrdienst der Abgeordneten durchgesetzt haben – alle Neuwagen dürfen nur weniger als 140 Gramm CO2 ausstoßen – wollen wir auch bei den Unternehmensflotten als Standard etablieren. Das bekämpft die Autoindustrie natürlich erbittert.

Da brauchen Sie die Hilfe des Finanzministers.

Würde er die Abschreibungsmöglichkeiten für Firmenwagen einschränken, die mehr als 140 Gramm CO2 ausstoßen, würde das der Autoindustrie nicht schaden. Sie könnte trotzdem ihre Oberklasse-Limousinen verkaufen, aber eben mit verbrauchsoptimierten Motoren und vielleicht dann doch mit etwas niedrigeren Höchstgeschwindigkeiten als bisher. In Großbritannien haben Dienstfahrzeuge im Schnitt einen niedrigeren CO2-Ausstoß als Privatwagen, weil Fahrzeuge mit hohem Verbrauch strafbesteuert werden. In Deutschland ist es umgekehrt – faktisch erhalten Sie mit steigender Motorisierung und Spritverbrauch auch absolut höhere Subventionen für Beschaffung wie Unterhalt.

Erkennen Sie eigentlich an, dass die deutsche Industrie große Fortschritte bei der Reduzierung der durchschnittlichen Verbrauchs- und Emissionswerte gemacht hat?

Die Verbesserungen fallen geringer aus als bei anderen europäischen und asiatischen Herstellern. Die Fortschritte werden durch eine höhere Motorisierung der neuen Modelle kompensiert. In den Spitzenprodukten stecken Motoren mit 400 bis 500 PS, die man bisher nur in 40-Tonner-Lkws fand. Außerdem stellen wir fest, dass viele Hersteller bei den angegebenen Verbrauchswerten massiv manipulieren.

Welches Auto fahren Sie?

Einen Toyota Prius. Davor über 200 000 Kilometer einen Drei-Liter-Lupo. Der war ständig in der Werkstatt. Man hat ihm angemerkt, dass er nicht ausgereift war.

Das Gespräch führte Henrik Mortsiefer

Zur Person

DER AKTIVIST

Jürgen Resch (50) ist seit 1986 einer von zwei Bundesgeschäftsführern der Deutschen Umwelthilfe (DUH), ein bundesweit tätiger Umwelt-, Naturschutz- und Verbraucherschutzverband. Seit 1975 ist Resch ehrenamtlich und seit 1983 hauptamtlich im Natur- und Umweltschutz tätig. Von 1983 bis 1986 leitete er die Kampagnenabteilung des Bunds für Umwelt und Naturschutz.

DER AUTOMANN

Resch, der Verwaltungswissenschaften studierte, beschäftigt sich seit mehr als 20 Jahren mit der Autoindustrie. Er ist einer ihrer schärfsten Kritiker. Zu seinen Erfolgen zählt er die Durchsetzung des Dieselfilters.

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